Welche Gewalt nimmt zu? Die rassistische. Die antisemitische. Die patriarchale. Die homophobe. Die…

Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit e. V. für AntisemitismusAntisemitische Angriffe im öffentlichen Raum und in Gesprächen haben im Vergleich zur restlichen EU besonders in Deutschland in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Die EU-Grundrechteagentur FRA hat 2018 bei einer europaweiten Umfrage festgestellt, dass 52 Prozent der jüdischen Befragten in der BRD Belästigungen und Angriffen ausgesetzt waren. 41 Prozent gaben an, im letzten Jahr mindestens einmal eine antisemitische Erfahrung gemacht zu haben. Dies ist aber nur die Spitze des Eisberges, da die Dunkelziffer sehr hoch ist, weil in 77 Prozent der Fälle die Opfer antisemitischer Belästigungen weder der Polizei noch einer anderen Stelle melden. Nicht nur laute und vulgäre Pöbeleien und offensichtliche Gewalt sind bei der Erfassung von Antisemitismus von Bedeutung, sondern ebenfalls sprachliche Entgleisungen, subtile Anspielungen und Mikroaggressionen im Alltag. Ganz gleich, ob JüdInnen streng religiös, liberal oder nicht religiös sind, wie sie sich zur politischen Lage im Nahen Osten positionieren oder wie sie sich konkret verhalten – es trifft sie alle, da AntisemitInnen ein bestimmtes vorurteilsbeladenes Bild von JüdInnen haben…“ – aus dem Beitrag „Antisemitismus in Deutschland“ von Horst Blume am 07. Juni 2019 in der Graswurzelrevolution externer Link (Ausgabe 440). Siehe dazu drei weitere Beiträge zum bundesdeutschen Alltag rechter Gewalt:

  • „Worunter Sinti und Roma bis heute leiden“ von Lukas Welz am 23. August 2019 in der FR online externer Link zum gewalttätigen rassistischen Alltag unter anderem:„… Doch der Alltag vieler Sinti oder Roma wird nicht nur weiter von Diskriminierungserfahrungen sowie den langfristigen, über Generationen weitergegebenen Folgen der nationalsozialistischen Verfolgung geprägt. Die oft unterschwelligen und alltagsdominierenden Ausgrenzungen bestimmen das Selbstbild vieler und beeinträchtigen die freie Entfaltung. Ihre Abwertung kann auf jahrhundertealte Bilder und Vorurteile zurückgreifen. Antiziganistische Einstellungen sind bei einem Großteil der Menschen in Deutschland verwurzelt. Anders können wir uns die Zahlen der Leipziger Autoritarismusstudie von 2018 nicht erklären, der zufolge 56 Prozent der Befragten „ein Problem damit [hätten], wenn sich Sinti und Roma in [ihrer] Gegend aufhalten“. Bei den Betroffenen haben diese Erfahrungen existenzielle Auswirkungen. Sie umfassen alle Lebensbereiche und tragen zu einem Unsicherheitsgefühl bei. Eine Sintezza, die in den 1960er-Jahren nicht auf Klassenfahrt gelassen wird – denn Kinder weggeben hieß für die Mutter, die Auschwitz überlebt hat, sie würden ermordet werden. Ein Sinto, der in der Schule als „Zigeuner“ beschimpft wird, und niemand schreitet zu seiner Verteidigung ein. Eine Romnja, die trotz guter Schulabschlüsse bei der Bewerbung um einen Ausbildungsplatz von der Leiterin gefragt wird, wie sie nachweisen könne, dass sie nicht schon mal im Gefängnis war. Ein leitender Polizeibeamter, der auf einer öffentlichen Veranstaltung des Bundesinnenministeriums über Taschendiebstahl von Roma schwadroniert, die sich in „Verbrecher-Clans organisier[en]“ – all das sind keine Einzelfälle, wenn 81 Prozent der befragten Sinti oder Roma in einer 2011 angelegten Studie angaben, persönliche Diskriminierung erfahren zu haben...“
  • „Schläge, Tritte, fliegende Biergläser“ von Martin Niewendieck am 21. August 2019 in der Welt online externer Link zur (nicht nur) homophoben Gewalt – und das (nicht) nur in Berlin: „… Es sind nur zwei Fälle einer Serie von Übergriffen gegen Schwule, Lesben und Transpersonen in Berlin. Am vergangenen Sonntag wurde ein 22-Jähriger in der Hauptstadt homophob beleidigt und angegriffen. Stunden später wurden zwei Spaziergänger in Berlin-Mitte von einem Unbekannten geschlagen. Eine Woche zuvor wurde ein Mann im Drag-Outfit von zehn Personen bedrängt und beleidigt, dann geschlagen und mit einem Bierglas und einer kleinen Holzbank beworfen. Im Juni verprügelte ein Mann ein lesbisches Paar an einem Imbiss. Die Liste der Vorfälle in der Hauptstadt ist lang.  Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Berlin ist die Zahl der eingeleiteten Verfahren mit LGBTI-Bezug seit 2015 kontinuierlich gestiegen. Gab es 2015 noch 97 Verfahren, waren es 2018 insgesamt 261. Diese Zahlen bilden allerdings nicht die Taten ab, die entweder nicht zur Anzeige gebracht wurden oder unterhalb der Strafbarkeitsgrenze liegen. Bei der Polizei wurden 225 Straftaten im vergangenen Jahr angezeigt. Dem schwulen Anti-Gewalt-Projekt „Maneo“, das unter anderem ein „Überfall-Telefon“ für Betroffene betreibt, wurden 2018 382 Übergriffe gemeldet. Im Gespräch mit dem RBB wies „Maneo“-Chef Bastian Finke im Mai dieses Jahres auf Probleme bei der Erfassung hin. Es gebe Transpersonen, die erzählten, sie müssten jeden Tag eigentlich drei Fälle melden. Doch sie machten es nicht, „einfach aus Erschöpfung“...“
  • „Eine Tote täglich – in Deutschland“ von Christiane Röhrbein bereits am 10. Dezember 2017 in der Süddeutschen Zeitung online externer Link ist ein Leserinnenbrief zu einem SZ-Artikel, der dennoch die hochaktuelle Frage beantwortet, wo der gefährlichste Platz für eine Frau in der BRD ist – im eigenen Wohnzimmer: „Laut der Statistik des Bundeskriminalamts steigt die Zahl der Opfer von Gewalt in Partnerschaften seit fünf Jahren. 2016 wurden in Deutschland 357 Frauen von ihren Partnern oder Ex-Partnern getötet, also fast jeden Tag eine; circa 11 900 wurden lebensgefährlich verletzt. Diese Zahlen wundern mich nicht, denn in Deutschland wird das Thema von der Politik, der Gesellschaft und den Medien in einer Weise verharmlost und in den Bereich des Privaten abgeschoben, die beispiellos ist. Das beginnt schon bei der sprachlichen Leugnung des Phänomens: Wenn ein Mann seine Frau, Partnerin oder Ex-Partnerin umbringt, wird das in deutschen Zeitungen in der Regel auf der „Vermischten Seite“ neben allem möglichen Tratsch über Stars und Sternchen gebracht. Streng geschlechtsneutral ist dann von „häuslicher Gewalt“, „Beziehungstaten“ und „Familientragödien“ die Rede – gerade so, als würden genauso viele Frauen über ihre Männer herfallen wie umgekehrt. Eine derartige sprachliche Verschleierung und Abdrängung in einen Bereich, in dem das Opfer in den Augen vieler eine Mitverantwortung trägt, wäre anderswo nicht möglich…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=153580
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