NGOs: Wir stellen Strafanzeige! Zollkriminalamt ermittelt gegen FinFisher wegen illegalem Export des Staatstrojaners an Diktaturen auf der ganzen Welt

Dossier

Staatstrojaner stoppen! Verfassungsbeschwerde gegen den Staatstrojaner von Digitalcourage Der Staatstrojaner FinFisher wird in München entwickelt und in die ganze Welt verkauft. Für den Export braucht die Firma eine Genehmigung der Bundesregierung, die gab es aber noch nie. Deshalb haben wir zusammen mit anderen NGOs Strafanzeige gestellt. Jetzt ermittelt das Zollkriminalamt, es drohen fünf Jahre Haft. Ägypten, Äthiopien, Bahrain: Diktaturen auf der ganzen Welt setzen auf Überwachungstechnologie „made in Germany“. Der Staatstrojaner FinFisher oder FinSpy wird in München entwickelt und an Polizei und Geheimdienste in dutzenden Ländern verkauft, auch an das deutsche Bundeskriminalamt. Für den Export solcher Schadsoftware braucht FinFisher eine Genehmigung nach deutschen und europäischen Gesetzen. Die Bundesregierung hat aber keine solche Genehmigung erteilt. Der Export ohne Genehmigung ist eine Straftat. Deshalb haben wir Strafanzeige gegen die verantwortlichen Firmen und deren Geschäftsführer erstattet, die wir an dieser Stelle veröffentlichen externer Link. Gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte, Reporter ohne Grenzen und dem Europäischen Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte haben wir die 21-seitige Strafanzeige und einen acht-seitigen technischen Anhang verfasst und am 5. Juli bei der Staatsanwaltschaft München eingereicht. Jetzt laufen die Ermittlungen…“ Artikel von Andre Meister vom 04.09.2019 externer Link bei Netzpolitik externer Link (wg der Anzeige (s.u.) vom Netz genommen, siehe im web-Archiv externer Link) und nun die Reaktion:

  • Nach Pfändung insolvent: Staatstrojaner-Hersteller FinFisher „ist geschlossen und bleibt es auch“ New
    „… Der Münchener Staatstrojaner-Hersteller FinFisher ist offenbar am Ende. Die drei Firmen FinFisher GmbH, FinFisher Labs GmbH und raedarius m8 GmbH haben Insolvenz angemeldet, die Verfahren sind eröffnet. Der Geschäftsbetrieb ist eingestellt, das Büro ist aufgelöst, alle 22 Mitarbeiter sind entlassen. Das bestätigt der Insolvenzverwalter gegenüber netzpolitik.org (…) Jemand, der bis vor kurzem leitender Angestellter bei FinFisher war, bestätigt gegenüber netzpolitik.org: „FinFisher ist geschlossen und bleibt es auch. Ihr habt euer Ziel erreicht.“ Der weltbekannte Staatstrojaner aus Deutschland, den Reporter ohne Grenzen seit 2013 als Feind des Internets bezeichnet, ist am Ende. (…) FinFisher hat eine Staatstrojaner-Suite entwickelt und vertrieben, die es als „komplettes Portfolio des Hackens“ bewirbt. Kunden sind Polizeien und Geheimdienste auf der ganzen Welt, FinFisher wirbt mit dem Kampf gegen Kriminalität. Doch FinFisher steht selbst im Fokus der Ermittlungsbehörden. Staatsanwaltschaft und Zoll ermitteln gegen die Firmengruppe wegen des Verdachts, dass die Trojaner-Software „ohne die erforderliche Ausfuhrgenehmigung des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle ausgeführt worden sein könnte“, so die Staatsanwaltschaft. Anlass für die Maßnahmen ist unsere Strafanzeige, die wir 2019 gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte, Reporter ohne Grenzen und dem Europäischen Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte verfasst externer Link und eingereicht haben. FinFisher bestritt die Vorwürfe der Strafanzeige. (…) Das Ende der Firmen hat keine Auswirkungen auf die Ermittlungen. Die Staatsanwaltschaft bestätigt, dass das Ermittlungsverfahren weiter läuft und noch nicht abgeschlossen ist. Staatsanwaltschaft und Zoll werten die beschlagnahmten Dokumente aus und befragen Zeugen, darunter auch mehrere (ehemalige) Angestellte von FinFisher. Wenn die Ermittler genug Beweise für strafbares Handeln finden, bringen sie den Fall zur Anklage. „Wann das Ermittlungsverfahren abgeschlossen werden kann, ist derzeit noch nicht absehbar.“ Bis dahin gilt die Unschuldsvermutung…“ Beitrag von Andre Meister vom 28. März 2022 bei Netzpolitik.org externer Link mit erfreuten Reaktionen und Statements im Update – wir gratulieren!
  • Überwachungsfirma FinFisher geht mit Anwälten gegen die kritische Berichterstattung von Netzpolitik vor – Spendenaufruf! 
    Die Überwachungsindustrie schlägt zurück: Staatstrojaner-Firmen um FinFisher üben mit Anwälten Druck aus und versuchen, uns mit rechtlichen Drohungen einen Maulkorb zu verpassen. Dagegen wehren wir uns und brauchen Deine Unterstützung. Wegen unserer Berichterstattung über die Strafanzeige externer Link gegen die Hersteller des Staatstrojaners FinFisher externer Link haben wir Post von Anwälten der Kanzlei Schertz-Bergmann bekommen. Wir sollten eine Unterlassungserklärung unterschreiben. Das haben wir nicht getan. Dennoch droht uns für den Artikel weiterhin eine einstweilige Verfügung. Den betreffenden Artikel haben wir vorerst offline genommen. Unsere Anwälte bei JBB haben auf die Abmahnung geantwortet. Es geht um eine Strafanzeige, die wir zusammen mit Reporter ohne Grenzen, der Gesellschaft für Freiheitsrechte und dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) wegen des Verdachts des Exports einer Überwachungssoftware in die Türkei gestellt haben. Die Software wurde dort bei Personen aus der Opposition gefunden externer Link als getarnter Staatstrojaner im Gewand einer Android-App zur Vernetzung der Protestbewegung gegen den autoritären Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Die technische Analyse deutet daraufhin, dass es sich um Code von FinFisher/FinSpy handelt. Wie diese Software in die Türkei gelangt ist, muss geklärt werden. Ein direkter Export in die Türkei wäre nach den derzeitigen Regeln nämlich nicht ohne Weiteres zulässig. (…) Wir haben die Strafanzeige gemeinsam mit drei weiteren Organisationen eingereicht. Die Strafanzeige selbst ist von anderen Organisationen ebenfalls ins Netz gestellt worden. Darüber haben andere Medien exklusiv zusammen mit uns berichtet. Aber nur wir werden mit einer Abmahnung und weiteren angedrohten rechtlichen Schritten angegriffen. In weiteren Punkten werfen uns die Anwälte der Spionagesoftwarefirma falsche Tatsachenbehauptungen vor. Auch dieser Vorwurf ist unbegründet. Wir haben volles Vertrauen in die Arbeit der Ermittlungsbehörden, die unsere Schilderungen mit Fakten belegen wird. Wir müssen konstatieren: Das rechtliche Vorgehen gegen uns ist kein Zufall – wie kein anderes journalistisches Medium in Deutschland haben wir hartnäckig, ausführlich, kritisch und langanhaltend über FinFisher, seine Staatstrojaner und die Hintergründe berichtet – auch mit internationalem Fokus. Allein 84 Artikel mit Nennung von Finfisher finden sich in unserem Archiv. Wenn man uns nun den Mund verbietet, wird eine der lautesten Stimmen zum Thema Staatstrojaner zum Schweigen gebracht. Betroffen davon wären nicht nur wir und unsere Leser, sondern gleichzeitig die potentiellen Opfer der Spionagesoftware: Ohne die Neugier und den Druck von Journalisten fällt gar kein Licht mehr in die Keller der klandestinen Branche. (…) Die Gegenseite hat teure Medienanwälte auf ihrer Seite, bezahlt aus den Gewinnen einer Geschäftspraxis, die wir seit Jahren kritisieren und die in der Türkei zur Spionage gegen die größte Oppositionspartei CHP führte. Und der türkische Fall ist nur die Spitze des Eisbergs: Westliche Trojaner-Anbieter sind viel zu oft digitale Steigbügelhalter von Diktatoren rund um die Welt, die für ihre mit Hochglanzbroschüren beworbenen Produkte keine Verantwortung übernehmen müssen. Ihnen gehört nicht nur aus ethischen Überlegungen heraus das Handwerk gelegt, sondern gegen sie muss auch ermittelt werden, wenn sie gegen die ohnehin peinlich wenigen bestehenden Verbote verstoßen. Wir brauchen Deine Unterstützung…“ Beitrag von Markus Beckedahl vom 08.10.2019 bei Netzpolitik externer Link

    • wir empfehlen die Spenden-Seite von Netzpolitik externer Link oder einfache Überweisung:
      Kontoinhaber: netzpolitik.org e. V.
      IBAN: DE62430609671149278400
      BIC: GENODEM1GLS
      Verwendungszweck: Spende netzpolitik.org
    • Interview zur Finfisher-Abmahnung: „Die Community kann in solchen Rechtsstreitigkeiten ein Trumpf sein“
      Wir haben wegen unserer kritischen Berichterstattung über die Hersteller des Staatstrojaners FinFisher eine Abmahnung erhalten. Daniel Moßbrucker war Mitautor einer Studie zu präventiven Anwaltsstrategien gegenüber Medien. Wir haben mit ihm ein Interview geführt…“ Interview von Markus Beckedahl vom 08.10.2019 bei Netzpolitik externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=154007
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