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Hetzjagd auf Flüchtlinge aus Syrien in Istanbul: Parteiübergreifend…

Das Logo einer Flüchtlingsinitiative aus der Türkei„… Die Menschen verlassen aus Angst vor einer Abschiebung das Haus nicht mehr, erläutert die Politikerin: „Direkt nach dieser Erklärung des Innenministers begann der Gouverneur von Istanbul eine regelrechte Hexenjagd auf Schutzsuchende. Zunächst wurden arabische Werbetafeln an Geschäften heruntergenommen und dann Razzien in den Läden durchgeführt. Es werden systematisch Personenkontrollen durchgeführt, so dass die Menschen, die Angst vor Abschiebung haben, das Haus praktisch nicht mehr verlassen können. Der Gouverneur hat erklärt, dass illegal eingereiste und straffällige Flüchtlinge abgeschoben werden und in anderen Provinzen als Istanbul registrierte Schutzsuchende bis zum 20. August Zeit hätten, dorthin zurückzukehren. Aber man beschränkt sich in der Praxis nicht darauf. Es existieren Berichte, dass Schutzsuchende dazu gezwungen werden, Erklärungen über ihre ‚freiwillige Ausreise‘ zu unterzeichnen. Obwohl es das internationale Recht verbietet, Personen gegen ihren Willen in Länder abzuschieben, in denen für sie Lebensgefahr besteht, werden sie zur Rückkehr gezwungen. Es werden Busse mit Schutzsuchenden, welche die Entscheidung zur Rückkehr ‚gefällt‘ haben, gefüllt; sie werden zunächst in Abschiebelager und dann über den Cilvegözü-Grenzübergang nach Idlib oder Efrîn geschickt. Wir kennen die flüchtlingsfeindliche Politik der AKP-MHP-Regierung. Sie versucht, ihre Wahlniederlage in Istanbul vor allem mit der Unzufriedenheit der Menschen über die Schutzsuchenden in Istanbul zu erklären und hat begonnen, eine noch feindlichere Politik gegenüber Schutzsuchenden ins Feld zu führen…“ – aus dem Beitrag „HDP: Hexenjagd auf Flüchtlinge hat begonnen“ am 24. Juli 2019 bei Politika externer Link zur Kritik der HDP an der Hetzjagd auf Menschen aus Syrien durch die türkische Regierung. Zur Anti-Flüchtlingspolitik in der Türkei, wer wie daran teilnimmt – und wer sich widersetzt – eine aktuelle Materialsammlung:

„Der Druck wächst“ von Jürgen Gottschlich am 24. Juli 2019 in der taz online externer Link zu dieser Entwicklung: „… Insbesondere in Istanbul verschärft der Staat die Suche nach illegalen Einwanderern – und will die nicht in der Stadt registrierten Geflüchteten in andere Provinzen bringen. Allein in den letzten zwei Wochen sind rund 6.000 Menschen ohne gültige Papiere in Istanbul festgenommen und abgeschoben oder in Lager in andere Provinzen gebracht worden, darunter knapp 3.000 Afghanen, die über die Grenze in den Iran abgeschoben wurden. Syrer ohne gültige Papiere sollen in ein Lager in der Provinz Hatay gebracht worden sein. Nach einer Verfügung des zuständigen Gouverneurs müssen alle syrischen Geflüchteten, die nicht in Istanbul registriert sind, die Stadt nun bis zum 20. August verlassen. Insgesamt sind in Istanbul 547.000 syrische Geflüchtete registriert. Tatsächlich sollen sich aber rund 300.000 mehr in der Stadt niedergelassen haben, die eigentlich andernorts gemeldet sind. Hintergrund dieser Maßnahmen dürfte sein, dass der Unmut gegenüber Geflüchteten in der türkischen Bevölkerung auch angesichts der Wirtschaftskrise im Land spürbar wächst. In Umfragen in den letzten Monaten werden die knapp vier Mil­lio­nen Geflüchteten immer häufiger als größtes Problem des Landes bezeichnet. (…) Regierungsnahe Zeitungen haben schon mal vorbeugend mögliche Kritiker aus der EU darauf hingewiesen, dass die Türkei bislang weit mehr Flüchtlinge aufgenommen hat, als die ganze EU zusammen. Trotz vereinzelter Ausfälle hat die Opposition es bislang auch vermieden, die Flüchtlingsfrage auszuschlachten…“ – wobei insbesondere die letzte Formulierung diplomatisch ist – wenn eine Opposition keine macht…

Repression gegen Syrer in Istanbul“ am 26. Juli 2019 in der jungen welt externer Link meldet unter anderem: „Parallel zu den Kriegsdrohungen gegen die Demokratische Föderation Nord- und Ostsyrien will die türkische Regierung geflüchtete Syrer aus der Metropole Istanbul ausweisen (jW berichtete). »Wenn sie sagen, dass sie nicht gehen wollen, müssen sie es trotzdem tun. Wir müssen eine Ordnung schaffen«, sagte der türkische Innenminister Süleyman Soylu am Mittwoch. Der Istanbuler Gouverneur hatte Syrern, die nicht in der Metropole gemeldet sind, am Montag eine Frist bis zum 20. August gesetzt, um die Stadt zu verlassen. Ansonsten werden sie demnach in die Provinz gebracht, in der sie gemeldet sind. Soylu wies zudem Gerüchte zurück, wonach die Flüchtlinge nach Syrien abgeschoben würden. »Wir haben nicht die Möglichkeit, Syrer, die unter temporärem Schutz stehen, zurückzuschicken«, sagte er. Sie würden in Lager gebracht…“

„Syrische Flüchtlinge aus Istanbul nach Efrîn gebracht“ am 24. Juli 2019 bei der ANF externer Link meldet: „… Auf Befehl des türkischen Innenministeriums wird in Istanbul nach dort unregistrierten Schutzsuchenden aus Syrien gefahndet, sie werden festgenommen und zur dortigen Ansiedlung nach Efrîn abgeschoben. Nach aktuellen Informationen hat eine Gruppe von hundert Menschen aus Syrien am Dienstagmorgen Efrîn erreicht. Unter den in vier Bussen Abgeschobenen befinden sich auch Kurd*innen. Der Gouverneur von Istanbul hat allen bis zum 22. Juli nicht in Istanbul registrierten syrischen Staatsbürgern eine Frist bis zum 20. August gegeben, die Stadt zu verlassen. Sie sollen auf Befehl des Innenministers in Provinzen gebracht werden, in denen sie registriert wurden. Allerdings werden offensichtlich viele unter dem Deckmantel der „freiwilligen Ausreise“ einfach nach Efrîn abgeschoben. Das passt zu der Aussage des türkischen Innenministers Soylu, dieses Jahr 80.000 Flüchtlinge aus Syrien abschieben zu wollen. Soylu hatte erneut den europäischen Regierungen gedroht: „Wenn wir die Grenze öffnen, dann werden die Regierungen keine sechs Monate überdauern.“ Gleichzeitig verkündete der türkische Außenminister, das Rücknahmeabkommen mit der EU, zentraler Bestandteil des EU-Türkei-Deals, sei ausgesetzt worden...“

„Turquie: des milices fascistes attaquent les magasins des réfugiés syriens, les slogans ultra-nationalistes petits-bourgeois font écho aux violences sectaires“ am 01. Juli 2019 beim Twitter-Kanal Conseils Ouvriers externer Link ist ein Videobericht vom „Echo“ auf die Attacken der Regierung – regelrechte Milizen, die syrische Geschäfte in Istanbul zerstören. Dieser „eigentliche Auftakt“ der aktuellen Aggressionswelle war so zustande gekommen, wie anderswo auch: Gerücht in die Welt gesetzt, ein Syrer habe ein junges Mädchen vergewaltigt – und dann kamen diese „jungen Männer“ aus anderen Stadtteilen zum Mordbrennen…

„As Turks clash with Syrians, a dangerous spark is lit in Istanbul“ von Omer Faruk Gorcin am 02. Juli 2019 im Middle East Eye externer Link ist ein Bericht über die „wachsende Konfrontation“, die zu Hetzjagden führt, der im Wesentlichen zahlreiche Aussagen von Betroffenen zitiert und auch türkischer Staatsbürger, die solche Jagden ablehnen (und darauf verweisen, das seien „keine Leute aus der Nachbarschaft“ gewesen) – und berichtet auch von der Kritik am Bürgermeister von Istanbul, der für die Horden Partei ergriffen habe, in dem er als Reaktion einen „Drei Stufen Plan“ für das „Flüchtlingsproblem“ vorstellte, dessen letzter Punkt lautet „Heimführen“. (In ein Land, in dem es kaum Möglichkeiten gibt, wirtschaftlich zu überleben…)

„How İmamoğlu betrayed Istanbul“ von David Lepeska am 03. Juli 2019 bei Ahvaz externer Link ist ein Betrag, der sich vor allem mit der Rolle des Bürgermeisters in dieser Situation befasst, der unter vielem anderen auch im Fernsehen kund gab, es gäbe zu viele arabische Schriftzeichen in Istanbul. In dem Beitrag wird auch über AktivistInnen berichtet, die sich dieser Kampagne entgegen stellen.

„Kein Schutz für afghanische Flüchtlinge in der Türkei„ am 09. Juli 2019 bei der ANF externer Link meldet, dass das ganze Vorgehen keineswegs nur Menschen aus Syrien betrifft: „… Vor allem Schutzsuchende aus Afghanistan unterliegen gleich einer mehrfachen Diskriminierung und werden häufig bis zu ihrer Abschiebung inhaftiert. Im Jahr 2018 haben 37.854 afghanische Flüchtlinge einen vorläufigen Aufenthaltstitel erhalten – kein Schutzsuchender aus Afghanistan erhielt allerdings eine langfristige Aufenthaltserlaubnis. Da die Türkei die Genfer Konvention nur mit regionalem Vorbehalt unterzeichnet hat, gibt es für fast alle Schutzsuchenden kein Recht auf Asyl. Sie haben in der Türkei weder das Recht zu arbeiten noch auf Grundversorgung oder Unterbringung. Der Vorsitzende des Hilfsvereins für Flüchtlinge aus Afghanistan (ARSA), Ali Hekmat, berichtet, dass sich Schutzsuchende aus Afghanistan als Illegalisierte durchschlagen müssen. Hekmat kritisierte insbesondere auch die Politik der „freiwilligen Rückkehr“ nach Afghanistan, welche Europa mit den REAG/GARP und dem ERRIN-Programm sowie die Türkei praktizieren, als unmenschlich. Im Rahmen dieser Programme wird den Menschen ein Arbeitsplatz in Afghanistan versprochen und „besonders vulnerable“ Schutzsuchende erhalten sogar noch eine Prämie. Aufgrund der Lebensbedingungen und der permanenten Abschiebedrohung kann weder in Europa und schon gar nicht in der Türkei von freiwilliger Rückkehr die Rede sein...“

„Les réfugiés syriens de plus en plus pris pour cibles en Turquie“ von Ercüment AKDENIZ und Neslihan KARYEMEZ am 19. Juli 2019 bei Europe Solidaire externer Link ist die Übersetzung eines Artikels aus Evrensel, einer Reportage über die Gegend der Ereignisse – das Mehmet Akif Viertel – am Tag danach, woraus vor allem die Furcht der Betroffenen vor einer jederzeit möglichen Wiederholung solcher Angriffe heraus ragt.

„Turkey has a ‚refugee policy problem‘ not a refugee problem“ von İhsan Çaralanam 24. Juli 2019 bei Evrensel externer Link ist ein Beitrag, der einerseits prinzipiell verteidigt, die Türkei habe kein Problem mit Flüchtlingen, sondern mit der Flüchtlingspolitik. Dass die Opposition nicht in der Lage (oder bereit) sei, eine Kritik der Regierungspolitik zu entwickeln und zu vertreten, so der Autor, liege vor allem daran, dass die nationalistischen Grundkonzepte – und damit auch die Syrienpolitik – von allen geteilt würden…

„Turkish State begun to deport Syrian refugees en masse back to the war zones in Syria and border cities“ von Mikail Firtinaci am 22. Juli 2019 bei libcom.org externer Link ist ein Beitrag, der diese reaktionäre Offensive über die „Grenzen Istanbuls hinaus“ zusammen fasst. Etwa: In Antalya der Erlass, die Flüchtlinge dürften den Strand nicht mehr vertreten. Auch hier regiert ein CHP Bürgermeister und auch in diesem Beitrag wird auf gemeinsame nationalistische Grundorientierung abgehoben…

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=152131
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