„die Faxen dicke“, aber: Gegenwehr braucht Perspektive

Ein Kommentar von unserem Vorstandskollegen und langjährigem Opel Bochum-Betriebsrat Wolfgang Schaumberg:„Nach wie vor scheint meine Gesamteinschätzung der gewerkschaftsoffiziellen Strategie und ihrer Widersprüchlichkeit uneingeschränkt zu stimmen, siehe „Eine andere Welt ist vorstellbar? Schritte zur konkreten Vision… Oder: Zur Aufgabe von postkapitalistisch orientierten Linken, am Beispiel des Kampfes in Auto-Multis „Zur Aktualisierung und zum besseren Verständnis der Lage innerhalb der Bochumer Belegschaft würde ich jetzt nur den Schluss meines langen Artikels etwas ändern…“ so Wolfgang Schaumberg weiter

„die Faxen dicke“, aber: Gegenwehr braucht Perspektive

[„Es gibt also nach wie vor eine Aktionsdebatte. Doch sind bisher außer kurzzeitigen Produktionsstops wegen  Betriebsrats-Informationen keine harten Gegenangriffe gegen GM in Sicht. Dazu muss man wissen: 1. Viele der 3.100 KollegInnen, besonders die Älteren, „haben die Faxen dicke“ und warten nur noch auf eine Abfindung (Altersdurchschnitt in Bochum über 47 Jahre). 2. Es gibt kaum noch Hoffnung – besonders nach den enttäuschenden Erfahrungen bei den beiden gewerkschaftlich nicht unterstützten Streiks 2000 und 2004-  auf die IGM, dem Konzern wirklich wehtun zu wollen. Bundesweite Boykottaktion gegen Opel, Soli-Streiks in allen Werken, solche Ideen widersprechen alle dem erklärten IGM-Ziel,  Opel müsse „Wachstum“ und Profitabilität wiedergewinnen. 3. Man sieht heute  nicht mehr die Produktionsmacht, durch mehrere Tage Betriebsbesetzung in Bochum ganz Opel-Europa lahmlegen zu können. 4. Derzeit macht die Kurzarbeit – nur 3 bis 4 Schichten Arbeit pro Woche bei 94% Lohnausgleich!-  auch jede massivere Belegschaftsaktion sehr schwierig… 5. Es gibt keine Einigkeit in den Forderungen: „Abfindung!“ hieße Aufgabe des Werkes. „Weiter hier Opel-Autos bauen“ erscheint als unrealistisch, als Konkurrenz gegen andere Belegschaften fragwürdig und ökologisch kurzsichtig…   Aber: auch bei vielen Jüngeren kann ein unattraktives Abfindungsangebot dazu führen, dass ihnen „der Kragen platzt…“ – Damit ist aber längst nicht massenhaft die Einstellung verbunden „Wir wollen bleiben, auch ohne Euren Profit retten zu wollen!  Wir haben keinerlei Grund zu verzichten, zahlt Eure Krise selber!

Gegenwehr braucht Perspektive

Die einzelbetrieblichen Abwehrkämpfe, meist unter gewerkschaftsoffizieller Regie, sind nach wie vor weit entfernt von den linken antikapitalistischen Protestkundgebungen, wie diese umgekehrt noch weit entfernt sind von den Verteidigungsforderungen und dem Alltagsbewusstsein der meisten Lohnabhängigen. Raus aus den Betrieben, vor die Rathäuser, für Forderungen wie „Voller Lohn bei Kurzarbeit“, „6-Stunden-Tag mit vollem Lohnausgleich“ oder „Weg mit Hartz IV“ und „Wir zahlen nicht für Eure Krise!“ – dafür ist noch keine Massenbewegung in Sicht.

Die aktuelle Krisenentwicklung wird auch bei der Masse der Beschäftigten in der Automobilindustrie die grundsätzlichen Debatten über unser Wirtschafts- und Gesellschaftssystem anheizen. „Überführung von Schlüsselindustrien in Gemeineigentum“ ( § 2.4 der gültigen IGM-Satzung !)   – die meisten Kolleginnen und Kollegen verbinden zur Zeit mit derartigen Forderungen nicht nur deswegen keine Hoffnung, weil sie die Macht fest in den Händen der 1% sehen. Zurecht wird nämlich gefragt: was käme denn danach auf uns zu? Wer immer von „Enteignung“ redet, muss die Aneignung mitdiskutieren. Und dabei kann auch an Lernprozessen in moderner Produktion angeknüpft werden, wenn man sich überhaupt damit beschäftigt. ]

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=24708
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