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Die Jagd auf Flüchtlinge aus Syrien: Eine große Koalition quer durch die Türkei

Das Logo einer Flüchtlingsinitiative aus der TürkeiAuch die gegenwärtige Kampagne stehe im Zusammenhang mit den Bürgermeisterwahlen in Istanbul, die am 23. Juni wiederholt worden waren. „Die AKP hat sich nur für diesen Weg entschieden, nachdem sie zu der Auffassung gelangte, dass die Politik der offenen Tür für die Regierungspartei nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Verluste verursacht.“ Allerdings wurde die Kampagne gegen die Istanbuler Syrer*innen nicht nur von der AKP unterstützt. Der am 23. Juni siegreiche CHP-Kandidat Ekrem İmamoğlu hatte im April im Wahlkampf gesagt: „Wann und wie sollen die fast eine Million Syrer*innen in dieser Stadt wieder zurück in ihre Heimat gehen? Dafür werden wir vor Ort wegweisende politische Lösungen entwickeln. Unsere Praxis wird dabei helfen, die türkische Politik auf höchster Ebene zu gestalten.“ Nach dem Beschluss des Gouverneursamts betonte İmamoğlu in einem Interview mit dem türkischen Dienst der Deutschen Welle, die Zentralregierung habe das Thema dank seiner Initiative zur Priorität erklärt. Zwar wolle er sich für alle humanitären Belange der in Istanbul lebenden Geflüchteten einsetzen, doch das Vorgehen des Gouverneursamts sei notwendig und richtig: „Letztendlich müssen die syrischen Geflüchteten in diesem Land wieder in ihre eigene Heimat zurückkehren.“ Mehrere Vereine der türkischen Zivilgesellschaft riefen für den 27. Juli zu einer Kundgebung im Saraçhane-Park im Istanbuler Bezirk Fatih auf, um gegen die Razzien und Ausweisungen zu protestieren. Die meisten türkischen Medien kündigten an, „die Syrer“ wollten „auf die Straße gehen“. Als sich zum Kundgebungszeitpunkt eine Menschengruppe im Park einfand, traf sie nicht nur auf hohe Sicherheitsmaßnahmen, sondern auch auf Gegendemonstrant*innen...“ – aus dem Beitrag „Hufeisenkoalition in Istanbul“ von Meral Candan am 02. August 2019 in der taz gazete externer Link, worin auch sowohl die sozialen Dimensionen eines Flüchtlingslebens in der Türkei Thema sind, wie die Mobilisierungen per Lügenpropaganda in sozialen Medien, die nun wahrlich keine „türkische Spezialität“ sind… Siehe zu dieser Kampagne zwei weitere Beiträge und den Hinweis auf unseren ersten Beitrag:

  • „Istanbul: Rassistischer Angriff auf Solidaritätsaktion“ am 27. Juli 2019 bei der ANF externer Link berichtete zu dem Angriff auf die Solidaritätsaktion: „… Eine Kundgebung gegen die vom türkischen Innenministerium und dem Istanbuler Gouverneur beschlossene Abschiebung syrischer Schutzsuchender ist von Rassisten angegriffen worden. Zu der Kundgebung im Saraçhane-Park hatte ein Bündnis aus mehreren Vereinen aufgerufen. Es kam zu mehreren Festnahmen. Der Park wurde bereits im Vorfeld von der Polizei umstellt. Die Aktivist*innen des Bündnisses und Pressevertreter*innen wurden erst nach einer Ausweiskontrolle auf den Platz gelassen. Auf die Frage nach dem Grund für dieses willkürliche Vorgehen antworteten die Polizisten, dass sie den Zugang syrischer Flüchtlinge verhindern wollten. Auf der Kundgebung, an der auffällig viele Frauen teilnahmen, wurde ein Ende der Repression gegen Migrant*innen gefordert und gegen die Abschiebung von Schutzsuchenden aus Syrien protestiert. „Es sind keine Fremden, es sind unsere Geschwister“, stand auf einem Transparent. Ridvan Kaya, der Vorsitzende des Vereins Mazlum-Der, erklärte in einem Redebeitrag, dass die Ausweisung von Flüchtlingen, die nicht in Istanbul registriert sind, in andere Provinzen oder Lager keine Lösung sei. Er erinnerte an das Genfer Abkommen von 1951, das auch von der Türkei ratifiziert worden ist. Repressive Maßnahmen seien keine Lösung, hierfür müssten vielmehr entsprechend des internationalen Rechts und türkischer Regelungen zivilgesellschaftliche Organisationen einbezogen werden…“
  • „Was haben die Türken plötzlich gegen Syrer?“ von Michael Thumann am 31. Juli 2019 in der Zeit online externer Link zu den Ursachen der aktuellen „Wende“ unter anderem: „… Die harte Wende in der türkischen Flüchtlingspolitik hat vor allem einen Grund: die Wirtschaft. Sie schrumpft, während das Land unter 16 Prozent Inflation, hohen Zinsen und dramatischer Arbeitslosigkeit leidet. Längst ist die Depression im Alltag angekommen. Viele Türken finden, dass es nichts mehr an Flüchtlinge zu verteilen gibt. Eine Mehrheit hält wenig von der humanitären Pflicht, Syrer aufzunehmen. Und darauf reagieren jetzt die Politiker.  Sie machen sich zunutze, dass die Flüchtlinge in der Türkei nur zeitweilig als „Gäste“ registriert sind, wie Präsident Erdoğan betont. Sein Innenminister sagt, dass die Türkei Syrern helfe, die freiwillig nach Syrien zurückgehen wollten, „in sichere Gebiete“. Genau das aber ist Idlib, wo jetzt Flüchtlinge angekommen sind, nicht. Doch solche Argumente dringen kaum noch durch. In der Türkei kippt die Stimmung. Im Fernsehen wird darüber gelästert, dass Syrer für den Urlaub in ihre Heimat zurückkehren und zum Arbeiten nach Istanbul kommen. Die säkular-kemalistische Opposition verstärkt diese Stimmung. Der im Juni gewählte Bürgermeister von Istanbul, Ekrem Imamoğlu, beklagt, dass die Syrer den Türken Arbeit wegnehmen würden. Die Abschiebung von Syrern aus Istanbul sei notwendig. „Wir müssen die Interessen unseres Volkes schützen“, sagt der Held der türkischen Opposition...“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=152584
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