„Die Diktatur der GDL“

Artikel von Horst Krüger, 08. September 2014

Wenn die Gewerkschaft deutscher Lokomotivführer (GDL) seine Mitglieder zum Streik aufruft, dann denken viele Menschen hierzulande gleich an die Monate lange Tarifauseinandersetzungen bei der Deutschen Bahn AG aus dem Jahr 2007/08 und deren vielen kurzen und auch längeren Streiks.

Doch damit ist die GDL noch lange keine Gewerkschaft die die Gewerkschaftslandschaft in diesem Land vom Grundsatz her auf den Kopf stellt. Kämpferisch ist sie schon, aber nur solange es um das eigene Überleben und den eigenen tarifpolitischen Machtanspruch über die Beschäftigten geht. Wer um sein Überleben kämpft, der kämpft noch lange nicht für die Interessen der Beschäftigten.

Die GDL ist wie auch die EVG, Verdi, IG Metall, … ein Partner des Unternehmensmanagements. Und so will auch die Führung der GDL mit ihren Kämpfen keine neuen Spielregeln im derzeitigen Gesellschaftssystem aufstellen. Sie will mit am Tisch der Unternehmen als gleichberechtigter Partner Platz nehmen. Ohne dort eine neue an der Basis orientierte Gewerkschaftspolitik einzubringen.

Das einfache Gewerkschaftsmitglied bleibt auch bei der GDL außen vor, wenn es um die Grundlagen der Gewerkschaftspolitik in der GDL geht. Gerade wenn es um die Tarifforderungen im Interesse der Beschäftigten geht. /Es ginge doch zu weit, wenn die Kinder mitentscheiden was sich die Eltern für ein Auto kaufen/. Dieses Statement eines GDL Bezirksvorsitzenden zeigt auf, dass die Mitglieder bei der GDL in ihrer Gewerkschaft bei den grundlegenden Fragen kein wirkliches Mitspracherecht haben.

So verhielt es sich dann auch bei der Erstellung der Forderungen der GDL für die aktuell laufenden Tarifverhandlungen. In der größten GDL Ortsgruppe wurden nicht einmal im Ansatz die Mitglieder gefragt wie ihre Forderungen aussehen. Von oben, dem Hauptvorstand der GDL, wird den Mitgliedern mitgeteilt was ihre Forderungen sind. Viele GDL Mitglieder fragen bei einer Streikankündigung ihrer Gewerkschaft dann auch erst einmal, was denn die GDL fordert. Wofür sie vor Ort streiken sollen und ihren Kopf gegenüber den Reisenden und des Unternehmensmanagement hinhalten sollen.

Bei der aktuellen Auseinandersetzung geht es der GDL und auch der Eisenbahnverkehrsgewerkschaft (EVG) nun um die Annexion von Berufsgruppen die sie unter ihre Tarifhoheit bringen wollen. Egal ob sich darunter auch Mitglieder der jeweils anderen Gewerkschaft befinden. Ein Vergleich mit der Situation in der Ukraine wäre nun zu weit ausgeholt, doch das Vorgehen und die Ansprüche der verschiedenen Seiten entspricht dieser Situation. Auf dem Territorium der Deutschen Bahn AG vertreten zwei Gewerkschaften ihren Anspruch auf die Vertretungszuständigkeit über die Beschäftigten und wollen diesen vom Management der Deutschen Bahn zugesprochen bekommen.

Um diesen Anspruch über die Köpfe der Beschäftigten und Gewerkschaftsmitglieder der jeweiligen Berufsgruppe zu erlangen, benutzt die GDL Führung ihre Mitglieder. Mit den weitestgehend von ihnen getragenen Forderungen will die GDL Führung nun auch über Streiks der Beschäftigten ihren Anspruch auf neue Berufsgruppen umsetzen. Wie es schon im Jahr 2007 der Fall war, wo die GDL Führung mit ihren hohen Forderungen die GDL Mitglieder für den Kampf um eine partnerschaftliche Anerkennung der GDL durch die Deutschen Bahn mobilisieren konnte.

So ist der im Jahr 2007/08 wahrgenommene brüllende Löwe >GDL< mit seiner Anerkennung als Partner der Deutschen Bahn sehr schnell zu einem lieben Kätzchen mutiert. Denn die Liberalisierung der Bahn und die der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten blieb bis heute auch von der GDL unangetastet. Wer von einem fairen Wettbewerb bei der Bahn spricht hat wohl nicht verstanden worauf dieser Wettbewerb in seiner Grundeigenschaft basiert. So wurde dann auch mit dem “FairnessPlan e.V.“ ein gemeinsames Kind von GDL und Deutsche Bahn AG geboren. Deren Eltern die Spitzen des Arbeitgeberverbandes der Deutschen Bahn (AgvMove) und die der GDL sind.

So bleibt es nun auch bei der aktuellen Auseinandersetzung dabei, dass die GDL Führung in der Gewerkschaftslandschaft nicht ihre gesellschaftliche Rolle infrage stellt, sondern nur dafür kämpft seine Partnerschaft bei der Deutschen Bahn mit weiteren Berufsgruppen zu festigen. Wo zunehmend die Werkstätten, Serviceleistungen und die Infrastruktur der Deutschen Bahn aus dem Kerngeschäft des Eisenbahnbetriebs ausgegliedert werden, bleiben der EVG, die diese Berufsgruppen mit ihrem Vertretungsanspruch heute tarifiert, zukünftig nur noch wenig Einfluss bei den Beschäftigten im laufenden Betrieb der Deutschen Bahn. Über genau diese Beschäftigten des Kerngeschäfts, wie es das Management bezeichnet, will sich nunmehr die GDL ihren mehrheitlichen und damit hoheitlichen Vertretungsanspruch sichern. Jedoch nicht um dort Basis orientierte Spielregeln als Gewerkschaft bei der Umsetzung der Interessen und Forderungen der Beschäftigten gemeinsam mit ihnen aufzustellen.

Eine wirkliche Tariffreiheit für die Beschäftigten bei der Deutschen Bahn kommt soher nicht zustande. Denn egal welcher Gewerkschaft die Beschäftigten in den jeweiligen Bereichen und Berufsgruppen der Bahn angehören, die GDL bzw. EVG beanspruchen sie für sich, um sie mit ihrer Tarifdiktatur zu “beglücken“. Für die Kollegen entsteht damit keine wirkliche Wahlfreiheit ihrer Gewerkschaft und Tarifverträge, um mit ihnen ihre oft existenziellen Forderungen und Interessen tatsächlich umzusetzen.

Wo die Gewerkschaftsspitzen der GDL und auch die der EVG von einem fairen Wettbewerb bei der Bahn reden, der immer nur auf Kosten der Beschäftigten stattfindet, sind sie selber nicht bereit den von ihnen selber angepriesenen Wettbewerb zum Vorteil für die Beschäftigten auf sich selber anzuwenden. Im Unterschied zu dem neoliberalen Wettbewerb der Konzerne auf Kosten der Beschäftigten, würde ein tarifpolitischer Wettbewerb der Gewerkschaften, um die Gewinne des DB Konzerns die von den Beschäftigten erwirtschaftet werden, einen wirklichen Gewerkschaftspoltischen und damit auch gesellschaftlichen Wandel zum Vorteil der Beschäftigten hervorbringen. Auch wenn dieser Weg zunächst auf die Deutschen Bahn begrenzt bliebe, hätte er wohl möglich Signalwirkung.

Doch zu diesem Schritt ist auch die GDL nicht bereit. Sie will nur ihre Rolle als Sozialpartner und Vertretungsmacht über die Beschäftigten bei der Deutschen Bahn AG ausbauen. Mit Billigung des DB Managements und ohne wirkliche Wahlmöglichkeit der Beschäftigten, mit welcher Gewerkschaft und mit welchen Tarifverträgen sie ihre Interessen umsetzen. Die freie Gewerkschaftswahl soll durch eine Tarifdiktatur der GDL bzw. EVG ersetzt werden. Mit einem mehrheitlichen Vertretungsanspruch über die Beschäftigten im Kerngeschäft der Deutschen Bahn will die GDL einer gesetzlichen Tarifeinheit entgegen treten. Denn so müsste sie keinen politischen Kampf gegen die Bundesregierung für die Tarifpluralität und für ihre Anerkennung als Gewerkschaft und Partner der Deutschen Bahn führen.

Als politisch und kämpferisch agierende Gewerkschaft entgegen der gesellschaftlichen Rolle der Gewerkschaften hierzulande als Sozialpartner der Unternehmen verstehen sich die Führungseliten der GDL nun wirklich nicht. Auch sie versuchten erst in diesem Jahr mit mäßigen Erfolg die GDL von kritischen und selbstbestimmten Mitgliedern zu säubern, die ihrer Politik im Weg stehen. So wie es auch schon oft in anderen Gewerkschaften der Fall war und ist. Dabei wurden nun auch Mitglieder der GDL bedroht, eingeschüchtert und ausgeschlossen die noch im Jahr 2007/08 den Kampf und Streik der GDL in ihrem Betrieb geführt, verteidigt und darunter gelitten haben.

Mit diesem Vorgehen, welches auch den /normalen/ Mitgliedern der GDL nicht verschlossen bleibt, entwickelte sich unter den GDL Mitgliedern Zweifel gegenüber der GDL Führung. Schon im Jahr 2013, wo ein Streit der GDL Spitzen um private Kredite aus der GDL Kasse entbrannte, kamen erste Zweifel unter den Mitgliedern der GDL auf. Als dann auch noch die von vielen GDL Mitgliedern getragenen Forderungen für eine umfängliche Beschäftigungssicherung Anfang dieses Jahres von der GDL Führung ohne jede Legitimation auf eine Versicherung differenziert wurde, verweigerten viele Mitglieder der GDL Führung das Gefolge für diese Versicherung zu streiken. Raus gekommen ist dann auch nur ein zahnloser Tarifvertrag der GDL der sich auf einen Tarifvertrag der EVG stützt.

Die GDL hat ein grundsätzliches Problem. Sie hat eine selbstherrliche und diktatorische Führungselite die ihre Daseinsberechtigung mit Unterdrückung ihrer eigenen Mitglieder und mit der tarifpolitischen Annexion weiterer Berufsgruppen sichern will. Wo sie zeitgleich den Rückhalt aus dem Jahr 2007 in der Mitgliedschaft der GDL und in der breiten Öffentlichkeit längst verloren haben. Und auch weil sie nicht den Anspruch der Beschäftigten auf eine wirkliche Tariffreiheit und auf eine freie Wahl ihrer Gewerkschaft respektieren. Ein Zustand der so auch bei der EVG nicht geduldet werden sollte. Denn es ist allein das Bahnmanagement und die uns regierende Politik die diese Gewerkschaften brauchen.

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