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Rechte im Anmarsch auf die Rathäuser – Auch in Arbeiterstädten

Artikel von Bernard Schmid, 27.03.2014

Am kommenden Sonntag, den 30. März könnten ein knappes Dutzend Städte in Frankreich rechtsextreme Kommunalregierungen verpasst bekommen. Die Parteiführung des Front National (FN) selbst spricht von fünfzehn gewinnbaren Rathäusern, wird aber vielleicht nicht in allen Fällen Recht bekommen.

Im ersten Wahlgang am vorigen Sonntag wählten bereits zwei Kommunen, deren soziale Zusammensetzung im Übrigen sehr unterschiedlich ausfällt, rechtsextreme Bürgermeister. Im nordostfranzösischen Hénin-Beaumont, die frühere Bergbaustadt zählt rund 26.000 EinwohnerInnen, setzte sich der amtierende FN-Generalsekretär Steeve Briois bereits im ersten Wahlgang mit 50,26 Prozent der Stimmen durch. Die Stadt wäre bereits 2009 beinahe vom FN regiert worden, Briois scheiterte damals nur knapp, und Marine Le Pen verfehlte im Juni 2012 den Abgeordnetensitz des Wahlkreises ebenfalls mit 49,9 % nur um Haaresbreite. Die von sozialen Problemen gebeutelte Stadt wird seit nunmehr zwölf Jahren durch die rechtsextreme Partei systematisch „bearbeitet“. Dagegen ist es eine eher relativ wohlhabende Wählerschaft, die in Orange (30.000 Einwohner) den rechtsextremen Bürgermeister Jacques Bompard mit einem Anteil 59 Prozent wiederwählte und ihm ein viertes Mandat verschaffte. Bompard war erstmals im Juni 1995 gewählt worden, damals auf einer Liste des FN. Er kehrte dieser Partei im Herbst 2005 den Rücken und führt heute den Vorsitz einer rechtsextremen Regionalpartei, der Ligue du Sud, hat sich jedoch seit 2012 auch mit dem FN ausgesöhnt. Letzterer verzichtete auf eine Konkurrenzkandidatur.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit an eine vom FN unterstützte Liste fallen dürfte das südwestfranzösische Béziers. Ihr parteiloser Spitzenkandidat Robert Ménard, ein ehemaliger Linker und früherer Vorsitzender von „Reporter ohne Grenzen“ (RSF), erhielt im ersten Durchgang 44,9 Prozent in der von sozialem Niedergang geprägten Mittelmeerstadt. Zu den wahrscheinlichen Fällen einer Rathausübernahme durch den FN zählt auch Fréjus an der Côte d’Azur. Sein dortiger Spitzenkandidat ist der erst 26jährige David Rachline, Facebook-Beauftragter der Partei. Er unterstützte offen die Thesen des französischen (schwarzen) Antisemiten Dieudonné M’bala M’bala. Nach 40,3 Prozent im ersten Wahlgang steht er in der Stichwahl zwei konkurrierenden bürgerlichen Listen gegenüber – so dass eine relative Mehrheit für den Wahlsieg genügt -, während die Sozialdemokratie ihre Liste in Fréjus zurückzog. In Béziers treten ebenfalls drei Listen an: die des FN, eine sozialdemokratische und eine konservative.

Zu Listenverbindungen von Konservativen und FN für die Stichwahl kam es wider Erwarten nur in geringem Ausmaß. Lediglich in zwei Fällen treten gemeinsame Listen an, in L’Hôpital – einer Kleinstadt an der Grenze zum Saarland – und in Villeneuve-Saint-Georges. In der letztgenannten Eisenbahnerstadt südlich von Paris der Bürgerliche Philippe Gaudin rechnerisch im zweiten Wahlgang gewinnen, nachdem seine Liste und jene des FN im ersten Wahlgang zusammen rund 58 Prozent der Stimmen erhielten. Allerdings entzogen ihm die Parteiführungen im liberalen und konservativen Lager vor der Stichwahl jegliche Unterstützung.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=55924
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