Beendet der radikale Dschihad des IS die europäische Austeritätspolitik? Zeit für linke Strategen: Merkel im Glück – und eine für Alternativen blockierte Politik?

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 01.10.2014

Der Dschihad des IS und die europäische Austeritätspolitik – und ein militärisch überlegener “Westen” nur hilflos gegenüber der Macht der Dschihadisten

Zunächst blicken wir auf die unter der deutschen Dominanz vorherrschende Austeritätspolitik für Europa. Noch einmal zum Verständnis sei auf die sich immer weiter nach unten sich bewegende Spirale der soziale Probleme geradezu hervorbringenden Austeritätspolitik hingewiesen: Steigende Arbeitslosigkeit nebst sich ausbreitende Armut – wenn auch in den Euro-Staaten auf jeweils unterschiedlichem Niveau – führen zu einem Ansteigen der Verschuldung (außer derzeit Deutschland, das so stolz auf seine “schwarze Null” sich zeigt (vgl. zur Vertiefung dazu eventuell noch einmal: “Europa wählt sich ab – jetzt durch überzeugende Europapolitik Vertrauen zurückgewinnen” (https://www.labournet.de/?p=59502) – oder auch “Eine ultimative EZB-Entscheidung und ein politischer Macht- und Meinungskampf um den Weg für Europa: Sparkurs oder nicht – das ist die Frage” (https://www.labournet.de/?p=59703) – mit der nach dem neoliberalen Rezeptbuch erwünschten Konsequenz nun noch härter zu sparen (beispielhaft wird dies in Frankreich vorgeführt (http://www.gegenblende.de/-/ipS externer Link)

Perspektivlosigkeit erzeugt Hoffnung auf radikale Lösungen – auch bei jungen Leuten ohne Perspektive bei uns Am 27. Sept. 2014 stand in der “Süddeutschen Zeitung” (Bayernteil) unter der Überschrift “Terror aus Bayern”: Die Salafisten-Szene (= die radikalen Muslime, die dem bedingungslosen Kampf gegen Andersgläubige zuneigen oder schon anhängen) im Freistaat Bayern wächst. Allein in den vergangenen paar Monaten könnten bis zu 80 Kämpfer aus Bayern nach Syrien ausgereist sein. Einige von ihnen sind bereits tot.

Von islamischen Gemeinden wird versucht derRadikalisierung durch Wissen und Anerkennung vorzubeugen, weil diese die besten Waffen gegen Radikalisierung sind. – Nur diesem Willen der gemäßigten Muslime steht eine deutsche Gesellschaft gegenüber, die immer mehr ihre so unsicher gewordenen Identität durch Islamfeindlichkeit zu stabilisieren versucht. (vgl. weiter unten den Abschnitt “Für was steht die rechtspopulistische AfD….”) Gleichzeitig verführt die Perspektivlosigkeit von Jugendlichen mit Migrationshintergrund – angesichts der starken Arbeitslosigkeit gerade bei diesen Jugendlichen (siehe http://de.statista.com/statistik/daten/studie/74795/umfrage/jugendarbeitslosigkeit-in-europa/ externer Link)  – zu eben dieser Radikalisierung. Auch wenn gerade in Deutschland das Verhältnis noch relativ gut ist, leiden junge Menschen ganz besonders unter diesen Folgen der Krise. (http://www.nachdenkseiten.de/?p=17768#h16 externer Link) So wird für weite Teile Europas mit Blick auf diese vom Arbeitsmarkt langfristig ausgeschlossenen Jugendlichen von einer “verlorenen Generation” gesprochen. Und Hans-Christian Ströbele hat in diesem Zusammenhang auch zu recht darauf hingewiesen, dass es jetzt keinesfalls dazu kommen dürfe, jetzt die Flüchtlinge gegen die Programme für Jugendliche auszuspielen – nach dem Motto “Entweder – oder?” (https://www.taz.de/Hans-Christian-Stroebele-ueber-Fluechtlinge/!146630/ externer Link)

Wir haben genügend Geld, sagt Ströbele. Und im Vergleich zu früheren Jahren (Anfang der 90-er) als gegen den Willen der Grünen das Asylrecht massiv eingeschränkt wurde, gibt es heute eher ein Verständnis für die Notlage der Flüchtlinge. Das liegt auch daran, wenn man abends die schrecklichen Bilder von der Hunderttausenden Flüchtlingen im Irak und Syrien sieht – und in Berlin geht es dann um einen angemessenen Umgang mit 400 Menschen, dann ist jeder vernünftige Mensch dafür. Dazu meint Volker Perthes auch in der Süddeutschen (25. 9. 2014): Neue Eroberungen des IS würden weitere Flüchtlingswellen auslösen und die Nachbarstaaten wie Jordanien, Libanon oder die Türkei noch stärker belasten als ohnehin schon.Und solange der IS Erfolge vorweisen kann, wird erimmer mehr dschihadistische Nachwuchskräfte auch aus Europa, Russland und anderen Ländern rekrutieren, von denen einige – mit dem “Erlernten” – in ihre alte Heimat zurückkehren werden.

Aber mehr noch als die schiere Zahl der Kämpfer des Dschihad, die dieIS mobilisieren kann – nach Schätzungen unterschiedlicher Sicherheitsbehörden sind es zwischen 10 000 und 30 000 – beunruhigt, dass der lokale Widerstand gegen die Terrorherrschaft des IS relativ begrenzt geblieben ist – wenn man die Kurden z.B. in Syrien noch ausnimmt (vgl. “Wenn kein Wunder geschieht, sind wir verloren” http://www.fr-online.de/terrorgruppe-islamischer-staat/fluechtlingswelle-aus-syrien—wenn-kein-wunder-geschieht—sind-wir-verloren-,28501302,28524054.html externer Link) – aber die Kurden, die bei uns “geheimdienstlich” noch als Terroristen “geführt” werden (PKK) sind wohl die einzigen, die sich mit Waffen wehren können und deshalb inzwischen eine ganz “neue” Anerkennung erfahren dürfen (http://www.tagesschau.de/inland/bundestag-120.html externer Link): solche “Bocksprünge” macht bei uns inzwischen angesichts einer IS-Bedrohung die Politik) – Dazu stellt Volker Perthes weiter fest: Große Teile der Bevölkerung arrangieren sich (im Irak und Syrien) – nicht, weil sie den IS für gut, sondern weil sie die Regierungen in Bagdad oder Damaskus für noch schlimmer halten, sich von diesen marginalisiert und unterdrückt fühlen. (siehe Volker Perthes, ”Krieg den Ungläubigen” als Beitrag in der Süddeutschen Zeitung vom 25.9. http://www.swp-berlin.org/de/publikationen/produkt-detail/article/krieg_den_unglaeubigen.html externer Link oder auch direkt http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/medienbeitraege/140925_SZ_Krieg_den_Unglaeubigen_Prt.pdf externer Link pdf)

Haltbare Lösungen zunächst allein für den Irak und Syrien sind jedoch ohnehin – nach einhelliger Meinung der Experten – nur politisch, und überhaupt nicht militärisch zu erzielen. Auf einen etwas breiteren Rahmen der anstehenden Konfliktlösungen weist in dieser Situation daher Stephan Hebel angesichts der Ukraine-Krise noch hin: Die Frage muss jetzt lauten, welchen Umgang wir in Europa mit Russland im strategischen Interesse des Westens pflegen. Und dazu würde gehören, gemeinsam mit der Großmacht Russland gegen die existentielle Bedrohung im Nahen und Mittleren Osten vorzugehen – und deshalb konsequent mit Moskau über eine für beide Seiten tragfähige Lösung in der Ukraine-Krise zu verhandeln. (http://www.fr-online.de/meinung/russland-nato-die-andere-staerke-der-nato,1472602,28526156.html externer Link)

Ein breiteres Konzept für solch eine Lösung mit Russland bei der Ukraine hatten die beiden Friedens-Experten Andreas Buro und Karl Grobe für die deutsche Friedensbewegung schon ausgearbeitet: “Konkrete Schritte für den Frieden – Kooperation statt Konfrontation” (http://www.koop-frieden.de/fileadmin/Dossiers/Dossier_VII_Ukraine__Stand_14.08.14_.pdf externer Link pdf), dessen verkürzter Abdruck in der Frankfurter Rundschau noch eine lebhafte Diskussion ausgelöst hatte: (http://www.frblog.de/schritte/ externer Link) Das könnte wahrhaft zu einer neuen Weltordnung für mehr Frieden führen. Nur die Frage wird für uns dabei sein, wird es dafür – angesichts eines zunehmenden Rechtstrends auch bei uns – noch politische Mehrheiten geben können?

Keine zielgerichtete Strategie, sondern lediglich ein “Hau drauf” mit Bomben – und dann? Dazu meint Karim El-Gawhary: Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, bei jeder militärischen Planung muss nach dem strategischen Ziel einer militärischen Aktion gefragt werden – aber bei den Luftschlägen in Syrien gibt es kein Ziel! Aber rein militärisch ist dem IS eben überhaupt nicht beizukommen. Soll verhindert werden, dass die internationale Dschihad-Touristen nach Syrien reisen und später in ihren Heimatländern Unheil anrichten? Das lässt sich aus der Luft kaum verhindern. Stattdessen dürften die Dschihad-Touristen durch die Luft-Angriffe weiter radikalisiert werden. (http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=me&dig=2014%2F09%2F27%2Fa0145&cHash=aafda434232f4d6286c6c397ee68accf externer Link)

So stellt El-Gawhary nur fest, dass jeder Versuch, den IS zu bekämpfen scheitern wird, wenn man sich nicht mit der Entstehung dieser Terrorgruppe beschäftigt – auch wenn dies zu der blamablen Erkenntnis führt, dass der Weg zu dieser Entstehung des IS mit Versäumnissen und Fehlern des Westens gepflastert ist. Jedoch allein aus dieser Erkenntnis heraus kann es zur einer wirksamen Auseinandersetzung und Bekämpfung des IS kommen. Deshalb muss auch Andreas Zumach – nach dem Beschluss der UN-Resolution (vgl. “Einstimmig gegen den Terrorismus” http://www.taz.de/!146651/ externer Link) – etwas resigniert feststellen: Fast völlig verdrängt wurde bei dieser Resolution, dass der seit dem 11. September 2001 ebenfalls unter Berufung auf eine Resolution des Sicherheitsrates geführte Krieg gegen den Terrorismus weitgehend gescheitert ist.

Dagegen sind für jeden in den letzten 10 Jahren getöteten Terroristen mindestens 10 Nachfolger erwachsen. Doch was muss getan werden, damit im Krisenbogen zwischen Marokko und Pakistan und zunehmend auch in europäischen Städten nicht weiterhin viele Millionen junger Menschen ohne positive Lebensperspektive aufwachsen? Denn gerade diese Perspektivlosigkeit lässt doch diese jungen Menschen zum leichten Opfer für islamistische Verführer werden. Auf diese Frage bleibt die “Wertegemeinschaft” des Westens – auch nach dieser UN-Resolution in New York – eine Antwort schuldig. Dabei wäre gerade diese Antwort entscheidend für eine nachhaltige Überwindung des islamistischen Terrors. (http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=a1&dig=2014%2F09%2F26%2Fa0031&cHash=7387925b22bd27817abfb559bcf9f534 externer Link)

Ohne eine Perspektive für die Jugend in Gaza – in Israel nur noch Abwehr mit einem Rechtsruck

Wie unter einem Brennglas kann man diesen Mangel an einer Politik mit einer Perspektive für alle jetzt auch gerade im Verhältnis zwischen den Palästinensern und den Israelis konstatieren: Auf der einen Seite rückt die israelische Gesellschaft wohl mit einem weiteren enormen Ruck “nationalistisch” nach rechts und geht in eine totale Igel-Verteidigungsstellung. Dies wird deutlich an dem internen Konflikt um eine kritische Berichterstattung zur Gaza-Bombardierung durch Israel – und dem Versuch eine derartige Berichterstattung einfach zu unterbinden – eine enormes Anzeichen für die eigene Verunsicherung. (http://www.taz.de/Streit-bei-israelischer-Zeitung-Haaretz/!146626/ externer Link)

Auf der anderen Seite der Palästinenser macht sich – insbesondere bei den jungen Leuten – nach dem Bombardement eine gewaltige Hoffnungslosigkeit breit – mit dem Ziel nur noch raus aus diesem Elendsstreifen Gaza. (http://www.fr-online.de/politik/gaza-konflikt-ohne-hoffnung—in-gaza,1472596,28534188.html externer Link) Oder bleibt für den Westen nur der Zynismus der Waffenlieferungen – um die Rüstungsindustrie zu “beleben” Zynisch betrachtet erweist sich die ziellose Waffenstrategie jedoch als doch typisch “kapitalistisch-westlich”: Die Reduzierung auf Waffenlieferungen lässt die Nachfrage nach Waffen hochschnellen – und versetzt die Rüstungsaktien in einen Höhenflug. (http://www.fr-online.de/wirtschaft/ruestungsindustrie-ruestungsaktien-im-hoehenflug,1472780,28526444.html externer Link)

Soll das jetzt nur der amerikanischen Waffenindustrie zugute kommen? Da gerät die deutsche Waffenindustrie doch schnell in Rage und möchte so gerne dem Wirtschaftsminister Gabriel mit seiner restriktiven Rüstungsexportpolitik auf die Finger klopfen. (http://www.tagesschau.de/inland/ruestung-106.html externer Link) Dazu werden dann auch immer gerne – unter der Bedrohung Arbeitsplatzverluste – gegen die Politik vorgeschickt. (http://www.tagesschau.de/wirtschaft/gabriel-ruestungsindustrie-103.html externer Link) Bedrohlich für all diese Entwicklung von Friedenkonzepten ist jedoch, dass auch bei uns die “politische Landschaft” zunächst weiter nach rechts rückt – trotz aller Hoffnungen von Jürgen Trittin, dass die deutschen Wähler “im Prinzip” doch links ticken.

Zeit für Strategen: Wahnsinnig unübersichtliche politische Situation:

Haben wir ein Schlamassel einer inzwischen alternativlosen Politik – weil die Chancen für Rot-Rot-Grün erst einmal “ausgebootet” worden sind? – Oder entsteht in dieser “auswegslos” scheinenden Situation der Mut zu Linksbündnissen? Zunächst könnte es danach aussehen, dass wir einen gehörigen Schlamassel mit diesen Rechtspopulisten der AfD eingebrockt bekommen haben: Union for ever – und Rot-Rot-Grün “auf ewig” in den Sternen? – Und vor allem die SPD in der Sackgasse – als allenfalls permanenter Juniorpartner der CDU? (Wenn sie Glück hat) So sieht es jedenfalls noch Albrecht Lucke in der TAZ: “Merkel im Glück” – Politisch auf Dauer an Konservativismus gefesselt – allenfalls mit der Verdammung an einen “Rechtsausleger”? Unter dieser Überschrift analysiert Albrecht Lucke die politischen Konstellationen nach den Wahlen in Brandenburg und Thüringen mit dem enormen Erfolg der rechtspopulistischen AfD: Zunächst die Abwanderung von der SPD, aber vor allem von der Linkspartei zur AfD hat das rot-rot-grüne Lager entscheidend geschwächt. Jahrelang konnte der pfiffige Gregor Gysi noch stolz behaupten, die PDS / Linkspartei habe auch die autoritären SED-Wähler aufgefangen und damit einer möglichen Rechtspartei den Boden entzogen. Nun aber ist diese da – mit der AfD! (und damit ist auch jede Illusion, dass die Linke aucham rechten Rand im populistisch Trüben fischen könnte, um ihr Lager zu stärken zunächst vorbei)

Ein dauerhaftes Ersetzen der FDP durch die AfD – und alles spricht gegenwärtig dafür – wird die gesamte koalitionäre Tektonik dieser Republik verändern (und nicht nur dieser!) Die AfD sitzt parlamentarisch eindeutig rechts der Union und ist damit allein deren potenzieller Koalitionspartner – wenn nicht jetzt doch möglicherweise in Zukunft. (http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=me&dig=2014%2F09%2F16%2Fa0086&cHash=c95642305426fad0cbe44a0b94d8303f externer Link) “In Gefahr und größter Not, bringt der Mittelweg den Tod”

Klare programmatische Reform-Alternative als Ausweg aus der jetzigen politischen Sackgasse.

Das Ende für das nach allen Seiten offene “Durchwursteln” wird für eine Linke zur Überlebensfrage – Damit die SPD dieser so offensichtlichen politischen Sackgasse entrinnen kann, schlägt Stephan Hebel alseinzig möglichen Ausweg jetzt die Entwicklung einerklaren programmatischen Alternative vor: Die staatspolitische Aufgabe, den Rechtspopulismus zu bekämpfen, und die Verpflichtung eine Reform-Alternative zu entwickeln, lastet nun erst recht auf SPD, Grünen und Linken. Für 2017 ist es fast schon zu spät, meint Stephan Hebel, aber gerade deshalb dürfen sie nicht länger warten. (http://www.fr-online.de/meinung/leitartikel-zur-afd-die-macht-der-populisten,1472602,28408374.html externer Link)

Nun so richtig programmatisch ist der Start jetzt aktuell nach der Wahl in Thüringen und Brandenburg noch nicht, aber trotz knapper “Mini”-Mehrheit will Bodo Ramelow es jetzt gerade in Thüringen – trotz nur einer Stimme Mehrheit – sozusagen als “letzte” Chance nutzen und ein rot-rot-grünes Bündnis aus der Taufe heben (http://www.fr-online.de/politik/landtagswahlen-thueringen-thueringen-koennte-rot-rot-gruen-werden,1472596,28522892.html externer Link) Dabei fand man auch zu neuen Gemeinsamkeiten bezüglich der DDR-Vergangenheit (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/thueringen-rot-rot-gruen-einigte-sich-auf-papier-zu-ddr-diktatur-a-993397.html externer Link) und Bodo Ramelow sieht trotz der knappen Mehrheit gute Chancen für Rot-Rot-Grün – eine mutige Antwort auf die jetzt so schwierig gewordenen politische Lage (http://www.tagesspiegel.de/politik/thueringen-bodo-ramalow-setzt-auf-rot-rot-gruen-trotz-mini-mehrheit/10751522.html externer Link)

Ein alternatives Projekt? Jetzt doch, wenn durch die Wahlerfolge der rechten AfD das Wasser bis zum Hals steht? Für was steht dann der Asylkompromiss von Seiten der Grünen?

Es könnte ja sein, dass wenn dem alternativen Projekt jetzt durch die Wahlerfolge der AfD das Wasser bis zum Hals steht, ein kleiner “Ruck” durch dieses Bündnis geht, um zu zeigen, dass es eine Alternative geben könnte. Wie erhob doch die Linken-Vorsitzende Katja Kipping in der “Süddeutschen” vom 23. Sept. noch warnend die Stimme: “Leute, es droht ein gesellschaftlicher Rechtsruck!” (http://www.katja-kipping.de/de/article/833.leute-es-droht-ein-gesellschaftlicher-rechtsruck.html externer Link) Die letzte Chance also einer deutschen Wählerschaft, die wieJürgen Trittin (Grüne) jüngst in seinem Buch “Stillstand made in Germany” vermutet, docheigentlich mehrheitlich eher links tickt, eine Alternative auch praktisch noch vorzuführen.

Verwirrung stiften dann jedoch wieder für die Grünen, der an der Macht näher dran sitzende Winfried Kretschmann mit “seinem” Asylkompromiss mit der Bundesregierung im Bundesrat. Dabei könnte sich die große Menschenrechtsfrage – Asyl oder nicht –, die große identitätsstiftende und daher für die Grünen symbolhaft belastete Frage (Claudia Roth) auch dadurch wegdefiniert werden, wenn es sich gar nicht mehr um ein Asyl handelt, sondern die Herkunft aus “sicheren Herkunftsländern” die Asylberechtigung – nach der Rechtslage – gegenstandslos werden lässt, weil es gar nicht mehr um die Frage gute Flüchtlinge schlechte Flüchtlinge gehen kann? (http://www.taz.de/!146109/ externer Link) Jürgen Trittin hält dagegen die Kategorie der “sicheren Herkunftsländer” auch schon für eine de facto Abschaffung des Grundrechts auf Asyl. (http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=sw&dig=2014%2F09%2F17%2Fa0081&cHash=c3839e6fc53e27aba38e449d3fdc0fd5 externer Link) Deshalb darf es für ihn keinen Kompromiss bei dem Grundrecht auf Asyl geben – und damit dürfte er wohl vielen Grünen aus der Seele gesprochen haben.

Bei den Grünen wird deshalb über die Motive von Kretschmann bei diesem Asylkompromiss gesucht: Will er die Anschlussfähigkeit der Grünen – jetzt in der Situation des politischen Rechtsruckes – an die Union signalisieren? (FR 23. 9. 2014) Jenseits dieses Asyl”kompromisses” könnte daher diese Frage eines gesellschaftlich-alternativen Projektes die Grünen doch noch vor eine Zerreiß-Probe stellen. In Brandenburg dagegen läuft alles ziemlich unspektakulär auf eine Koalition von SPD und Linken hinaus. (“Neuauflage mit gerupfter Linker” http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=in&dig=2014%2F09%2F25%2Fa0105&cHash=f773f01f63e1d3277e48b4ef976ddbdb externer Link)

Für was steht die rechtspopulistische AfD in den Parlamenten?

Nach der Feststellung, wie Rot-Rot-Grün als mögliche politische Alternative in Deutschland durch den Rechtspopulismus der AfD und ihren Erfolgen bei den Wahlen – von der Europawahl bis zu den Wahlen in Thüringen und Brandenburg – unter Druck gerät, muss ein Blick auf diese neue Partei und ihre Programmatik geworfen werden. So erklärt uns Güllner (Forsa) die AfD als rechtspopulistische bis rechtsradikale Partei, die jedoch salonfähig geredet wird. (http://www.stern.de/politik/deutschland/stern-rtl-wahltrend-das-milieu-der-afd-waehler-ist-rechtspopulistisch-bis-rechtsradikal-2137035.html externer Link) Die AfD zielt darauf ab, dieÄngste vor sozialem und wirtschaftlichem Abstieg zu mobilisieren – in der immer noch schwelenden und bislang ungelösten Krisensituation in Europa ein politisch- erfolgversprechendes Unterfangen. (http://www.fr-online.de/politik/afd—vokabular-aus-dem-giftschrank,1472596,27057164.html externer Link) So repräsentiert die AfD eine Elite von gestern. (http://www.fr-online.de/politik/afd-produkt-einer-elite-von-gestern,1472596,28418438.html externer Link) Am ausführlichsten wohl hat sich das Forena-Institut aus Düsseldorf dieser “neuen” Partei und ihrer politischen Ausrichtung angenommen – und kommt zu dem wenig überraschenden Ergebnis, dass diese Partei die in Deutschland bisher nicht angemessen besetzte rechtspopulistische Lücke füllen würde. (http://www.mobit.org/Material/Rechtspopulismus_08_2014.pdf externer Link pdf – Häusler/Roeser, Rechtspopulismus in Europa und die rechtspopulistische Lücke in Deutschland)

Den heftigsten Gegensatz bildet diese AfD jedoch zu den Grünen – ja ihre Milieus können direkt auch als “anti-grün” bezeichnet werden. (http://www.boell.de/de/2014/09/22/die-alternative-fuer-deutschland-nach-den-ostdeutschen-landtagswahlen-2014 externer Link) Ja, Heide Oestreich konstatiert dann auch, dass mit der AfD erstmals – hochoffiziell – auch der Antifeminismus in die Parlamente einziehen würden – und damit die Konservativen und Reaktionäre aller Parteien Morgenluft wittern würden –für ein “Rollback” auch in der Geschlechterfrage. (“Die Männer-Partei” – Antifeminismus in die Parlamente http://www.taz.de/!146090/ externer Link) Eine feste Grundlage dieser Rechten bildet ja auch immer der Rassismus – modern gekleidet, wie schon bei Sarrazin, als Ethnie, um dem für Deutsche so kontaminierte Wort “Rasse” einfach aus dem Weg zu gehen.

Fein – wie mit einem Skalpell herausgearbeitet – hat das die Frankfurter Soziologin Naime Cakir in ihrer Studie “Islamfeindlichkeit – Anatomie eines Feindbildes” herausgearbeitet: Islamfeindlichkeit ist demnach eine neo-rassistische Erscheinungsform von “anti-islamischem Ethnizismus” – erfunden von einer Gesellschaft, die augenscheinlich so tief verunsichert ist, dass sie glaubt, ihre Identität aus dem so konstruierten Feindbild Islam ableiten zu müssen. So wird der Islam als ethnisch verstandene Religionsgemeinschaft verstanden. So interpretiert , meint man aus den tief sitzenden neo-rassistischen Motiven im Islam einen “fremden Feind”, eine andere Kultur, eben eine andere Ethnie erkennen zu können. Erst über diesen “Feind” weiß man dann erst, wer man selbst ist. (“Mein Feind zeigt euch, wer ich bin” http://www.fr-online.de/literatur/islamfeindlichkeit-studie-mein-feind-zeigt-euch-wer-ich-bin,1472266,28527752.html externer Link)

So tritt dann oftmals die Forderung nach freier Meinungsäußerung als eingeforderter Freibrief zum rechtsgerichteten Ressentiment auf (“das wird man doch noch sagen dürfen”). Oft tritt er daher als national(istisch)er und regressiv grundierter Alarmismus auf. Und die rechte “Junge Freiheit” ist zu so etwas wie einem informellen Parteiblatt der AfD avanciert. (siehe auch noch http://www.boell-nrw.de/de/2014/04/04/die-alternative-fuer-deutschland-eine-rechtspopulistische-partei externer Link) Während der Spiegel dann im öffentlichen Konzert die Rolle übernimmt, das alles schön zu reden. (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/kommentar-zu-afd-so-normal-wie-republikaner-und-tories-a-991793.html externer Link)

Jedoch muss dennoch leider festgehalten werden, dass mit dieser regressiv, nationalistischen, nur auf kurzfristige eigene Interessen – oder das, was man eben dafür hält (z.B. “Euro-Austritt”) – keine Möglichkeit besteht die anstehenden Anforderungen an eine internationale Friedensordnung zu erreichen. So gerät das politische Parteien-Spektrum richtig unter Druck von Rechtsaußen – wieso dieseThese von Jürgen Trittin, eigentlich tickt der deutsche Wähler eher links für die nächste Zukunft noch eine Herausforderung für ein linkes politisches Projekt sein könnte. Wie wichtig, das für die Perspektive in Deutschland werden könnte, zeigt jetzt ganz aktuell auch noch das Beispiel Schweden.

Und in Schweden – trotz linken Wahlsiegs – keine linke Mehrheit möglich.

Wie schwierig das werden könnte, aus dieser neuen sich etablierenden “koalitionären Tektonik” für eine klare linke Mehrheit zu entkommen, zeigt uns jetzt gerade Reinhard Wolf in Schweden – dort heißen die neu erstarkten Rechtspopulisten “Schwedendemokraten” – und sind jetzt – trotz des allgemeinen politischen Trends eines “Rückens nach links” bei der gerade stattgefunden Wahl in der Lage, auch eine Rot-Rot-Grüne Mehrheit zu verhindern. (http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=au&dig=2014%2F09%2F16%2Fa0052&cHash=1ea11c02ed6b64a33c6431d9c4dedb2a externer Link)

Nun kommt für dieses Bündnis eine Zusammenarbeit mit den Schwedendemokraten nicht in Frage, sodass für eine Zusammenarbeit nur die Parteien zur Verfügung stehen, die diese in den letzten beiden Legislaturperioden – und gerade aber jetzt doch abgewählte – Politik mit zu verantworten haben. (http://www.taz.de/!146024/ externer Link) Alternative Politik hatte man sich bei den rot-grünen Koalitionären in Schweden anders vorgestellt… Siehe weiter “Rot-Grün” vorn – aber ohne Mehrheit. (http://www.ipg-journal.de/rubriken/soziale-demokratie/artikel/wahlen-in-schweden-rot-gruen-vorn-aber-ohne-mehrheit-585/ externer Link)

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=66300
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