Sanktionen nach dem BVerfG-Urteil zu Hartz-IV-Sanktionen – wie weiter? Auch beim Bürgergeld!

Dossier

Wer nicht spurt, kriegt kein Geld„… Vor allem hat das Urteil sofortige Wirkung – und sorgt daher zumindest aufschubweise für Sanktionsfreiheit für neue Fälle. (…) Bereits sanktionierte würden hingegen weiterhin sanktioniert bleiben – und nur auf 30 Prozent zurückgestuft. Auch seien neue Verfahren wegen Regelverstößen weiterhin einzuleiten, nur eben erstmal nicht zu sanktionieren. (…) Ein großer Unsicherheitsfaktor, der mit zu dem derzeitigen Sanktionsaufschub geführt hat, ist die Frage, wer ab sofort ein Härtefall ist – und als solcher nicht mehr sanktioniert werden darf. (…) »Die einzige Ausnahme bei den Sanktionen bleiben die Meldeversäumnisse. Diese werden wir weiter verhängen, weil wir damit rechnen, dass sie in ihrer heutigen Form Bestand behalten«…“ Artikel von Alina Leimbach vom 07.11.2019 in ND online externer Link: „Sanktionsaufschub in den Jobcentern. Nach dem Urteil zu Hartz-IV-Sanktionen bittet das Arbeitsministerium um Vollzugsstopp neuer Sanktionen“, siehe dazu u.a. die vorläufige Weisung der BA und des BMAS zu Sanktionen, Tacheles-Hinweise und den „denkste-Effekt“:

  • Schädliche Sanktionen. Arbeitslose mit Leistungskürzungen unter Druck zu setzen, ist kontraproduktiv New
    Langfristig sinken dadurch die Jobchancen und die Qualität der Beschäftigung.
    „Muss Strafe sein? Während sich manche Konservative für schärfere Sanktionen beim Bürgergeld einsetzen, sprechen empirische Analysen eher gegen dieses Ansinnen. Der Sozialwissenschaftler Markus Wolf vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) weist in einer aktuellen Studie nach, dass Sanktionen die Integration in den Arbeitsmarkt erschweren: Kurzfristig steigt zwar die Wahrscheinlichkeit, dass Betroffene in Lohn und Brot kommen, doch unter dem Strich fallen die Auswirkungen auf Beschäftigungsstabilität und Einkommen negativ aus. Aus theoretischer Sicht seien die zu erwartenden Effekte unklar, schreibt Wolf. (…) Um zu klären, welche Effekte überwiegen, hat der IAB-Forscher Verwaltungsdaten der Bundesagentur für Arbeit ausgewertet. Sie beziehen sich auf fast 300 000 Männer und über 250 000 Frauen zwischen 25 und 56 Jahren, denen in der Zeit von April 2012 bis März 2013 Arbeitslosengeld II (ALG II) bewilligt worden ist. Leistungskürzungen wegen Verstößen gegen die Eingliederungsvereinbarung, abgelehnter Jobangebote oder verweigerter Teilnahme an Maßnahmen sind bei 7,7 Prozent der Männer und 3,4 Prozent der Frauen dokumentiert. Ihr weiterer beruflicher Werdegang lässt sich anhand der Daten bis Ende 2018 nachvollziehen. Weil frühere Studien auf starke Unterschiede bei der Sanktionswahrscheinlichkeit zwischen den Geschlechtern hinweisen, wurde die Analyse für Frauen und Männer separat durchgeführt. Wolfs Berechnungen zufolge, bei denen Faktoren wie das Alter, die Ausbildung oder die Zahl der Kinder statistisch berücksichtigt wurden, erhöhen Sanktionen kurzfristig die Beschäftigungswahrscheinlichkeit: Im Vergleich zu den nicht sanktionierten Empfängerinnen und Empfängern von ALG II ist sie drei Monate nach der Leistungskürzung bei den Männern um 16 Prozent und bei den Frauen um 21 Prozent erhöht. Der Effekt lässt allerdings im Laufe der Zeit nach und wechselt schließlich sogar sein Vorzeichen: Nach vier Jahren entspricht er –4,1 beziehungsweise –3,9 Prozent. Auch das Einkommen aus Arbeit wird durch Sanktionen zunächst gesteigert, dann gesenkt. Nach vier Jahren verdienen die sanktionierten Männer 7,5 Prozent weniger als die Vergleichsgruppe, die Frauen 7,4 Prozent weniger. Der kurzfristig positive Effekt auf die Beschäftigung verdankt sich laut der Analyse fast ausschließlich Jobs von minderer Qualität. Die Chance, eine Arbeit mit einem Erwerbseinkommen oberhalb der Niedriglohnschwelle zu finden, ist nach einer Leistungskürzung von Anfang an geringer als bei den nicht sanktionierten Personen. Nach vier Jahren beträgt das Minus bei den Männern 9 Prozent, bei den Frauen 20 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit, einer Tätigkeit nachzugehen, die der eigenen Qualifikation entspricht, ist zu diesem Zeitpunkt um 5,5 beziehungsweise 5,7 Prozent gemindert. Frauen nehmen kurz nach einer Sanktion deutlich häufiger einen Minijob an. Hinzu kommt: Sanktionierte wechseln zwar häufiger von der Arbeitslosigkeit in eine Beschäftigung, aber auch in die Gegenrichtung: Im ersten Jahr ist das Risiko, wieder arbeitslos zu werden, bei den Männern um 16 Prozent, bei den Frauen um 28 Prozent erhöht. Wenn man die Effekte im Beobachtungszeitraum zusammenrechnet, ergibt sich, dass Sanktionen unter dem Strich die Beschäftigungsdauer von Männern um 0,3 Monate reduzieren. Der Einkommensverlust beträgt in Summe 1521 Euro bei den Männern und 845 Euro bei den Frauen…“ Beitrag aus Böckler Impuls Ausgabe 06/2024 externer Link
  • Faktisch ein Arbeitszwang: „Zweites Haushaltsfinanzierungsgesetz 2024“ mit Einführung von 100%-Sanktionen und Abschaffung des Bürgergeldbonus verabschiedet 
    Der Bundesrat hat am 22. März 2024 das zweite Haushaltsfinanzierungsgesetz 2024 gebilligt. Damit wurden u.a. beim Bürgergeld die 100 % Sanktionen im Fall einer willentlichen Weigerung eine zumutbare Arbeit anzunehmen, wieder eingeführt und die Abschaffung des Bürgergeldbonus beschlossen. Sie dazu: https://t1p.de/dfhy9 externer Link
    Dazu ein passender Kommentar in der Taz: „Beim Bürgergeld handelt es sich nicht um großzügige Almosen, sondern um einen verfassungsrechtlich verbürgten Rechtsanspruch. Das Bundesverfassungsgericht hat diesen in dem Recht auf Achtung der Menschenwürde (Artikel 1 Grundgesetz) in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot (Artikel 20 Grundgesetz) verortet. Den Schutz der Menschenwürde stellten die Verfassunggebenden als Lehre aus dem Nationalsozialismus an den Anfang des Grundgesetzes“. Dann führt die Autorin weiter aus: „Seit vielen Jahren entnimmt das Bundesverfassungsgericht aus dem Zusammenspiel der Menschenwürde und dem Sozialstaatsgebot das Recht auf eine menschenwürdige Existenzsicherung und hat zur Frage der Komplettsanktionierung in einem Urteil von 2019 ausgeführt, dass der vollständige Wegfall des Arbeitslosengelds II nicht mit den verfassungsrechtlichen Maßgaben vereinbar ist“. Hier nachzulesen: https://t1p.de/u3y4p externer Link
    Tacheles hatte im Gesetzgebungsverfahren auch eine Stellungnahme abgegeben und die Regelung als eindeutig verfassungswidrig gebrandmarkt, diese ist hier nachzulesen: https://t1p.de/npabt externer Link .
    ..“ Aus Thomé Newsletter 10/2024 vom 23.03.2024 externer Link

  • Bürgergeld-Sanktionen – alles für die Katz. Aus dem Bürgergeld und aus der „Begegnung auf Augenhöhe“ wird nun endgültig Hartz V
    „Einen Schritt vor und zwei Schritte zurück. Wir befinden uns im zweiten Jahr des Bürgergeldes. Beim Bürgergeld, mit dem die „Begegnung auf Augenhöhe“ stattfinden soll. Dort, wo im Jobcenter der neue Kooperationsplan gemeinsam erarbeitet wird, um leichter in Arbeit zu kommen. Hätte, hätte Fahrradkette. Aus dem Bürgergeld und aus der „Begegnung auf Augenhöhe“ wird nun endgültig Hartz V und das Damoklesschwert der Vollsanktion wird wieder heraus gezurrt. Die Androhung der Vollsanktion über zwei Monate wird den Alltag der Jobcenter erneut bestimmen. Das Bürgergeld gibt es als Benefit wieder nur für marktkonformes Verhalten, in dem die Spielregeln von den Jobcentern diktiert werden. Das Bürgertum und die konservativen rechten und die ebenso dafür offenen sozialen Parteien werden damit beruhigt, welches oftmals die Meinung vertreten, dass Sozialleistungsberechtigte faule Schmarotzer sind. (…) Wer nicht spurt, spürt die Peitsche. Der muss hungern und frieren. Wer sich nicht in die Zwangsarbeit stecken lassen will, wird sanktioniert. Da interessiert es nicht, ob das Bürgergeld die Existenzsicherung darstellt, die nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts dem Grunde nach unverfügbar ist und eingelöst werden muss. „Unverfügbar“ heißt, dass niemand berechtigt ist, diesen Anspruch auf das Existenzminimum zu kürzen oder insgesamt zu nehmen. Durch eine Vollsanktion verschwindet das unverfügbare Existenzminimum und dient damit einzig allein der Bestrafung. Richten und bestrafen – und das so ganz ohne die Judikate. Es sind Komponenten des Strafrechts, die hier zum Zuge kommen. Damit wird der Sanktionsparagraf erneut zum Zentrum der Hartz-V-Gesetze. Das hatten wir schon einmal. Und darum wissen wir, dass Druck Gegendruck erzeugt. Dass die Sanktionen nicht dauerhaft in Arbeit vermitteln. Dass Sanktionen krank machen können und dass sie zu Hunger und Obdachlosigkeit führen können. Das alles wird erneut billigend in Kauf genommen. (…) Die Mehrheit irrt, wenn sie der Meinung ist, dass Bestrafung eine Kooperation fördert. Und sie irrt, wenn sie meint, Betroffene damit gefügig zu machen. Natürlich gibt es eine kleine Minderheit, die den Staat ausnutzen. Die gab es immer und wird es immer geben. Ein Staat und eine Gesellschaft kann diese mittragen. Und die kleine Minderheit finden wir überall. Nicht nur in der Erwerbslosigkeit…“ Kolumne von Inge Hannemann vom 6. Februar 2024 bei Links bewegt externer Link (ihrer Homepage)(„Bürgergeld-Sanktionen – alles für die Katz“)
  • Ampel winkt Total-Sanktionen für »Totalverweigerer« beim Bürgergeld durch – die Befristung mildert nicht die Kriminalisierung
    • Ampelkoalition einigt sich auf Sanktionen für »Totalverweigerer« beim Bürgergeld
      Die Bundesregierung muss Milliarden sparen. Nach einer abschließenden Beratung soll es künftig mehr Härte gegen arbeitsunwillige Bürgergeld-Empfänger geben. Von der Union kommt Kritik. (…) Demnach soll beim Bürgergeld zunächst befristet bis Februar 2026 eine Regelung für »Totalverweigerer« eingeführt werden. Die umstrittene Maßnahme war von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bereits im Dezember angekündigt worden. Wer sich immer wieder weigert, einen Job anzunehmen, soll künftig für eine gewisse Zeit keine Zahlungen mehr bekommen. Heils Plänen zufolge soll der Bürgergeld-Regelsatz von 563 Euro im Monat (für Alleinstehende) komplett wegfallen, wenn jemand eine zumutbare Arbeit nicht annimmt – und zwar für einen Zeitraum von bis zu zwei Monaten. Lediglich die Kosten für Unterkunft und Heizung zahlt der Staat weiter, damit die Arbeitslosen nicht obdachlos werden. Eingespart werden sollen durch die Sanktionen gegen »Totalverweigerer« 170 Millionen Euro pro Jahr, 150 Millionen Euro für den Bund und 20 Millionen für die Kommunen. Nach dem Auslaufen der Regelung soll die Maßnahme geprüft und über eine Fortsetzung entschieden werden…“ Meldung vom 18.01.2024 im Spiegel online externer Link („Ampelkoalition einigt sich auf Sanktionen für »Totalverweigerer« beim Bürgergeld“), siehe auch:
    • Geplante Verschärfung soll befristet werden
      „… Die Bundesregierung hat schärfere Sanktionen für Bürgergeld-Bezieher geplant, nun kommt die Regelung wohl mit zeitlicher Begrenzung. Die schärferen Sanktionen soll es dem Kompromiss zufolge zunächst nur befristet für zwei Jahre geben. Das wurde dem ARD-Hauptstadtstudio aus Regierungskreisen bestätigt. Die geplante Regelung sieht die Möglichkeit vor, dass Jobcenter künftig Arbeitslosen das Bürgergeld für maximal zwei Monate komplett streichen, wenn die Betroffenen eine Arbeitsaufnahme nachhaltig verweigern. „Die Regelungen zum Entzug des Regelbedarfs bei Arbeitsverweigerung sind auf zwei Jahre nach Inkrafttreten befristet“, sieht eine Neufassung eines Änderungsantrags für das Haushaltsfinanzierungsgesetz vor. (…)Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) hatte eine Verfassungsänderung für schärfere Sanktionen beim Bürgergeld angeregt. „Menschen, die arbeiten können und ein Jobangebot erhalten, dies aber nicht annehmen, sollten im Grunde kein Bürgergeld mehr bekommen“, hatte der CDU-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland gesagt. „Wenn hier eine generelle Streichung durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht gedeckt ist, sollten wir eben die Verfassung ändern.““  Meldung vom 18.01.2024 in tagesschau.de externer Link
    • ver.di lehnt geplante Leistungskürzungen beim Bürgergeld ab
      „Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) übt scharfe Kritik an den von der Bundesregierung geplanten Kürzungen beim Bürgergeld, die heute im Bundestag abschließend beraten werden. Das Kabinett hatte vor Kurzem im Rahmen des Haushaltsfinanzierungsgesetzes beschlossen, Leistungsempfängerinnen und -empfängern das Geld bis zu zwei Monate lang zu streichen, wenn sie wiederholt ein Jobangebot ablehnen. „Die Bundesregierung muss wegen des Bundesverfassungsgerichtsurteils sparen, tut dies aber hier am falschen Ende, nämlich bei den Ärmsten. Das ist kein Ausweis kluger und gerechter Politik. Wir verurteilen dieses Vorgehen scharf“, so Rebecca Liebig, für Sozialpolitik zuständiges ver.di-Bundesvorstandsmitglied. 150 Millionen Euro wolle die Bundesregierung mit dieser Maßnahme einsparen. „Dafür müsste es 150.000 bis 210.000 Totalverweigerer geben. Die gibt es aber nicht. Selbst die Bundesagentur für Arbeit geht davon aus, dass nur einige wenige Leistungsberechtigte von Bürgergeld eine zumutbare Arbeitsaufnahme beharrlich verweigern würden“, sagte Liebig. „Eine Politik, die Menschen ohne erkennbare Nachweise kriminalisiert und bei den Falschen spart, hat nicht die Unterstützung von ver.di! Deshalb fordern wir die Bundestagsabgeordneten auf, der Verschärfung im Zuge der Beratungen des Haushaltsfinanzierungsgesetzes nicht zuzustimmen“, so Liebig…“ ver.di-Pressemitteilung vom 18. Januar 2024 externer Link
  • CDU fordert Verfassungsänderung, um Totalsanktionen möglich zu machen – Tacheles: Ungeheuerlich und demokratiegefährdend
    In den öffentlichen Debatten wird immer klarer, dass 100%-Sanktionen im Sozialrecht verfassungsrechtlich nicht zulässig sind. Dies wurde auch von Tacheles in seiner Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren zum Haushaltssicherungsgesetz herausgearbeitet. Nun fordert heute der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Jens Spahn, eine Verfassungsänderung zur rechtsicheren Verschärfung von Sanktionen im Bürgergeld. Er sagt: „Wenn hier eine generelle Streichung durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht gedeckt ist, sollten wir eben die Verfassung ändern.“.
    Die Unverfrorenheit und Arroganz der Unionsspitzenvertreter ist ungeheuerlich und demokratiegefährdend!
    Das Bundesverfassungsgericht hat seine Entscheidung zu Sanktionen auf die Normen des Grundgesetzes gestützt, die überhaupt nicht veränderbar sind, da sie den Kern der freiheitlich demokratischen Grundordnung ausmachen. Das Bundesverfassungsgericht vom 05. November 2019 zum Aktenzeichen 1 BvL 7/16: „Die zentralen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung staatlicher Grundsicherungsleistungen ergeben sich aus der grundrechtlichen Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 [Menschenwürde] in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG [Sozialstaatsprinzip]). Gesichert werden muss einheitlich die physische und soziokulturelle Existenz. Die den Anspruch fundierende Menschenwürde steht allen zu und geht selbst durch vermeintlich „unwürdiges“ Verhalten nicht verloren.“
    Genau um populistischen bis diktatorische Übergriffe vorzubeugen, haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes die so genannte Ewigkeitsgarantie in das Grundgesetz eingefügt. In Artikel 79 Abs. 3 GG steht: „Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.“
    Wir fragen uns also: Was genau möchte Herr Spahn denn nun an der Verfassung ändern? Das Prinzip der Menschenwürde abschaffen? Oder das Sozialstaatsprinzip? Obwohl beides überhaupt nicht geändert werden kann. Oder geht es doch nur um Wahlkampf und billige Hetze auf Kosten der Armen? Der Vorstoß von Jens Spahn, das Grundgesetz zu ändern und soziale Grundprinzipien zu beschneiden, zeigt einmal mehr die rücksichtslose Agenda der CDU. Die CDU möchte weiter Druck auf die Ampel ausüben, dabei rechtstaatliche Grundsätze aushöhlen und das Land immer weiter nach rechts treiben.“ Tacheles-Pressemitteilung vom 14.01.2024 externer Link – der wir uns voll anschließen Allerdings: Grundsicherungsleistungen gehören nicht nur verteidigt, sondern auch erhöht!
  • Totalsanktionen im Kabinett bestätigt: Im Gesetzentwurf immer wieder Totalsanktionen möglich, bis zu acht Monaten pro Jahr – massive Kritik nimmt (leise) zu…
    • 8-Monate-Sanktionen: Bürgergeld-Bezieher können fast unbegrenzt total sanktioniert werden
      Die Bundesregierung kündigt an, bis zu zwei Monate das komplette Bürgergeld zu streichen, wenn Betroffene Jobangebote ablehnen. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zufolge gelte das für mindestens 150.000 Menschen. Laut einer Sprecherin des Ministeriums sei es sogar möglich, die Leistungen länger als zwei Monate zu streichen, wenn die Bestraften weitere Jobangebote ablehnten.
      Totalsanktionen im Kabinett bestätigt
      Das Bundeskabinett bejahte die vom Arbeitsministerium entworfenen Totalsanktionen gegen bestimmte Menschen, die sich mit Bürgergeld ihr Existenzminimum sichern müssen.
      Wer ist betroffen?
      Arbeitslosen, die “eine Arbeitsaufnahme nachhaltig verweigern” dürfen Jobcenter in Zukunft für maximal zwei Monate den Regelsatz komplett streichen. Laut Gesetzentwurf muss “die Möglichkeit der Arbeitsaufnahme tatsächlich und unmittelbar bestehen und willentlich verweigert werden.”
      Immer wieder Totalsanktionen
      Laut dem Gesetzentwurfs des Arbeitsministerium kann der gesamte Regelsatz immer wieder für zwei Monate vollkommen gestrichen werden. Wörtlich heißt es, bei Bürgergeld-Beziehern, die nach Streichung ein erneutes Jobangebot „willentlich ablehnen (…) kann auch ein neuer Entzug der Regelleistung festgestellt und umgesetzt werden.“
      Bis zu acht Monate Entzug der Leistungen – pro Jahr
      Diese Möglichkeit der wiederholten Streichungen der Bezüge bezieht sich auf „die Voraussetzung einer relevanten Vor-Pflichtverletzung innerhalb der Jahresfrist.“ Bis zu acht Monate im Jahr kann der Regelsatz völlig gestrichen werden. Dass es nicht zwölf Monate pro Jahr sind, liegt daran, dass die Totalsanktionen jeweils ab dem folgenden Monat beginnen.
      “Wiederholt Arbeit ohne Grund ablehnen“
      Arbeitsminister Hubertus Heil verteidigte seinen Plan, Bedürftigen unbegrenzt das Existenzminimum vollständig zu entziehen: “Aber ich sage auch, dass diejenigen, die wiederholt zumutbare Arbeit ohne Grund ablehnen, nicht damit rechnen können, dass das auf Verständnis trifft, weder beim Sozialstaat noch in der Bevölkerung.”
      Scharfe Kritik von Experten
      Experten kritisieren massiv, wie Bedürftigen auf diese Art das Existenzminimum genommen wird. Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) stellt auch das Konstrukt der verbreiteten Arbeitsverweigerung in Frage: “Es mag in einem bestimmten Maß Missbrauch geben, aber ansonsten gibt es eine große Grauzone.” (…)
      “Sanktionen füllen das Sparschwein der Regierung”
      Hans-Jürgen Urban von der IG-Metall lehnt es ab, Sanktionen gegen Bedürftige als Sparprogramm einzusetzen: “Mehr Sanktionen und weniger Chancen beim Bürgergeld sind der falsche Weg. Sanktionen beim Bürgergeld dürfen nicht das Sparschwein der Regierung füllen. Wer Bürgergeld empfangen muss, darf nicht noch einer Spar-Willkür ausgesetzt werden”, so Urban.“ Beitrag von Dr. Utz Anhalt vom 10.01.2024 bei gegen-hartz.de externer Link
    • Haushaltsfinanzierungsgesetz: Massive Kritik des Paritätischen an geplanter Verschärfung von Sanktionen gegen Erwerbslose
      „… In einem Brief appelliert der Paritätische an die Abgeordneten der Ampel-Fraktionen im Deutschen Bundestag, den Vorschlägen der Bundesregierung zur Wiedereinführung und gravierenden Verschärfung von Sanktionsmöglichkeiten gegenüber erwerbslosen Menschen nicht zu folgen. Aus Sicht des Wohlfahrtsverbands sind die geplanten Maßnahmen unverhältnismäßig und können auch verfassungswidrig sein. Durch die Streichung existenzsichernder Regelleistungen würden die Betroffenen, die vielfach eigentlich auf individuelle Beratung und Hilfe in schwierigen Lebenssituationen angewiesen wären, in Not und Überschuldung getrieben. Der Paritätische kritisiert die Pläne der Ampel-Koalition als “Symbolpolitik”. Der Vorwurf, “Menschen unverschuldet in Not zu bringen und vorhandene Ressentiments gegen Erwerbslose zu bestärken, ist nicht von der Hand zu weisen”, heißt es in dem Schreiben. Etwa ein Drittel der Leistungsbeziehenden in der Grundsicherung für Arbeitsuchende seien von psychischen Beeinträchtigungen betroffen. (…) “Es ist ein Zerrbild, dass die Menschen sich in großer Zahl in die soziale Hängematte legen. Zahlreiche Betroffene befinden sich vielmehr in einer schlimmen Notsituation: Einige sind psychisch krank, andere haben Suchtprobleme. Viele Menschen bräuchten nach Jahren der Langzeitarbeitslosigkeit mindestens eine sehr intensive Begleitung, um eine Chance zu haben, ins Arbeitsleben zurückzukehren”, so Schneider. Statt Drohgebärden und Strafen, die existenzielle Nöte noch verschärften, brauche es pragmatische Unterstützungsmaßnahmen. (…) Wie auch andere Organisationen werde sich der Paritätische nicht verweigern, von Vollsanktionen betroffene Menschen bei der Wahrung ihrer Rechte zu unterstützen und ungerechtfertigte Sanktionen abzuwenden. Der Paritätische hofft auf Vernunft und Weitblick der Abgeordneten: “Noch besteht die Gelegenheit, die geplanten Kürzungen und mit ihnen eine Vielzahl von Widerspruchsverfahren und Klagen abzuwenden.” Pressemitteilung des Paritätischen vom 10. Januar 2024 externer Link
    • Bürgergeld: Nur klitzekleine Zahl an „Totalverweigerern“ laut BMAS
      Wie viele „Totalverweigerer“ unter den Bürgergeld-Empfängern gibts tatsächlich? Das Bundesarbeitsministerium wollte die klitzekleine Zahl heute nicht öffentlich nennen. Nur dass 3 von 100 (!) überhaupt sanktioniert werden & von den 3% nur „ein kleiner Teil“ Totalverweigerer seien...“ Video bei youtube externer Link von Tilo Jung (Jung & Naiv) bei der Regierungspressekonferenz am 10. Januar 2024
  • [Tacheles-Stellungnahme] Haushaltskonsolidierung durch 100-Prozent-Sanktionen beim Bürgergeld? 
    „Für den Erwerbslosenverein Tacheles e.V. ist die gesetzliche Maßnahme der Bundesregierung mit einer Zielsetzung konkreter Haushaltseinsparungen weder geeignet noch verfassungskonform. Sie bedient vielmehr Ressentiments und Vorurteile, die aktuell in weiten Teilen unserer Parteienlandschaft in einer sozialpolitischen Debatte hochgehalten werden, die mit Sachlichkeit und Fachkunde nichts mehr gemein haben und zur gesellschaftlichen Spaltung beitragen. (…) Die geplanten Sanktionen umfassen die völlige Streichung des Regelsatzes zum Lebensunterhalt für die Dauer der Ablehnung eines konkreten Arbeitsangebots, längsten für zwei Monate. Dieser Politikansatz zur Haushaltskonsolidierung ist vor allem aus drei Gründen abzulehnen. Zunächst weist Tacheles darauf hin, dass das angenommen Einsparvolumen unseriös festgesetzt wurde. Nach Berechnungen des Vereins müssten die Jobcenter wegen „nachhaltiger Arbeitsverweigerung“ unter Berücksichtigung der bereits existierenden Sanktionsregelungen pro Jahr über 210.000 mal Leistungen in Höhe des Regelsatzes vollständig für zwei Monate entziehen, um ein Sanktionsvolumen von 170 Mio. EUR zu realisieren. Angesichts der aktuellen, durch bereits beschlossene Haushaltskürzungen unterfinanzierten Vermittlungskapazitäten der Jobcenter und mangels verfügbarer geeigneter Arbeitsstellen, fehlt es in der Praxis schlicht an den nötigen Vermittlungsangeboten, bei denen eine beharrliche (willentliche) Verweigerung der Aufnahme eines tatsächlich verfügbaren Arbeitsplatzes rechtssicher festgestellt werden könnte. (…) Des Weiteren hat das Bundesverfassungsgericht in dem o.g. Urteil von 2019 die Höhe der verhältnismäßigen Sanktionen auf 30 Prozent der maßgebliche Regelbedarfe für den Zeitraum von maximal drei Monate begrenzt, um den grundrechtlichen Schutz des menschenwürdigen Existenzminimums zu gewährleisten. Zwar hat das Gericht höhere Leistungskürzungen im Einzelfall nicht ausgeschlossen, jedoch sind diese an sehr hohe Anforderungen geknüpft. So wurde u.a. vom Gesetzgeber gefordert, Wirkungen und Folgen von Sanktionen unterhalb des Existenzminimums hinreichend zu untersuchen und zu dokumentieren. Tacheles kritisiert in diesem Zusammenhang, dass bis dato keine belastbaren empirische Studien zu den Auswirkungen von Sanktionen vorgelegt wurden. (…) Schließlich verbietet es sich, grundlegende verfassungsrechtlich relevante Normen im Existenzsicherungsrecht im Rahmen des Haushaltsgeschachers der Ampelkoalition wie auf dem Basar feilzubieten und leichtfertig zur Disposition zu stellen. Hierzu bedarf es einer sachlichen sozialpolitischen Debatte auf der Grundlage von Expert*innenwissen sowie wissenschaftlicher Erkenntnisse. Dass die Koalition mit der Verschärfung des Sanktionsrechts für vermeintlich Arbeitsunwillige zudem ohne Not ins Horn jener Populist*innen bläst, die sich darüber ereifern, Arbeit würde sich nicht mehr lohnen, weil Bezug von Bürgergeld zu lukrativ geworden sei, verschärft die gesellschaftliche Polarisierung. Der Verein Tacheles fordert daher, die Verschärfung der Sanktionen als Beitrag zur Haushaltskonsolidierung ersatzlos zu streichen.“ Pressemitteilung der Tacheles e.V. vom 3. Januar 2024 externer Link und dazu:

    • Tacheles veröffentlicht Referentenentwurf zu den geplanten SGB II-Kürzung und Wiedereinführung der 100 %-Sanktionen
      „Damit die interessierte Öffentlichkeit weiß worüber diskutiert wird, veröffentlicht Tacheles die Vorabversion des Referentenentwurfs „Entwurf eines Zweiten Haushaltsfinanzierungsgesetzes 2024 (Beitrag BMAS Abteilung II „Arbeitsmarkt“)“, Stand: 28.12.2023, dies ist noch nicht die endgültige Fassung, das bedeutet, da können noch Änderungen erfolgen. Im Kern soll damit 170 Mio. EUR durch Sanktionen bei Totalverweigerern eingespart werden, in Zahlen übersetzt bedeutet das, die Bundesregierung kalkuliert mit 150.000 Vollsanktionen pro Jahr…“ Aus dem aktuellen Tacheles-Archiv vom 30. Dezember 2023 externer Link zur
    • Vorabversion des Referentenentwurfs „Entwurf eines Zweiten Haushaltsfinanzierungsgesetzes 2024 (Beitrag BMAS Abteilung II „Arbeitsmarkt“) externer Link
    • Zahlen bitte! Sanktionen im Hartz IV- bzw. im Bürgergeld-System. Und potemkinsche „Einsparungen“ mit den geplanten Verschärfungen der Sanktionen im SGB II
      Beitrag vom 3. Januar 2024 von und bei Stefan Sell externer Link
    • Sanktionen im SGB II: Es dürfen doch nur maximal 30 Prozent gekürzt werden, hat das Bundesverfassungsgericht gesagt. Hat es nicht
      Im Kontext der vom Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) angekündigten (Wieder)Einführung von 100 Prozent-Sanktionen (unter Ausklammerung der Kosten für die Unterkunft, die davon unberührt bleiben sollen) im nunmehr zum Bürgergeld umbenannten Hartz IV-System wurde verschiedentlich darauf hingewiesen, dass doch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Sanktionierung von maximal 30 Prozent für zulässig erklärt habe. Dem ist aber nicht so – der vollständige Entzug von Leistungen wurde auch vom höchsten deutschen Gericht als Möglichkeit in den politisch gestaltbar Raum gestellt. Man muss das hier angesprochen Urteil vom 5. November 2019 – 1 BvL 7/16 des BVerfG zu Sanktionen im Sozialrecht nur genau lesen…“ Beitrag vom 31. Dezember 2023 von und bei Stefan Sell externer Link
  • Sozialgericht Karlsruhe zieht Rote Karte gegen Bürgergeld-Willkür der 100-prozentigen Kürzung der Leistungen
    „… Während man im Eilverfahren noch aufseiten des Jobcenters stand und eine 100-prozentige Kürzung der Leistungen befürwortete, folgten im zweiten Schritt eine Entschuldigung und ein Rundumschlag gegen das Vorgehen des Jobcenters und damit gegen die um sich greifende Bürgergeld-Willkür einiger Behörden. (…) Der Fall: Das Jobcenter hatte einer Frau für die Zeit von November 2021 bis Oktober 2022 Hartz IV und die Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) bewilligt. Der Ärger begann, als die Bürgergeld Bedürftige im Januar 2022 erklärte, für ihr Kind „Unterhalt in bar“ zu erhalten. Um ihre wirtschaftlichen Verhältnisse nachzuweisen, legte sie einen geschwärzten Kontoauszug vor. (…) Daraufhin forderte das Jobcenter die Frau auf, aussagekräftige Kontoauszüge und den Formularvordruck für Leistungsfälle mit Unterhaltsbezug vorzulegen. Da die Frau auf Nachfragen nicht reagierte, wurden sämtliche Leistungen – auch die Übernahme der KdU – mit Hinweis auf § 66 SGB I komplett gestrichen, auch rückwirkend. Dabei verwies man auf das „öffentliche Interesse an Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit“. (…) Das Jobcenter wurde dazu verurteilt, die Grundsicherungsleistungen für den bewilligten Zeitraum auszuzahlen. Gleichzeitig erhielt die Behörde eine „Unterrichtsstunde“ in Sachen Recht und Ordnung. (…) Das Jobcenter hatte angesichts der Totalsanktionierung von einer „sanften Druckausübung“ gesprochen. Es gebe kein milderes Mittel mit gleicher Erfolgswahrscheinlichkeit und vergleichbar niedrigem Aufwand. Bereits diese Formulierung wirke „als ironisch-beschönigende Häme“, so das Sozialgericht Karlsruhe. Das Gericht nannte es „sprachlich ausfällig“. Und: Von einem 2019 geborenen Kind Kontoauszüge oder ein ausgefülltes Formular zu verlangen, sei subjektiv unmöglich. (…) Zudem hätte das Jobcenter der Frau die Gelegenheit geben müssen, ihre persönliche Situation nicht nur schriftlich, sondern auch mündlich vorzutragen. (…) Eine Rolle spielte bei der Urteilsfindung auch die Tatsache, dass schon das Bundesverfassungsgericht Kürzungen über 30 Prozent (Urteil vom 05.11.2019 – 1 BvL 7/16) moniert hatte. Ferner decke § 66 SGB I keine dauerhafte Entziehung von Leistungen. (…) Noch deutlicher wird das Gericht, das sich für sein „unverzeihliches Versagen“ im ersten Eilverfahren entschuldigte, hinsichtlich der Anforderungen, die ein Jobcenter eigentlich erfüllen müsste: „Jedem steuerfinanzierten „Kundenberater“ jedes steuerfinanzierten „Jobcenters“ ist es zuzumuten, seinen königlichen „Kunden“ bei Bedarf „Kundengespräche“ in wertschätzendem Ton anzubieten und wohlwollend um ihre Mitwirkung zu werben.“ Beitrag von André Maßmann vom 9. Juni 2023 bei HartzIV.org externer Link zum Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe, Az.: S 12 AS 2046/22 vom 09.05.2023 externer Link 
  • Sanktionen bei Hartz IV und Bürgergeld: Klage gegen die BA
    Der Rotstift glühte, als die Jobcenter noch nach Gutsherrenart Hartz-IV-Leistungen kürzen durften. Dazu gab es eigens Schulungsunterlagen mit konkreten Handlungsanweisungen für Sanktionen, die beim Bürgergeld jetzt etwas freundlicher Leistungsminderungen heißen. Ein Nutzer von „FragDenStaat“ hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) um Herausgabe der Papiere gebeten. Da sich die Behörde mit Hinweis auf das Urheberrecht weigert, wird der Einblick in die Unterlagen jetzt auf dem Gerichtsweg eingeklagt.
    Meldeversäumnisse oder, Verstöße gegen Mitwirkungspflichten: Halten sich Bürgergeld Bedürftige nicht an die Regeln, wird der Regelsatz um bis zu 30 Prozent gekürzt. Da sowohl Hartz IV als auch das Bürgergeld das Existenzminimum sichern sollen, bedeutet jede Leistungsminderung, dass der ausgezahlte Betrag diesen Grenzwert unterschreitet. Dadurch geraten Betroffene in existenzielle Not. (…) Da die Fortbildungsunterlagen einen tiefen Einblick in die Praxis geben, wurden die Papiere auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) angefragt. Schließlich wurden millionenfach Sanktionen verhängt und damit gegen die Verfassung verstoßen. Verweis auf das Urheberrecht Dass die Bundesagentur für Arbeit die Unterlagen freudestrahlend überreicht, war nicht zu erwarten. Sie hat sich stattdessen auf das Urheberrecht und Geschäftsgeheimnisse berufen. Interessant, denn: Der Begriff „Geschäftsgeheimnis“ vermittelt den Eindruck, dass Sanktionen tatsächlich „geschäftsmäßig“ verhängt wurden…“ Beitrag von André Maßmann vom 3. Mai 2023 bei hartziv.org externer Link

  • Meldepflicht im Bürgergeld: Wenn sogar ein Strafverfahren drohen kann.
    „(…) Aber: Betrug kann nur vorgeworfen werden, wenn etwas bewusst verschwiegen wurde!
    Das SGB II sieht eine Meldepflicht vor. Das Jobcenter muss grundsätzlich immer informiert werden, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Leistungsberechtigten geändert haben. Eine Meldepflicht besteht nicht nur bei Aufnahme einer neuen Beschäftigung, sondern beispielsweise auch bei einer Erbschaft. Wer Sozialleistungen wie das Bürgergeld bezieht, unterliegt einer sogenannten Bringschuld. Das heißt, die Meldung muss ohne Aufforderung durch das Jobcenter erfolgen. (…) Es kommt aber immer wieder vor, dass die neue Beschäftigung nicht sofort der Behörde gemeldet wird. Dahinter muss keine Betrugsabsicht stecken. Manche haben einfach Angst, dass das Einkommen nicht ausreicht, andere wollen erst einmal sehen, ob die ersten Wochen oder Monate im neuen Job gut laufen. Diese “Strategien” haben jedoch zur Folge, dass das Jobcenter einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid schickt. Damit fordert die Behörde die zu viel gezahlten Hartz-IV-Leistungen zurück. Ist der Bescheid zu hoch oder gar falsch, sollte er hier überprüft werden. Ein Widerspruch kann Abhilfe schaffen. (…) Oft aber müssen Betroffene mit einem Strafverfahren rechnen. Wichtig: Sozialleistungsbetrug gemäß § 263 Absatz 1 StGB ist nur dann erfüllt, wenn Leistungsbezieher bewusst Tatsachen verschwiegen haben, um für sich einen finanziellen Vorteil zu erreichen. Das Vorliegen von Vorsatz muss nachgewiesen werden. Ein Betrug muss immer vorsätzlich und nicht fahrlässig begangen werden. Häufig “vergessen” die Betroffenen, dem Jobcenter die Aufnahme einer neuen Arbeit zu melden. “Vergessen” erfüllt dabei nicht den Tatbestand des Sozialleistungsbetrugs. Dann ist eher von einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 63 Absatz 1 SGB II auszugehen. Wurde ein Strafverfahren eingeleitet, haben die Betroffenen die Möglichkeit, sich im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zu äußern. (…) In diesem Stadium ist es jedoch ratsam, einen erfahrenen Rechtsanwalt zu konsultieren. Dieser wird mit dem Betroffenen das weitere Vorgehen besprechen. Keinesfalls sollte eine Aussage ohne Beistand gemacht werden. Denn es kommt auf jedes Detail an, ob eine Ordnungswidrigkeit oder eine Straftat vorliegt! (…) Wenn das Jobcenter noch nicht über die Arbeitsaufnahme informiert wurde: Wer nur vergessen hat, die Arbeitsaufnahme dem Jobcenter zu melden, sollte dies sehr schnell nachholen, um ein Strafverfahren zu vermeiden.“ Beitrag von Sebastian Bertram vom 28. April 2023 bei gegen-hartz.de externer Link
  • „Aktuelle Studie belegt: Hartz IV-Sanktionen verfehlen Wirkung und machen krank“ – die Wirkung der Einschüchterung verfehlen sie nicht 
    Hartz IV-Sanktionen verfehlen ihre Wirkung – das ist das Ergebnis der ersten wissenschaftlichen Langzeitstudie zu Sanktionen in der Grundsicherung. Anstatt Menschen nachhaltig in Arbeit zu bringen, haben Kürzungen der Grundsicherung bei Verstößen gegen Auflagen der Jobcenter einen einschüchternden Effekt und können sogar Krankheiten verursachen. Den Kontakt mit den Jobcentern empfinden die im Rahmen der Studie “Hartz Plus” Befragten größtenteils als hinderlich, statt als unterstützend. “Sanktionen verfehlen ihre behauptete Wirkung. Sie verursachen fast immer eine Kultur des Misstrauens. Die Menschen fühlen sich eingeschüchtert und stigmatisiert. Sanktionen bringen Menschen nicht in Arbeit und haben in einer modernen Grundsicherung nichts verloren.“ sagt die Gründerin von Sanktionsfrei e.V., Helena Steinhaus, anlässlich der Vorstellung der Studie in Berlin. Die Studie Hartz Plus wurde von Sanktionsfrei e.V. in Auftrag gegeben und vom Institut für empirische Sozial- und Wirtschaftsforschung Berlin (INES) durchgeführt. Gemeinsam mit dem Paritätischen Gesamtverband und dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) wurden die Ergebnisse heute von Sanktionsfrei e.V. vorgestellt. Alle drei fordern eine umfassende Reform der Grundsicherung, zu der auch zwingend eine substantielle, bedarfsgerechte Anhebung der Regelsätze gehört. Die bisher vorgestellten Pläne der Ampel-Koalition für ein Bürgergeld seien unzureichend, so die gemeinsame Kritik. Der vorliegende Gesetzesentwurf für das neue Bürgergeld gibt den Jobcentern weiterhin die Möglichkeit, Sanktionen bis zu 30 Prozent zu verhängen. Nach aktuellen Verlautbarungen soll der Regelsatz ab dem 1.1.2023 um lediglich 50 Euro auf dann 500 Euro angehoben werden…“ Pressemitteilung vom 12.09.2022 bei Sanktionsfrei externer Link und dort alle Infos externer Link zur dreijährigen Langzeitstudie „Hartz Plus“

  • Hartz-IV-Sanktionen abschaffen, nicht aussetzen 
    Die Hartz-IV-Sanktionen sollen für ein Jahr gestrichen werden – zumindest teilweise. Das ist sinnvoll. Doch um Armut zu überwinden, reicht das nicht.
    Ab dem Sommer werden die Sanktionen des Jobcenters für ein Jahr ausgesetzt werden. »Es ist vollbracht«, könnte man jetzt glauben. Doch die Regierung möchte sich dann doch nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Im neuesten Gesetzesentwurf heißt, dass »Leistungen erst nach einem wiederholten Meldeversäumnis zu mindern sind […] wenn das vorangegangene Meldeversäumnis weniger als ein Jahr zurückliegt«. Übersetzt bedeutet das, dass Arbeitssuchende innerhalb eines Jahres einen Termin versäumen dürfen, aber keinen zweiten, sonst wird ihnen das Arbeitslosengeld II (Hartz IV) um 10 Prozent gekürzt. Das sind immerhin knapp 45 Euro. Schaut man sich die Sanktionsstatistik der Bundesagentur für Arbeit an, ist ersichtlich, dass gerade Meldeversäumnisse in den letzten Jahren zugenommen haben. (…) Seit der Einführung von Hartz IV im Jahr 2005 stellten sich auch bundesweit diverse Erwerbsloseninitiativen gegen die Sanktionen. Sie kennen natürlich aus eigener Beratungstätigkeit die Nöte der Menschen, wenn ihnen das Geld gekürzt wird. Sie kennen aber auch die Gründe der Meldeversäumnisse und sie wissen, warum jemand sich nicht beworben hat oder ein weiteres Bewerbungstraining ablehnt. Auch Aktivistinnen und Aktivisten machen seit Jahren mit Aktionen darauf aufmerksam, dass Sanktionen in der Praxis kontraproduktiv sind. Inzwischen ist das auch zu den Wohlfahrtsverbänden durchgedrungen, die zu Beginn der Agenda 2010 noch sehr zurückhaltend waren oder Sanktionen sogar befürworteten. Auch sie sprechen sich gegen Sanktionen gegen Erwerbslose aus. Der Weg zum Sanktionsmoratorium war also lang und mühselig. Nur mit Hilfe des Bundesverfassungsgerichts Karlsruhe wurden die Sanktionen im November 2019 von 100 Prozent auf maximal 30 Prozent gesenkt.
    Die Befürworter des Sanktionsregimes – seien es Parteien oder Verbände – verfallen erwartungsgemäß in Schnappatmung, wenn Erwerbslose nicht mehr bestraft werden dürfen. Das gilt auch für die Bundesagentur für Arbeit, die mit ihren zugehörigen Jobcentern die Exekutive der Sanktionen darstellt. Wie die Bundesagentur für Arbeit im Jahr 2013 beteuerte, hätten die Sanktionen einen »erzieherischen Charakter«. Ähnlich äußerte sich eine anonyme Jobcenter-Mitarbeiterin kürzlich in der Süddeutschen Zeitung externer Link. Sie hält die Abschaffung für eine Katastrophe und resümiert: »Ohne Sanktionen tanzen uns Hartz-Empfänger auf dem Kopf herum«. (…)
    Erwerbslose müssen »erzogen« werden. Und wer sich nicht erziehen lässt, wird mit finanziellen Folgen bestraft. Die alltägliche Grundversorgung mit Essen, Getränken, Hygieneartikeln, aber auch die Begleichung von Rechnungen kann dann mitunter nicht mehr finanziell gestemmt werden. Das Perfide daran ist, dass die »Schuldigen«, also die Erwerbslosen, die Beweislast für ihre Unschuld zu erbringen haben. (…)
    Das neue Bürgergeld soll Hartz IV im Januar 2023 ersetzen. Für die Bundesagentur für Arbeit bedeutet das: »Das Prinzip des ›Förderns und Forderns‹ bleibt erhalten, wird aber stärker auf den Aspekt des ›Förderns‹ und eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe ausgerichtet«. Klingt schön – doch schon im Sommer 2023 wird die Verpflichtung zu einer »Zusammenarbeit auf Augenhöhe« kaum mehr als ein Lippenbekenntnis sein. Denn das Damoklesschwert der Sanktionen hängt dann wieder über den Köpfen der Erwerbslosen. Aus jedem Vermittlungsvorschlag sticht diese Androhung hervor. Es ist ein kollektiver Stumpf- und Starrsinn, wenn Unmengen an Steuergeldern für Vermittlungsvorschläge verprasst werden, die den Kompetenzen der Erwerbslosen ohnehin nicht entsprechen. Der aktuelle Gesetzesentwurf für das Sanktionsmoratorium sieht bei den Leistungen zum Lebensunterhalt eine Mehrausgabe von rund 12 Millionen Euro im Jahr 2022 vor. Man fragt sich, wie verkommen eine Regierung sein muss, um die möglicherweise fälligen Sanktionen im Haushalt als Steuergelder einzuplanen…“ Artikel von Inge Hannemann am 24.05.2022 bei Jacobin.de externer Link
  • Sanktionsmoratorium beschlossen, Hartz-IV-Sanktionen werden ausgesetzt – unvollständig und nur für ein Jahr, dennoch unter Protest aus Jobcentern
    • Zum Sanktionsmoratorium bzw. dem Heraufbeschwören eines drohenden Untergangs des Abendlandes
      Das von der Ampel geplante „Sanktionsmoratorium“ ist nun verabschiedet. Es enthält folgende Punkte: Wirksamkeit für 1 Jahr, ab dem Monat des Inkrafttretens des Gesetzes, vermutlich Juli 2022 – Juli 2023; Aussetzen der Sanktionen nach §§ 31, § 31a, § 31b SGB II – also die 30 % Sanktionen – für ein Jahr; Minderungen erst nach einem wiederholtem Meldeversäumnis, Bemessungszeitraum dafür ein Jahr; Minderung auf 10 % des Regelsatzes auch bei wiederholtem Meldeversäumnis begrenzt (§ 84 Abs. 3 SGB II n- N). Den verabschiedeten Gesetzestext gibt es hier: https://t1p.de/b1har externer Link
      Kommentar: Wenn man die Äußerungen aus dem Lager der Union, den Arbeitgeberverbänden,  ehemaligen BA-Chefs und sonstigen Freunden der Drangsalierung Erwerbsloser folgt, droht mit diesem Gesetz nichts weniger als die Gefahr des Untergangs des Abendlandes. Denn Sanktionen seien weiter nötig, um gegen „unkooperativer Leistungsbeziehende“ vorgehen zu können (so z.B. Ex-BA Chef Scheele). Vieles mehr kann dazu man dieser Tage in der Presse lesen.
      Es ist erfreulich, dass die Ampel nun doch weitgehend ihre Ankündigung aus dem Koalitionsvertrag erfüllt. Die max. 10 % – Sanktionen bei Meldeversäumnissen sind überschaubar. Es ist zu hoffen, dass es zu einer vernünftigen Evaluierung zur Wirksamkeit dieses Moratoriums kommt. Allerdings macht eine solche Evaluierung nur Sinn, wenn Erwerbslose nicht nur nicht schikaniert werden, sondern gleichzeitig gefördert werden. Hier muss die Ampel Gas geben und die Mechanismen zur Förderung in Gang setzen.
      Hierzu direkt ein Fall aus der Sozialberatung des Vereins Tacheles: es kann und darf nicht sein, dass Menschen, die beispielsweise dringend eine Brille brauchen, um wieder arbeiten zu können, diese mit abstrusen Ablehnungsbegründungen wie „die Anschaffung einer Brille sei im Regelsatz enthalten und es gäbe keinen Anspruch darauf“ versagt bekommen. Denn im vorliegenden Fall kann der Betroffene nicht arbeiten, wenn er nicht richtig sehen kann. Genau das ist aber der Alltag für Hartz IV-Beziehende. Es gibt bisher oft eben keine notwendige Förderung, sondern lediglich unnötiges Schikanieren.  
      Hier wurde jetzt ein überfälliger Schritt getan. Erst 2019 durch das BVerfG, nun von der Ampel. Die über die Jahrhunderte kultivierte reaktionäre Ideologie der Unterstellung des „faulen Arbeitslosen“ wird hoffentlich Geschichte.  Das ist nötig, mutig und eine historische Chance mit diesem reaktionären Gedankenbild endlich zu brechen. (…)Wir haben eine einmalige bzw. historische Chance dieses unsägliche Drangsalierungssystem jetzt weitgehend abzuschaffen, nutzen wir sie! Das nächste Brett was zu bohren ist, ist die Höhe der Regelleistungen. Diese müssen unverzüglichst deutlich angehoben werden.“ Aus dem Thomé Newsletter 20/2022 vom 22.05.2022 externer Link
    • Großversuch für ein Jahr: Hartz-IV-Sanktionen werden ausgesetzt. Das bietet eine Chance, die Sinnhaftigkeit des Systems zu überprüfen
      „Es ist ein unfreiwilliger Großversuch, über dessen Ergebnisse man in einem Jahr mehr wissen wird: Die Sanktionen wegen Pflichtverletzungen, also die Möglichkeit, einer Hartz-IV-Empfänger:in 30 Prozent (rund 135 Euro im Monat) vom Regelsatz zu kürzen, wenn sie oder er einen Job oder eine zumutbare Beschäftigungsmaßnahme ablehnt, sind für ein Jahr ausgesetzt. Das entsprechende Gesetz wurde am Donnerstag verabschiedet. Nur 10 Prozent vom Regelsatz, also 45 Euro, können dann gekürzt werden, wenn jemand beim Jobcenter gar nicht mehr auftaucht. Interessanterweise wurde in den Gesetzestext aber auch gleich hineingeschrieben, dass die Sanktion mit Einführung des sogenannten Bürgergeldes, also voraussichtlich im Sommer 2023, wiedereingeführt wird. Es handelt sich also nur um eine begrenzte Auszeit und nicht etwa um die dauerhafte Abschaffung der Sanktionen. Nach einem Jahr wird man wissen, ob im genannten Zeitraum tatsächlich, wie von Kritiker:innen befürchtet, Hunderttausende die Hartz-IV-Leistung in Anspruch genommen, dabei den Kontakt zum Jobcenter abgebrochen und jede Maßnahme abgelehnt haben werden. Wobei man dann auch gleich evaluieren kann, welche Maßnahmen genau verweigert wurden – etwa die vielen unsinnigen Bewerbungstrainings? (…) Womöglich wird das Ergebnis des Großversuchs relativ undramatisch sein. Es könnte sein, dass die Zahl der Hartz-IV-Empfänger:innen zunimmt, die zwar auf Aufforderung zum Jobcenter kommen, dann aber die angebotene Maßnahme oder den angebotenen Job ablehnen und dies auch begründen können. Vielleicht haben die Hilfeempfänger:innen dann aber mehr Möglichkeiten, eigene Vorstellungen einzubringen darüber, welche Weiterbildung sie gerne machen würden, womit sie sich gerne beschäftigen würden, auch wenn die wirtschaftlichen Aussichten dieser Wunschtätigkeiten erst mal nicht umwerfend sind. Am Ende des Moratoriums zeichnet sich womöglich ein sehr differenziertes Bild. Und das Klischee, dass die Aussetzung der Sanktionen Hunderttausende von schwarzarbeitenden Leistungsempfänger:innen produziere, die steuerzahlende Arbeitnehmer:innen ausnutzen, wird ins neoliberale Märchenreich befördert. Das wäre ein gutes Ergebnis.“ Kommentar von Barbara Dribbusch vom 20. Mai 2022 in der taz online externer Link
    • Beschäftigte in den Jobcentern kritisieren Aussetzung der Hartz-IV-Sanktionen
      Die GdS hat das am 19. Mai 2022 vom Bundestag beschlossene Gesetz zur Aussetzung der Sanktionen für Empfänger von Arbeitslosengeld II („Hartz IV“) kritisiert. Mit dem von der Bundesregierung eingebrachten Gesetz sollen Sanktionen bei Pflichtverletzungen – wie der Ablehnung einer zumutbaren Arbeit oder dem Abbruch einer Fortbildungsmaßnahme – ein Jahr lang ausgesetzt werden. „Den Beschäftigten in den Jobcentern und letztlich auch deren Kunden wird durch das Sanktionsmoratorium ein Bärendienst erwiesen“, sagte der GdS-Bundesvorsitzende Maik Wagner anlässlich der Abstimmung im Bundestag. „Den allergrößten Teil der Leistungsempfänger von ALG II betreffen Sanktionen gar nicht, weil die Zusammenarbeit zwischen ihnen und dem Jobcenter gut klappt. Aber bei hartnäckiger Verweigerung der Kooperation brauchen die Beschäftigten in den Jobcentern Mittel, um die gesetzliche Mitwirkungspflicht durchzusetzen.“ Das Sanktionsmoratorium ist zeitlich für ein Jahr befristet. Dann soll nach Plänen der Ampelkoalition ein „Bürgergeld“ das jetzige Arbeitslosengeld II ersetzen. Der GdS-Bundesvorsitzende Maik Wagner dazu: „Eine dauerhafte und pauschale Abschaffung der Sanktionsmöglichkeiten stünde dem Grundsatz des Förderns und Forderns entgegen. Dieses Prinzip hat sich aber im Alltag der Arbeitslosenvermittlung bewährt.“…“ Pressemitteilung der Gewerkschaft der Sozialversicherung externer Link (GdS) (ohne Datum, wohl am 20.5.), siehe dazu:

      • Staatsdiener des Tages: Maik Wagner (GdS)
        Ob sie nun Sanktionen gegen Hartz-IV-Bezieher umsetzen müssen oder nicht, könnte ihnen egal sein. Am Ende des Monats erhalten sie ein festes Gehalt. Aber wo käme dieser »Sozialstaat« hin, wenn in den Arbeitsagenturen und Jobcentern landauf, landab lauter kleine aufmüpfige Hannemanns säßen, die zur Armutsverwaltung, zu der sie beruflich verpflichtet sind, ein kritisches Verhältnis haben. Jobcenter hätten sich vermutlich schon selbst abgeschafft, denn ihre Aufgabe ist es ja gerade, Erwerbslose »in Arbeit« zu bringen – ist sie auch noch so schlecht. Um das zu vermeiden, werden natürlich auch die Angestellten in den Vermittlungsbehörden darin geschult, was eine »zumutbare« Arbeit oder Ausbildung ist und warum es in Ordnung ist, das Existenzminimum um 30 Prozent zu kürzen, falls die »Kunden« anderer Meinung sind. Für die ganz überzeugten, das ist nun klar, gibt es auch eine angemessene Interessenvertretung: die Gewerkschaft der Sozialversicherung (GdS). In einer Presseerklärung von Donnerstag abend beklagte ihr Vorsitzender, Maik Wagner, die Aussetzung von Hartz-IV-Sanktionen bei Verletzung der »Mitwirkungspflicht« durch die Betroffenen, die der Bundestag gleichentags für ein Jahr beschlossen hat. Den Beschäftigten in den Jobcentern und »letztlich auch deren Kunden« werde ein »Bärendienst erwiesen«, so Wagner. Bei »hartnäckiger Verweigerung der Kooperation« brauche es geeignete Durchsetzungsmittel. Mit Blick auf das kommende »Bürgergeld«, das das jetzige Arbeitslosengeld II ersetzen soll, befürchtet Wagner gar eine »dauerhafte und pauschale Abschaffung der Sanktionsmöglichkeiten«…“ Porträt von Susanne Knütter in der jungen Welt vom 21.05.2022 externer Link
  • Sanktionen im SGB II: Trotz Corona mehr Sanktionen / Fundamentalkritik gegen Sanktionen und „Moratömchen“
    Die BA hat neue Zahlen zu SGB II Sanktionen herausgegeben, im Jahr 2021 hat es 193.729 Sanktionen gegeben, mit einer deutlichen Steigerung von über 10 % gegenüber dem Vorjahr. Die BA PM gibt es hier: https://t1p.de/e5e7t externer Link
    Dazu direkt eine PM vom DPWV, in der die sofortige Abschaffung von Hartz-IV-Sanktionen gefordert wird. Diese gibt es hier: https://t1p.de/hndj externer Link
    Dazu meine Kritik: Vom Sanktionsmoratorium zum Sanktionsmoratömchen
    Im Koalitionsvertrag hieß es noch: „wir setzen alle Sanktionen für ein Jahr aus“. Daraus wurde dann im Endeffekt ein „Moratömchen“, welches ab dem 1. des Monats nach Verkündung, also vermutlich ab irgendwann in der Jahresmitte bis Ende Dezember 2022 gelten soll. Also statt den zuerst angekündigten 12 Monaten vermutlich nur noch sechs Monate. Im verabschiedeten Regierungsentwurf heißt es jetzt, dass nur die Sanktionen nach § 31a SGB II ausgesetzt werden. Das bedeutet, die “Meldeversäumnisse”, also die Sanktionen nach § 32 SGB II, werden weiterhin sanktioniert. Diese Meldeversäumnisse machen aber ca. 70 % aller Sanktionen aus.
    Zudem besteht die Gefahr, dass die sog. Pflichtverletzungen, also die Sanktionen nach § 31a SGB II, die jetzt im Rahmen des Moratoriums nicht sanktioniert werden dürfen, nachträglich noch sanktioniert werden. Denn nach § 31b Abs. 1 S. 5 SGB II ist bis zu sechs Monate nach dem sog. Pflichtversäumnis noch eine Sanktion möglich. Es besteht somit die ernste Gefahr, dass das schönklingende Sanktionsmoratorium ab Jan. 2023 mit nachträglich durchgeführten Sanktionen durch die Jobcenter ausgehöhlt werden.
    Soviel zum Thema „MEHR FORTSCHRITT WAGEN“ durch die Ampel. Bürgergeld bleibt Hartz IV, solange nicht bedarfsdeckende Regelleistungen gezahlt und die Sanktionen abgeschafft werden! Hier nun der verabschiedete Gesetzestext: https://t1p.de/kk1l2 externer Link “ Aus Thomé Newsletter 16/2022 vom 17.04.2022 externer Link
  • ver.di fordert Festhalten an einem wirklichen Sanktionsmoratorium bei Hartz IV 
    „Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) fordert anlässlich der heutigen Beratung des Bundesrates über das Gesetz zum Sanktionsmoratorium bei Hartz IV die Bundestagsfraktionen der Ampel-Koalition auf, Wort zu halten und an einem wirklichen Sanktionsmoratorium bis Ende des Jahres festzuhalten. „Der vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzentwurf beinhaltet kein wirkliches Sanktionsmoratorium; das ist ein Bruch des Versprechens, das im Koalitionsvertrag gegeben wurde“, sagte der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke. In seinem Gesetzentwurf halte das Bundeskabinett an sogenannten Meldeversäumnissen als Sanktionsgrund fest, rund 80 Prozent der Sanktionen gingen aber auf Meldeversäumnisse zurück. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren müssten nun die Bundestagsfraktionen der Ampel zu ihrem Wort stehen. „Sie müssen an einem wirklichen Sanktionsmoratorium bis Ende des Jahres festhalten. Die Regelsätze in der Grundsicherung sind heute schon viel zu gering, um das soziokulturelle Existenzminimum zu schützen. Dieses weiterhin kürzen zu können, lehnen wir entschieden ab.“ Die Bundesregierung sei gefordert, angesichts akuter Krisen das Schutzversprechen der Arbeitslosenversicherung zu erneuern, so Werneke weiter. „Ein hohes Arbeitslosengeld, lange Bezugsdauer und Qualifikationsschutz waren einst die Errungenschaften der Arbeitslosenversicherung. Sie sollten den Erwerbszwang lindern und die strukturelle Unterlegenheit der Beschäftigten auf dem Arbeitsmarkt sozialpolitisch wettmachen. Damit hat Hartz IV gebrochen.“ Soziale Sicherheit sei aber in der aktuellen Situation für die Beschäftigten vieler Branchen und für den Zusammenhalt in der Gesellschaft von zentraler Bedeutung.“ ver.di-Pressemitteilung vom 8. April 2022 externer Link
  • Abkehr vom „Sanktionsmoratorium“: Bundesregierung beschließt Fortführung der überwiegenden Zahl der Sanktionen in der Grundsicherung 
    „Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat Ende Februar 2022 einen Referentenentwurf für das in der Koalitionsvereinbarung der Bundesregierung vereinbarte Sanktionsmoratorium vorgelegt. Der Entwurf des Ministeriums sah vor, die geltenden Sanktionsregelungen bis zum Jahresende 2022 befristet außer Kraft zu setzen. In der Sitzung des Bundeskabinetts am 15. März 2022 hat die Bundesregierung dagegen nun einen wesentlich veränderten Gesetzentwurf verabschiedet, der die Sanktionen gerade nicht abschafft, sondern die weit überwiegende Zahl beibehält. (…) Indem die Sanktionsregelungen bei Meldeversäumnissen bestehen bleiben, bekennt sich die Bundesregierung zur Fortführung der Mehrzahl der Sanktionen. Ein Moratorium ist definiert als „vereinbarter oder gesetzlich angeordneter Aufschub“. Mit dem neu verabschiedeten Gesetzentwurf kann deshalb nicht mehr ernsthaft von einem Sanktionsmoratorium gesprochen werden, denn unter normalen Umständen entfielen etwa vier Fünftel der Sanktionen auf einfache Meldeversäumnisse, die weiter sanktioniert werden sollen. (…) Der Paritätische fordert, Sanktionen grundsätzlich abzuschaffen. Die Regelsätze der Grundsicherung unterschreiten regelmäßig schon jetzt das soziokulturelle Existenzminimum, das nicht zusätzlich gekürzt werden darf. Er fordert die demokratischen Fraktionen im Deutschen Bundestag auf, die vorgeschlagenen Verschärfungen zurückzuweisen und ein Sanktionsmoratorium zu verabschieden, dass seinen Namen verdient. Das setzt voraus, dass alle Sanktionen ausgesetzt werden.“ Fachinfo des Paritätischen Gesamtverbandes vom 17. März 2022 externer Link mit Link zum Referentenentwurf vom 28. Februar 2022 und zum verabschiedeten Regierungsentwurf vom 16. März 2022, siehe auch:

    • Vom Sanktionsmoratorium zum Sanktionsmoratömchen
      Im Koalitionsvertrag hieß es noch: „wir setzen alle Sanktionen für ein Jahr aus“. Daraus wurde dann im Endeffekt ein „Moratömchen“, welches ab dem 1. des Monats nach Verkündung, also vermutlich ab 1. Mai, bis Ende Dezember 2022 dann gelten soll. Also statt den zuerst angekündigten 12 Monaten dann lediglich sieben Monate gelten soll. Im verabschiedeten Regierungsentwurf heißt es jetzt: nur die Sanktionen nach § 31a SGB II werden ausgesetzt. Das heißt: die “Meldeversäumnisse”, also die Sanktionen nach § 32 SGB II, werden weiterhin sanktioniert. Diese Meldeversäumnisse machen aber ca. 70 % aller Sanktionen aus.
      Zudem besteht die Gefahr, dass die sog. Pflichtverletzungen, also die Sanktionen nach § 31a SGB II, die jetzt im Rahmen des Moratoriums nicht sanktioniert werden dürfen, nachträglich noch sanktioniert werden. Denn nach § 31b Abs. 1 S. 5 SGB II ist bis zu sechs Monate nach dem sog. Pflichtversäumnis noch eine Sanktion möglich. Es besteht somit die ernste Gefahr, dass das schönklingende Sanktionsmoratorium ab Jan. 2023 mit nachträglich durchgeführten Sanktionen durch die Jobcenter ausgehöhlt werden.
      Soviel zum Thema „MEHR FORTSCHRITT WAGEN“ durch die Ampel. Bürgergeld bleibt Hartz IV, solange nicht bedarfsdeckende Regelleistungen gezahlt und die Sanktionen abgeschafft werden!“ Aus dem Thomé Newsletter 12/2022 vom 20.03.2022 externer Link
  • Hartz IV Sanktionen werden bis Ende 2022 ausgesetzt / Sanktionsmoratorium der Bundesregierung startet verkürzt
    • Hartz IV Sanktionen werden – als Zwischenschritt zur Einführung eines sog. Bürgergeldes – bis Ende 2022 ausgesetzt
      „… Der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat als Zwischenschritt zur Einführung eines sog. Bürgergeldes angekündigt, die Sanktionen bis Ende 2022 auszusetzen. Demnach sollen auch keine Sanktionen bis 30 Prozent des Regelsatzes für Regelverstöße wie Terminversäumnisse erteilt werden. “Die Aussetzung ist zunächst bis zum Ende des Jahres 2022 befristet”, erläuterte eine Sprecherin des Ministeriums am Dienstag in Berlin. (…) Das Ministerium kündigte allerdings an, dass die Aussetzung der Sanktionen nur so lange gelten, bis es “eine Neuregelung der Mitwirkungspflichten in der Grundsicherung für Arbeitsuchende” gäbe. „Danach soll das Bürgergeld die Mitwirkungspflichten neu regeln“ – steht bereits in Referentenentwurf geschrieben. (…) Die Neuregelung gilt nicht für sofort! Zunächst soll die Aussetzung im März im Kabinett erörtert und auf den Weg gebracht werden. Bis das Sanktionsmoratorium dürften noch weitere Monate vergehen. Aus Kreisen des Ministeriums hieß es, dass man mit der Aussetzung ab Sommer 2022 rechnen könne.“ Meldung von Sebastian Bertram vom 1. März 2022 bei gegen-hartz.de externer Link
    • Sanktionsmoratorium der Bundesregierung
      Im Koalitionsvertrag wurde ein einjähriges Sanktionsmoratorium angekündigt, daraus soll nun nach Gesetzesvorhaben nur ein ca. ½ Jähriges werden. Hier betreibt die Bundesregierung Wortbruch. Der Verein Tacheles wurde im Rahmen vorgeschalteter Verbändeanhörung binnen eines Tages um Stellungnahme gebeten. Diese Stellungnahme ist unten stehend zu finden…“ Tacheles-Meldung vom 02.03.2022 externer Link mit weiteren Informationen
  • Zwei Jahre nach dem Sanktionsurteil des Bundesverfassungsgerichts: Zwei weitere Sanktionsarten 
    „… Das Sanktionsregime im § 31 SGB II existiert weiter, Gesetzesänderungen wurden von den Unionsparteien verhindert, die Regierungsampel will das Hartz IV-System umbenennen in Bürgergeld, sagt aber gleich „an Mitwirkungspflichten halten wir fest“. Somit soll das Sanktionsregime weiter aufrecht erhalten werden. Ändern wird sich daher nicht viel, außer dass das neue System einen neoliberalen neuen Namen bekommt. Ich möchte den Blick auf zwei weitere Sanktionsarten richten, diese sind bisher völlig unterbelichtet und sind in der Konsequenz genauso scharf wie das für verfassungswidrig erklärte Sanktionsregime.
    a
    ) Rechtswidrige Leistungsversagung wegen fehlender Mitwirkung
    Immer häufiger werden beantragte oder gewährte Leistungen durch Entsagungs- und Entziehungsbescheid wegen fehlender Mitwirkung nach § 66 SGB I versagt. Im Gesetz steht, dass ganz oder teilweise versagt werden kann und auch nur dann, wenn durch die unterlassene Mitwirkung die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird und die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Die Entscheidung der Leistungsversagung steht im Ermessen der Behörde. Also ob sie das überhaupt macht, ganz oder teilweise, in welcher Höhe. Einen Stufenplan gibt es nicht. Die Realität ist, dass Leistungen nicht erst teilweise, sondern oft direkt zu 100 % versagt werden.
    b
    ) Leistungsversagung durch vorläufige Leistungseinstellung
    Die Jobcenter können SGB II – Leistungen ganz oder teilweise vorläufig einstellen, „wenn sie von Tatsachen Kenntnis erlangen, die zu einem geringeren Leistungsanspruch führen“ (§ 40 Abs. 1  Nr. 4 SGB II iVm § 331 SGB III). Auch diese Entscheidung steht im Ermessen der Behörde, in der praktischen Erfahrung wird dieses Ermessen nicht angewendet.
    In beiden Rechtsvorschriften erfolgt sehr häufig eine 100 % Leistungsversagung, einschließlich Miete, Krankenkasse und ohne Anspruch auf Gutscheine. Jede Leistungsversagung oberhalb 30 % des Regelsatzes hat das Bundesverfassungsgericht im Sanktionsrecht für verfassungswidrig erklärt. Beide beschriebenen Leistungsversagungen sind faktische Sanktionsregeln. Die Folgen sind Existenzvernichtung: keine Regelleistung, keine Miete, kein Strom, keine Krankenkasse werden erbracht. Die rückwirkende Erbringung stellt das Amt ebenfalls ins willkürliche Ermessen. Daher muss der Blick der öffentlichen Diskussion auf dieses „neue Sanktionsregime“ der Jobcenter gerichtet UND diese haben unverzüglich gestoppt zu werden!“ Aus dem Thomé Newsletter 41/2021 vom 11.11.2021 externer Link
  • BA Institut IAB: Sanktionen verschlechtern Beschäftigungsqualität – und mindern  kapitalistische Verwertung als Billigstarbeitskraft 
    Das Bundesverfassungsgericht hatte die BA im Sanktionsverfahren massiv dafür kritisiert, dass es von Seiten der BA keinerlei wissenschaftliche Auswertung über die Folgen der Sanktionen im SGB II gäbe. In der Folge hat die BA diese Untersuchung bei ihrem eigenen Forschungsinstitut in Auftrag gegeben und siehe da, das IAB kommt nun zu dem Ergebnis: Sanktionen können sich längerfristig auf die Beschäftigungsqualität auswirken oder andersrum: SGB II-Leistungen Beziehende sind nun nicht mehr vollumfänglich zur kapitalistischen Verwertung als Billigstarbeitskraft zu gebrauchen.
    Aus der wohlfeilen Formulierung des IAB: „Erwerbsfähige Leistungsberechtigte können sanktioniert werden, wenn sie gegen die ihnen obliegenden Pflichten verstoßen. Sanktionen können sich allerdings negativ auf die Qualität der aufgenommenen Beschäftigung auswirken und damit eine nachhaltige Erwerbsintegration erschweren. Eine neue IAB-Studie zeigt, dass solche Auswirkungen langfristig Bestand haben: Rund fünf Jahre nach der Sanktionierung ist die Beschäftigungsqualität bei Sanktionierten geringer als bei nicht Sanktionierten“. Die IAB Untersuchung gibt es hier: https://tinyurl.com/un2xx9cf externer Link
    Abschließende Bewertung: Zu dieser  Erkenntnis hätte die BA auch vorher kommen können und müssen, sie ist es aber nicht, weil sie wollte die Sanktionen unbedingt und hat diese mit allen Tricks und falschen Angaben vor dem BVerfG gerechtfertigt.
    Hier war die Tachelesuntersuchung (Onlinebefragung im Vorfeld des Sanktionsverfahrens, wenngleich lange nicht wissenschaftlich, aber leidenschaftlich und konkret, für das BVerfG überzeugend, weswegen dieses  jedwede Sanktion oberhalb 30% für nicht zulässig erklärt hat. Die Tachelesuntersuchung gibt es immer noch hier: https://tinyurl.com/z6pvecyu externer Link
    Es ist zu hoffen, dass diese Erkenntnis in die anstehende Reform des SGB II einfließt.“ Aus dem Thomé Newsletter 23/2021 vom 26.06.2021  externer Link
  • Hartz-IV-Sanktionen: Ein Jahr nach Urteil noch kein Gesetz 
    „Ein Jahr ist es her, dass das Bundesverfassungsgericht Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger stark eingeschränkt hat. Die Behörden dürfen ihnen wegen Verfehlungen nun nicht mehr so stark an den Geldbeutel gehen. Jetzt pochen der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die Grünen und die FDP auf eine Umsetzung per Gesetz von dem, was die Karlsruher Richter vor einem Jahr sagten – und darüber hinaus. (…) Das Urteil aus Karlsruhe müsse als Auftrag an den Gesetzgeber verstanden werden, das Recht der Leistungsminderungen verfassungskonform zu gestalten. Vorschläge dazu müssten abgewartet werden. (…) Seit dem Urteil wurde die alte Sanktionspraxis lediglich durch Weisungen des Arbeitsministeriums und der Bundesagentur entschärft – nicht jedoch durch ein neues Gesetz. Durch die Corona-Pandemie gab es zudem immer weniger Sanktionen. (…) Nun fordern die Grünen, FDP und der DGB die von Heil in Aussicht gestellten strukturellen Veränderungen ein. Lehmann sagte: „Dass die Jobcenter immer noch angehalten sind, Sanktionen bei Meldeversäumnissen oder Pflichtverletzungen zu verhängen, ist absurd.“ Die Corona-Krise treffe Menschen mit keinem oder geringem Einkommen besonders hart. „Umso dringlicher ist es, sofort ein Sanktionsmoratorium bis zur gesetzlichen Neuregelung zu verhängen.“ (…) Der Vorstandschef der Bundesagentur, Detlef Scheele, will sich das Mittel der Sanktionen allerdings nicht ganz aus der Hand nehmen lassen. „Um den Menschen helfen zu können, müssen wir aber auch mit ihnen in Kontakt bleiben“, sagte er der dpa. „Wir brauchen eine Handhabe, wenn sich Einzelne entziehen und zum Beispiel Termine nicht wahrnehmen.“ Im Großen und Ganzen komme es aber nur zu wenigen echten Verstößen. Auch der sozialpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Pascal Kober, spricht sich für den Erhalt von Sanktionen aus: „Ein gänzlicher Verzicht auf Sanktionen wäre das bedingungslose Grundeinkommen durch die Hintertür“, sagte Kober der dpa…“ Direkt aus dem dpa-Newskanal am 5. November 2020 bei der Süddeutschen Zeitung online externer Link – das mit dem „bedingungslose Grundeinkommen durch die Hintertür“ (Kober) war schon damals ein Argument des ehemaligen Arbeitgeberanwalts Stephan Harbarth. Es rächt sich nun, dass oft vor lauter Begeisterung über die Gesetzesauslegung durch das BVerfG übersehen wurde, dass selbst §31a SGB II mit seinen Vollsanktionen nicht als verfassungswidrig eingestuft wurde. Philipp Siedenburg gehört leider zu den wenigen, der im Grundrechte-Report 2020 (S.17-20) die wichtige Abkehr der höchstrichterlichen Judikatur vom bisherigen, von einem Fehlverhalten unabhängigen Bedürftigkeit, herausarbeitete.
  • Bundesrat lehnt Entschließung zur Abschaffung von SGB II-Sanktionen für unter 25jährige ab
    Die Länder Berlin und Bremen haben dem Bundesrat einen Antrag vorgelegt, nach dem die Bundesregierung aufgefordert wird, die Sanktionsvorschriften im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu ändern (BR-Drucksache 358/20). Dabei sollten unter anderem folgenden Punkte Gegenstand der Gesetzesänderung werden: Streichung der Sanktionen für erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, Ausschluss von Sanktionen gegenüber Bedarfsgemeinschaften mit Kindern und Jugendlichen. Letzen Freitag wurde dieser Antrag abgelehnt (TOP 21). Damit bezieht der Bundesrat Position: Sanktionen sollen zur Durchsetzung der kapitalistischen Verwertung und Fortsetzung der Niedriglohnpolitik in Deutschland weiter aufrechterhalten werden!“ Aus dem Thomé Newsletter 34/2020 vom 27.09.2020 externer Link
  • Hartz IV: Ab jetzt wieder Sanktionen 
    „… In einigen Orten Deutschlands steigen nach einem Abflauen der Infektionsraten wieder die Corona-Fallzahlen. Dennoch hat in Absprache mit dem Bundesarbeitsministerium die BA eine neue Weisung an die Jobcenter herausgegeben, nach der wieder Leistungskürzungen als Strafe bei “Vergehen” wieder eingeführt werden soll. (…) Die Bundesagentur begründet diesen Schritt mit den Wiedereröffnungen der Jobcenter, nachdem diese im April 2020 flächendeckend zum Infektionsschutz geschlossen wurden. Durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Infektionen wurden nicht nur die Jobcenter geschlossen, sondern auch Weiterbildungseinrichtungen. (…) Mit Empörung reagiert der Paritätische Wohlfahrtsverband auf eine aktuelle Weisung der Bundesagentur für Arbeit, nach der Jobcenter ab sofort grundsätzlich wieder Sanktionen gegen Hartz IV-Beziehende verhängen dürfen. Sanktionen waren mit der coronabedingten Schließung der Jobcenter ausgesetzt worden und sollen nun mit der schrittweisen Öffnung für Publikumsverkehr wieder aufgenommen werden. Der Verband erinnert mahnend an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2019, das die Sanktionspraxis grundlegend in Frage gestellt hatte. Die durch das Urteil notwendig gewordene gesetzliche Neuregelung steht bis heute aus. Aus Sicht des Verbandes sind die Sanktionen inhuman und in der Sache nicht zu rechtfertigen. Der Paritätische spricht sich für eine ersatzlose Streichung aus. (…) Der Verband kündigt für die kommende Woche den Auftakt einer gemeinsamen Kampagne mit Sanktionsfrei e.V. an, um politisch Druck für eine menschenwürdige Grundsicherung zu machen.“ Meldung vom 3. Juli 2020 von und bei gegen-hartz.de externer Link, siehe dazu auch:

  • Hartz IV: Totalsanktionen der Jobcenter durch Umwege – Fehlende Mitwirkungspflichten sind die neuen Hartz IV Totalsanktionen
    „Vor über vier Monaten fällte das Bundesverfassungsgericht ein weitreichendes Urteil zu den Hartz IV Sanktionen. (…) Es gibt Jobcenter, die ignorieren Teile des Urteils, weil sie Optionskommunen sind, berichtet Harald Thome´von der Erwerbslosenberatungsstelle “Tacheles e.V.” gegenüber dem Radiosender “Corax”. (…) Es gibt aber auch Jobcenter, die sanktionieren überhaupt nicht. Die vertreten die Auffassung, es sei momentan rechtlich alles unklar. Es gibt aber auch Jobcenter, die halten sich genau an die Weisung der BA und sanktionieren nicht mehr als 30 Prozent. Die Sanktionspraxis ist bundesweit demnach sehr unterschiedlich. (…) Die Jobcenter in Berlin halten sich zwar an die Weisungen der BA, finden aber andere Wege, um Totalsanktionen auszusprechen. So berichtet Sabine Möller von der Erwecbsloseninitiative “Basta”, dass sich die Hartz IV Behörden mehr auf die sogenannten Mitwirkungspflichten konzentrieren. “Sie sind schnell dabei, zu sagen, wenn Du nicht mitwirkst, streichen wir Dir von heute auf morgen alle Leistungen”. Solche Androhungen werden derzeit verstärkt ausgesprochen und auch umgesetzt. (…) So wurden laut der Intiative beispielsweise einer Mutter die Leistungen vollständig gestrichen, da sie nicht erklären kann, warum sie trotz bestehender Sanktionen noch etwas zu essen hat. Die Begrüdung ist abendteuerlich und unmenschlich, aber offenbar Realität. Möglich macht es der Umweg über die sogenannten Mitwirkungspflichten. Zwar handelt es sich hierbei nicht offiziell um Sanktionen, sondern um eine Leistungseinstellung. Diese kommen allerdings einer Totalsanktion gleich. Denn nicht nur die Bezüge sondern auch die Miete wird von einem Tag auf den anderen nicht mehr gezahlt…“ Beitrag vom 9. März 2020 von gegen-hartz.de externer Link
  • Gängelung auch nach Urteil zu Hartz-IV-Sanktionen 
    „Vier Monate sind seit dem Sanktions-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vergangen. Das Urteil besagt, dass Hartz-IV-Sanktionen in Form von Leistungskürzungen zwar weiterhin zulässig sind, aber nur bis maximal 30 Prozent. Während ein neues Gesetz ausgearbeitet werden muss, das das Urteil umstetzt, geht die Sanktionspraxis der Jobcenter indes weiter. Einige Jobcenter halten sich zwar an das Urteil, finden aber andere Wege der Gängelung von Leistungsbezieher*innen. Ein Beispiel dafür sind die Berliner Jobcenter. Wie das Urteil des Bundesverfassungsgericht vier Montate danach zu bewerten ist und wie es umgesetzt wird, darüber sprachen wir mit Harald Thomé vom Tacheles e.V., sowie mit Vertreter*innen der Berliner Erwerbsloseninitiative Basta und der solidarischen Aktion Neukölln.“ Beitrag vom 17. Februar 2020 von und bei Radio Corax externer Link Audio Datei (Audiolänge: 8:50 Min.)
  • Der Kampf gegen Sanktionen ist vor allem ein politischer und kein rechtlicher 
    In einem Forderungspapier „zur gesetzlichen Neuregelung der Sanktionen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende“ vom 27. Januar 2020 externer Link treten die Landesarbeitsminister*innen von Baden-Württemberg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen, trotz der Sanktionsentscheidung des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2019 externer Link für den Weiterbestand von Sanktionen ggf. auch von 100 Prozent ein. (…) Die Akteure von CDU/CSU berufen sich hierbei ausdrücklich auf den Inhalt der BVerfGE. Doch ist das überhaupt möglich? (…) Eine von der realen Wirtschafts- und Sozialpolitik unabhängige verfassungskonforme Mitwirkung kann es insofern nicht geben. (…) Jede Mitwirkungspflicht bei sozialem Unterstützungsbedarf lässt sich jedoch nur verfassungskonform rechtfertigen, wenn überprüft wird, wobei denn überhaupt konkret mitgewirkt werden soll, also wenn genau das getan wird, von dem der Erste Senat in seiner Sanktionsentscheidung abstrahiert. (…) ob nun gewollt oder nicht, letztlich betreibt der Erste Senat hier vor allem (neoliberale) Politik im juristischen Gewand (…) als politischen Auftrag, die aktuelle Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik im Sinne des Primat der Menschenwürde und des Sozialen – und damit auch verfassungsgemäß – zu verändern. Denn nicht nur bei Hartz IV ist der Sozialstaat immer mehr zu einem Instrument neoliberaler wirtschaftspolitischer Steuerung verkommen. Das muss und kann nur durch politische Aktion geändert werden. Wenn uns das BVerfG hierbei auch wenig hilfreich ist; es kann uns das auch nicht verbieten.“ Diskussionsbeitrag von Armin Kammrad vom 17. Februar 2020  – wir danken!
  • CDU/CSU Kampagne zur Umgehung des BVerfG – Urteils zu Sanktionen – Ziel: Ausweitung der Sanktionen auf wieder 100 %! 
    „Die Arbeitsministerinnen und -minister Karl-Josef Laumann (NRW, CDU), Nicole Hoffmeister-Kraut (BW, CDU), Kerstin Schreyer (BY, CSU) und Harry Glawe (MV, CDU) fordern eine rasche Neuregelung von Sanktionen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Und zwar fordern sie bei „hartnäckiger Weigerung zur Mitwirkung“ auch den kompletten Leistungsentzug im SGB II, also wieder 100 % Sanktionen. Damit soll, unter Federführung des Herrn Laumann, das Urteil des Verfassungsgerichts umgangen und Druck auf das Gesetzgebungsverfahren ausgelöst werden. Diese Initiative ist unbedingt beachtenswert, besonders dass die geforderten Neuregelung als Anspruchsvoraussetzung für den SGB II – Bezug ausgestaltet werden sollen. Mit anderen Worten: Die Unterwerfung zur kapitalistischen Verwertung soll Anspruch auf Existenzsicherung und der Erlangung der Menschenwürde sein. Dazu ist zu sagen, das Menschenwürdeprinzip gilt bedingungslos…“ Meldung Pkt.1 aus Thomé Newsletter 05/2020 vom 10. Februar 2020 bei Tacheles externer Link mit Links zu weiteren Beiträgen zum Thema – dass die „Unterwerfung zur kapitalistischen Verwertung“ die zentrale Aussage der BVerfG-Sanktionsentscheidung ist, muss wohl leider erst die Praxis beweisen. Zumindest ist es – auch ohne korrekte juristische Urteilsreflexion – kein Mangel bzw. Fehler gegen Sanktionen über 30 Prozent und gegen die Umwandlung des sozialen in den neoliberalen Rechtstaat zu kämpfen.
  • Manche wollen es nicht lassen: Sie sollen wieder auferstehen, die 100-Prozent-Sanktionen im Hartz IV-System. Aber hatte nicht das Bundesverfassungsgericht …? Hat es nicht 
    „Erinnern wir uns an den 5. November 2019. Ein wichtiger Tag nicht nur für viele Betroffene, sondern auch für das Verfassungs- und Sozialrecht insgesamt. Denn an diesem Tag verkündete das Bundesverfassungsgericht eine seit Jahren erwartete Entscheidung zu der Frage, ob Sanktionen im Hartz IV-System verfassungsrechtlich zulässig sind oder eben nicht. (…) Nach der Urteilsverkündung konnte man überall lesen, dass es in Zukunft keine Sanktionen mehr geben darf, die eine Absenkung des Existenzminimums um mehr als 30 Prozent überschreiten. Und dass die Betroffenen auch nicht mehr schematisch für drei Monate bestraft werden dürfen. Auch müssen die Jobcenter „Härtefälle“ berücksichtigen. Und jetzt wird man mit solchen Meldungen konfrontiert: »Hartz-IV-Beziehern sollte nach Auffassung mehrerer Arbeitsminister der Union auch künftig die Unterstützung komplett entzogen werden können, wenn sie nicht kooperieren.« (…) »Ein vollständiger Wegfall der Leistungen halte auch das Bundesverfassungsgericht im Extremfall für zulässig, betonten die Arbeitsminister aus NRW, Baden-Württemberg, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern in einer gemeinsamen Mitteilung.« Wie das? Kann das wirklich sein? (…) In vielen Berichten konnte man immer wieder lesen oder hören, dass Sanktionen über eine Kürzung von 30 Prozent der Regelleistungen hinaus nicht mehr zulässig seien, nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts.  Allerdings ist dem nicht so – und darauf wurde hier bereits am 6. November, also einen Tag nach der Urteilsverkündung hingewiesen (…) Vom „Überbau“ her gesehen sind zwei Begriffe von zentraler Bedeutung: Nachranggrundsatz und eine daraus abgeleitete Mitwirkungspflicht (…) Vor diesem Hintergrund sei in gewissen Grenzen auch eine Sanktionierung zulässig sei, solange sie die „in diesem Bereich geltenden strengen Maßstab der Verhältnismäßigkeit“ einhalten, was dann wiederum die Verfassungswidrigkeit einer 60- oder gar 100-Prozent-Sanktionierung erklärt. (…) Fazit: Eine Exegese des Urteils des BVerfG vom 5. November 2019 eröffnet tatsächlich die grundsätzliche Option einer auch über die immer wieder zitierte „Grenze“ von 30 Prozent-Kürzungen hinausreichende Sanktionierung. Genau das versuchen die zitierten Arbeitsminister aus einigen Bundesländern nun wieder auf das Spielfeld zu schießen. Fazit: Es wird am Ende eine politische Entscheidung sein, in welchem Ausmaß der Gesetzgeber die Sanktionen im SGB II begrenzt. Nicht helfen wird den Sanktionsgegnern wie dargelegt ein schlichter Verweis auf eine (angebliche) Verfassungswidrigkeit. Die kann man bei allen Restriktionen, die das Urteil dem Gesetzgeber als „Leitplanken“ mit auf den Weg gegeben hat, so nicht der Entscheidung entnehmen…“ Beitrag von Stefan Sell vom 3. Februar 2020 auf seiner Homepage externer Link
  • »Leistungsgedanken« à la Schröder. Hohe Hartz-IV-Sanktionen sind verfassungswidrig. Verantwortliche wollen sie dennoch erhalten
    „… Die jüngste Statistik zu den Vollsanktionen für den Monat September 2019, welche die Bundesagentur für Arbeit (BA) am 10. Januar veröffentlicht hatte, gibt noch einmal einen Überblick über die härtesten Strafen. Danach hatten Jobcenter an einem Stichtag des Monats 6.178 Hartz-IV-Bezieher auf Null gesetzt, knapp die Hälfte davon war jünger als 25 Jahre. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) muss das Gesetz nun ändern. Es bleibt abzuwarten, ob er und seine Regierungskollegen Hintertürchen in die Novelle einbauen werden, um das Existenzminimum über Umwege weiterhin schärfer kürzen zu können. Einige gibt es schon jetzt. (…) Einer, der die harten Strafen lange mitgetragen hat, ist Heinrich Alt. Von 2002 bis 2015 war er Vorstandschef der BA. Bis heute verteidigt er den Strafapparat. Am 30. Dezember sagte er dem »Redaktionsnetzwerk Deutschland« (RND): »Was das Bundesverfassungsgericht und das Arbeitsministerium jetzt aus Hartz IV machen, ist die bedingungslose Grundsicherung.« Wenn jemand keine Angst vor höheren Kürzungen als 30 Prozent haben müsse, brauche »er sich nicht mehr zu melden, nicht mehr zu kooperieren und bekommt 70 Prozent des Regelsatzes und die volle Miete bezahlt«. Andere gingen schließlich »brav zur Arbeit« und »finanzieren das alles«, polemisierte Alt. So sieht das auch Altkanzler Gerhard Schröder (SPD), unter dessen Regierung die Agenda 2010 inklusive Hartz IV eingeführt worden war. Am Silvestertag beharrte er gegenüber der Osnabrücker Zeitung auf harten Sanktionen: Man dürfe »Bedürftige nicht fördern, ohne zu fordern«, so Schröder. Was zähle, sei »der Leistungsgedanke«.Artikel von Susan Bonath in der jungen Welt vom 22.01.2020 externer Link (im Abo), siehe zum Hintergrund:

    • Hartz IV: So massiv sind die Kürzungen bei Sanktionen
      Wer bei Hartz IV gegen Regeln verstößt, dem wird Geld gestrichen. Zahlen der Bundesregierung zeigen, wie massiv die Kürzungen sind. Termine beim Jobcenter nicht eingehalten, Arbeitsangebote abgelehnt: Tausenden Hartz-IV-Empfängern werden Monat für Monat die Leistungen gekürzt. Teilweise müssen sie drastische Einbußen hinnehmen. Das zeigt eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken im Bundestag. Im Durchschnitt wurden im Jahr 2018 in jedem Monat etwa 132.000 der insgesamt 4,1 Millionen Leistungsberechtigten die Bezüge gekürzt. In der Regel fällt die Kürzung nach den Zahlen der Bundesregierung glimpflich aus – in 43 Prozent der Fälle geht es um weniger als zehn Prozent des Regelsatzes, also weniger als 41,60 Euro. Damals lag der Regelsatz bei 416 Euro. Aktuell sind es 432 Euro. Weiteren 38 Prozent hat das Jobcenter 2018 die Leistungen um bis zu 30 Prozent gekürzt. Jeder fünfte sanktionierte Hartz-IV-Empfänger musste dagegen nach gravierenden Regelverstößen empfindlichere Einbußen bei der Grundsicherung hinnehmen. In 19 Prozent der Fälle lag die Kürzung bei mehr als 30 Prozent des Regelsatzes. Aus der Regierungsantwort geht zudem hervor, dass die Leistungen bei rund 7000 Empfängern komplett gestrichen worden sind. Das passiert, wenn Empfänger die gemeinsam mit dem Jobcenter getroffene Vereinbarung zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt mehrfach in Folge nicht erfüllen…“ Meldung in der WAZ online vom 19.1.2020 externer Link
  • Nach dem Urteil des BVerfG ist Hartz IV eine „bedingungslose Grundsicherung“ geworden? Was für ein Unsinn 
    „Das nunmehr vergangene Jahr war im Bereich der Grundsicherung vor allem durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 5. November 2019 geprägt (…), bei dem es um einen Teil der Sanktionen innerhalb des Hartz IV-Regimes ging. (…) »Der frühere Bundesagentur-Vorstand Heinrich Alt übt harte Kritik an der Lockerung der Sanktionsregeln für Hartz-IV-Empfänger. Hartz IV sei inzwischen eine „bedingungslose Grundsicherung”. Das sei ungerecht gegenüber denjenigen, die jeden Morgen brav zur Arbeit gehen«, kann man diesem Artikel entnehmen (…) Eine „bedingungsloses Grundsicherung“? Was für ein Unsinn. Davon kann keine Rede sein. Warum? Ganz einfach deshalb, weil wir es mit einer „nicht-bedingungslosen“ Grundsicherung zu tun haben, die man gerade nicht verwechseln darf mit einem „bedingungslosen Grundeinkommen“ (und der Bezug darauf schwingt hier immer mit bei solchen falschen Einordnungen). Denn beim Arbeitslosengeld II und dem Sozialgeld nach SGB II handelt es sich um eine bedürftigkeitsabhängige Sozialhilfeleistung. Das Vorliegen einer definierten Bedürftigkeit ist Zugangsvoraussetzung in das Hilfesystem. (…) Und daraus resultieren für die Betroffenen umfangreiche Mitwirkungspflichten (beim Verfahren vor dem BVerfG ging es mit Blick auf einen Teil der Sanktionen um eine Verletzung eines Teils der Mitwirkungspflichten). Und die hier zentrale Mitwirkungspflicht, die staatlich definierte Bedürftigkeit nachzuweisen, bevor man Leistungen bekommen kann, ist nun keineswegs durch die Entscheidung des BVerfG vom 05.11.2019 aufgehoben worden. (…) Natürlich kennt der Herr Alt als nunmehr ehemaliges Vorstandsmitglied der Sozialbehörde BA diese rechtlichen Regelungen. Er will uns hier mit seinem Gerede von der „bedingungslosen“ Grundsicherung ganz offensichtlich hinter die Fichte führen. Es geht hier nicht oder weniger darum, dass erneut mal wieder Menschen unten gegen Menschen ganz unten in Stellung gebracht werden sollen. Offensichtlich betrübt den Mann die Tatsache, dass das BVerfG einen Teil der besonders harten Sanktionen gegenüber Hartz IV-Empfänger begrenzt hat. Beispielsweise die „100-Prozent-Sanktionen“, also den vollständigen Entzug von Hartz IV-Leistungen, die das Vorliegen von Bedürftigkeit voraussetzt, beispielsweise aufgrund von verhaltensbedingten Verletzungen eines Teils der Mitwirkungspflichten. Das führt im Ergebnis natürlich zu einer (teilweisen) Begrenzung der Durchgriffsmacht der Jobcenter, also einem „Machtverlust“ auf der strafenden Seite des Systems…“ Beitrag von Stefan Sell vom 1. Januar 2020 auf seiner Homepage externer Link
  • [Buch] Hartz IV: das Urteil – Der Kampf geht weiter! Ein ExistenzMINIMUM kann man nicht kürzen 
    Von Burkhard Tomm-Bub, M. A. ist am 22.11.2019 ein Book on Demand externer Link erschienen (Paperback, 92 Seiten, ISBN-13: 9783750421783, 4,49 € inkl. MwSt. / portofrei) mit folgernder Gliederung: 1) Das Sanktions-Urteil 2) Beraterische Konsequenzen 3) Analyse der Sanktionen – oder – Die Vernichtung des Hartz IV anhand von Fakten und Erkenntnissen unterschiedlicher Wissenschaften. 4) Konkreter Widerstand gegen Hartz IV. Taktiken und Strategien. 5) Unsere Ohrfeigen – Performance vor dem BVerfG am 05.11.2019 6) Hall Of Fame.
  • SGB II-Sanktionen: Neue Weisung der BA
    „… Nun gibt es die Weisung der BA, in der sie klipp und klar sagt: keine Leistungsminderung durch Sanktionen oberhalb 30 % des Regelbedarfes. Den ganzen Vorgang hat Inge Hannemann auf der Homepage von Tacheles e.V. dargestellt externer Link, am Ende des Textes gibt es die neuen Weisungen und eine Gegenüberstellung alte/neue Weisung, um die Änderungen nach unserer Intervention nachvollziehen zu können. (…)  Dann möchte ich neben den oben genannten grundsätzlichen Erwägungen des EuGH folgende Punkte anmerken:
    Das BVerfG sagt eine Leistungsminderung soll nicht erfolgen, wenn dies im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände zu einer „außergewöhnlichen Härte“ führen würde. Eine solche liegt insbesondere dann vor, wenn eine Minderung in der Gesamtbetrachtung des Einzelfalls untragbar erscheint. Diese liegt meines Erachtens an folgenden Punkten vor, wenn…“
    Aus dem Thomé Newsletter 44/2019 vom 09.12.2019 externer Link

  • Schulden an die Regionaldirektion oder sonstige Forderungseinzugsstellen getilgt werden
    Gibt das Jobcenter Forderungen wegen Aufhebung, Erstattungs- oder Kostenersatz oder Darlehen an den jeweiligen Forderungseinzug weiter und werden dort Ratenzahlungsvereinbarungen getroffen, werden diese Forderungen bei Nichteinhaltung einer vereinbarten Zahlung sofort in voller Höhe fällig. In der Folge fallen Zinsen, Mahngebühren und ggf. Vollstreckungskosten an. In diesem Fall liegt eine besondere Härte vor, was dazu führen muss, dass nicht sanktioniert werden darf. Ansonsten würde das Existenzminimum deutlich unterschritten werden.
  • Bundesagentur für Arbeit korrigiert nach einem Leak den Entwurf der neuen Sanktionsregelungen
    Das war schon ein starkes Stück, was sich die Bundesagentur für Arbeit (BA) und das Bundesarbeitsministerium geleistet haben. Obwohl das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Anfang November entschieden hat, dass Hartz-IV-Sanktionen über 30 Prozent „verfassungswidrig“ sind, sollen auch in Zukunft Kürzungen über 30 Prozent möglich sein. Das geht aus einem Entwurf der neuen fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit hervor, die zunächst vom Erwerbslosenverband Tacheles e.V. in Wuppertal geleakt wurden. Und die sind brisant. Auf der Webseite des Verbandes schreibt Tacheles: „Bundesagentur für Arbeit plant mit neuen Dienstanweisungen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Sanktionen zu unterlaufen!“ Das sitzt. (…)Nach der Veröffentlichung des Entwurfes musste die Bundesagentur für Arbeit und das Bundesarbeitsministerium umschwenken. Das fordert bereits schon das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5.11.2019. Es ist trotzdem erschreckend, wie versucht wurde, dieses Urteil mit Tricks zu umgehen.“ Beitrag von von Inge Hannemann vom 04.12.2019 bei Tacheles externer Link mit allen Dokumentien, siehe dazu auch:

    • BA und BMAS haben versucht, das Urteil des Verfassungsgerichts zu umgehen – und konnten dabei gestoppt werden
      BA und BMAS wollten mit einer neuen Weisung entgegen des Urteils des BVerfG wieder Sanktionen oberhalb von 30 % des Regelbedarfes durchsetzen. Diese Umgehung sollte mit einer Addierung der 30 % Sanktionen wegen Pflichtverstößen und 10 % wegen Meldeversäumnissen erfolgen. Die Argumentation der Verantwortlichen war: da das BVerfG diese Addierung nicht explizit untersagt habe, sei sie zulässig und wenn sie zulässig ist, und wenn wir es nicht untersagt bekommen, dann machen wir es auch. Tacheles hatte dieses Projekt am Mittwoch bekannt gemacht und Alarm geschlagen, die Weisungsentwürfe veröffentlicht und die Medien und interessierte Öffentlichkeit auf diesen Versuch der Aushebelung der Begrenzung von Sanktionen aufmerksam gemacht. Herr Heil, als zuständiger Minister ist dann sofort zurückgerudert, hat was von „Missverständnissen“ erzählt und eigentlich für das Wochenende  eine neue Weisung ohne Missverständnisse angekündigt, die doch noch nicht ergangen ist. So jetzt nochmal zusammengefasst: dieser Kampf ist gewonnen, das Projekt Sanktionen oberhalb 30 % durchzusetzen, ist für das BMAS und die BA erstmal gescheitert. Wir sind schon gespannt darauf, was sich die BA und das BMAS das nächste Mal ausdenken, um das Sanktionsregime nun wieder durchzuziehen oder ob sie es mal sein lassen und im Lichte des Urteils des BVerfG wirklich mal an geeigneten Weisungen arbeiten, die nicht nur darauf abstellen mit juristischer Winkelakrobatik die maximal mögliche Existenzvernichtung der ALG II-Beziehenden jederzeit und immer durchsetzen zu können…“ Aus dem Thomé Newsletter 43/2019 vom 01.12.2019 externer Link
  • [Gemeinsame Erklärung] Arbeitslose fördern statt ins Existenzminimum eingreifen
    „In einer gemeinsamen Erklärung fordern die Arbeiterwohlfahrt, die Diakonie Deutschland und der Paritätische Wohlfahrtsverband gemeinsam mit weiteren Partnern, Verbänden, und Organisationen wie Tacheles, die bestehenden Sanktionsregelungen im Hartz-IV-System aufzuheben und ein menschenwürdiges System der Förderung und Unterstützung einzuführen. Anlass ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2019, nach dem die Sanktionen nur teilweise verfassungswidrig sind. Die Unterzeichnenden sind sich einig: Es darf keine Kürzungen am Existenzminimum geben. Durch Sanktionen werde das Lebensnotwendige gekürzt und soziale Teilhabe unmöglich gemacht. Die Politik ist schon lange in der Verantwortung, das Hartz-IV-System so zu ändern, dass die Würde der Leistungsbezieher geachtet und nicht durch Sanktionen beeinträchtigt wird.“ Gemeinsame Erklärung vom 5. November 2019 externer Link – wir danken Harald Thomé für den Hinweis
  • Bundesagentur für Arbeit plant mit neuen Dienstanweisungen, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Sanktionen zu unterlaufen! 
    Die BA möchte entgegen des Urteils des BVerfG wieder Sanktionen oberhalb von 30 % des Regelbedarfes durchsetzen. Wir erlauben uns deshalb die dahingehenden  internen Weisungen im Entwurfsstadium  zu veröffentlichen um dieses Kalkül offenzulegen. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) überarbeitet derzeit ihre Dienstanweisungen zu den Sanktionen im SGB II. Das wurde nötig, weil das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Urteil vom 5. November 2019 die Hartz-IV-Sanktionen für verfassungswidrig erklärt hatte. Dem Verein Tacheles, der bei dem Sanktionsverfahren als sachverständiger Dritter beteiligt war, liegen nun die Entwürfe der geplanten Änderungen vor und diese sind erschreckend. Die BA versucht nach Ansicht des Vereins die Entscheidung des BVerfG durch ihre Weisungen zu umgehen. Die Dienstanweisungen sind für alle Jobcenter in sogenannten gemeinsamen Einrichtungen verbindlich, auch die Jobcenter in Optionskommunen orientierten sich in der Regel an diesen Vorgaben. (…)Die BA plant nun, Sanktionen wegen Pflichtverletzungen (30 %) und Sanktionen wegen Meldeversäumnissen (10 %) gegebenenfalls zu addieren (Quelle: Rz 31.34, Rz 32.4a Weisungsentwurf). Durch eine solche Addition würde eine wesentliche Vorgabe des BVerfG missachtet, weil bei zeitlichem Zusammentreffen von mehreren Sanktionen das 30-Prozent-Limit überschritten würde. (Hintergrundinformationen in der Anmerkung) Zudem hat das BVerfG ausdrücklich erklärt, dass bezüglich der Gewährung von Sachleistungen und Wertgutscheinen erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel bestehen, da kein verbindlicher Anspruch auf diese Ergänzungsleistungen besteht und diese auch der Höhe nach nicht konkret quantifiziert sind. Nun sieht der Entwurf der neuen Weisung vor, dass solche Sachleistungen und Wertgutscheine weiterhin möglich sein sollen. Sie sind vorgesehen, wenn die Leistungen infolge des Zusammentreffens mehrerer Sanktionen um 50 Prozent und mehr gekürzt werden. (Quelle: Rz 31.37). Auch mit dieser Weisung stellt sich die BA gegen die Vorgaben des BVerfG. Schließlich bleibt im vorliegenden Weisungsentwurf auch der Umstand unberücksichtigt, dass bei vielen Leistungsbeziehenden die tatsächlichen Unterkunftskosten nicht anerkannt werden. Diese müssen einen Teil der Unterkunftskosten aus dem Regelsatz finanzieren. In solchen Fällen ist die Wohnung bei Sanktionen von 30 Prozent und mehr akut gefährdet, was bei einer Entscheidung über Leistungskürzungen zwingend zu beachten wäre. In dem Weisungsentwurf wird dieser Aspekt bei der Prüfung, ob ein Härtefall vorliegt, jedoch nicht einmal erwähnt. „Die BA will mit den geplanten Weisungen, die vom Verfassungsgericht auf 30 Prozent begrenzten Sanktionen aushebeln. Tacheles verurteilt diesen Versuch, Leistungskürzungen in das unverfügbare Existenzminimum hinein aufrecht zu erhalten, auf das Schärfste. Deshalb schlagen wir Alarm und fordern die BA auf, sich an die Vorgaben des BVerfG zu halten und diese zeitnah mit Augenmaß umzusetzen“, so Harald Thomé vom Erwerbslosenverein Tacheles…“ Tacheles-Mitteilung vom 27.11.2019 externer Link mit den Weisungsentwürfen der BA in Abstimmung mit dem BMAS zum Download. Siehe dazu:

    • ver.di zu Hartz-IV-Sanktionen: Existenzminimum darf nicht angetastet werden
      Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) fordert den Gesetzgeber auf, dafür zu sorgen, dass das Existenzminimum künftig komplett frei von Maßregelungen bleibt. „Betroffene brauchen Unterstützung und keine Sanktionen“, bekräftigte der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke am Mittwoch. Zuvor war berichtet worden, dass die Bundesagentur für Arbeit und das Bundesministerium für Arbeit (BMAS) an einer internen Weisung arbeiten, die die kürzlich vom Bundesverfassungsgericht gezogene Grenze bei Sanktionen im Sozialgesetzbuch II (SGB II) über 30 Prozent hinaus erweitern könnte. Das BMAS will einer Mitteilung zufolge sicherstellen, dass die rote Linie des Bundesverfassungsgerichts zu den Sanktionen nicht überschritten wird, was ver.di zwar grundsätzlich begrüße. Das reiche jedoch nicht aus, betonte Werneke: „Vor allem müssen die bestehenden Regelungen aufgehoben und durch ein menschenwürdiges und verfassungskonformes System ersetzt werden. Das Sozialstaatsgebot und die Menschenrechtsartikel im Grundgesetz geben eindeutig vor, dass das sogenannte soziokulturelle Existenzminimum überhaupt nicht sanktioniert werden darf“, stellte der ver.di-Vorsitzende klar…“ ver.di-PM vom 27.11.2019 externer Link
  • Hartz-IV-Urteil: Bundesagentur kassiert Sanktionsbescheide für alle 
    „… Nach dem Hartz-IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat die Bundesagentur für Arbeit Sanktionen auch gegen Betroffene unter 25 Jahren ausgesetzt. „Wir verschicken derzeit keine Sanktionsbescheide“, sagte Arbeitsagentur-Chef Detlef Scheele den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Den Jobcentern sei mitgeteilt worden, dass die vom Gericht angemahnte Änderung der Sanktionspraxis auch für junge Arbeitslose gelte. (…) Neue Bescheide zu Sanktionen würden derzeit nicht versendet, sagte Scheele. „Arbeitslose, die aktuell mit Abzügen von 60 oder 100 Prozent sanktioniert werden, bekommen ihre Sanktionen auf 30 Prozent reduziert.“ Bis Ende November solle eine rechtlich verbindliche Übergangslösung geschaffen werden, die bis zur für kommendes Jahr angestrebten gesetzlichen Neuregelung gelte. (…) Das Deutsche Kinderhilfswerk forderte, Sanktionen für Familien mit Kindern komplett abzuschaffen. „Bundesregierung und Bundestag sollten das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von letzter Woche zum Anlass nehmen, die bisherige Hartz-IV-Mithaftung von Kindern für ihre Eltern zu beenden“, erklärte Bundesgeschäftsführer Holger Hofmann am Donnerstag. „Die schlichte Umsetzung des Karlsruher Urteils ist aus Sicht von Familien mit Kindern zu wenig“, erklärte er. „Kinder leiden unter jeder Kürzung der Hartz-IV-Leistungen, denn schon der normale Hartz-IV-Regelsatz von Kindern entspricht nicht dem notwendigen soziokulturellen Existenzminimum.“ Jede Kürzung sei somit eine „außergewöhnliche Härte für die Kinder“…“ Meldung vom 14. November 2019 beim Spiegel online externer Link
  • Tacheles e.V.: Folgen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Sanktionen
    Wir fassen mit diesem Papier die relevanten unmittelbaren zu beachtenden Folgen und Ergebnisse, die sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu den Sanktionen vom 05. Novem-ber 2019 – 1 BvL 7/16 ergeben, zusammen…“ Hinweise vom 10.11.2019 externer Link und ein Beratungsinfoblatt externer Link
  • Die interne vorläufige Weisung der BA und des BMAS zu Sanktionen vom 6.11.2019
    Öffentlich wird gesagt, keine Sanktionen für U – 25’er (Scheele im DLF 07.11.), hier wird gesagt, das BVerfG hat darüber gar nicht entschieden. Jetzt mal Klartext, es ist ein sofortiges SANKTIONSMORATORIUM durchzuführen. Es sollte jede Sanktion bis auf weiteres Ausgesetzt werden, dann muss zusätzlich geklärt werden, wie mit gekürzten KdU und Sanktionen umgegangen wird, wie mit der Daueraufrechnung nach § 43 SGB II umgegangen wird. Ziel, erstmal SECHS MONATE KOMPLETTES AUSSETZEN JEDER SANKTION, einschließlich der Aufrechnungen nach §§ 42a, 43 SGB II und Diskussion, unter Einbeziehung der Wohlfahrts- und Sozialverbände.“ Harald Thomé auf Fratzebuch samt Foto der Weisung externer Link

Siehe zur Vorgeschichte unser Dossier: Gericht bringt Hartz-IV-Sanktionen vor Verfassungsgericht

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=157074
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