Arbeit 4.0: Methoden des 21. Jahrhunderts für Zustände des 19. Jahrhunderts

isw-report 106: Digitale Arbeit und Industrie 4.0„Arbeit 4.0“. Kaum ein Begriff, der so oft durch die Schlagzeilen gejagt wird. Und meistens sind es Bilder der Unabdingbarkeit, die an die Wand gemalt werden. Vorstellungen, an deren Ende die ach so behäbigen Gewerkschafter*innen aufgefordert werden, endlich einmal in der Wirklichkeit anzukommen und sich von sozialromantischen Forderungen zu verabschieden. Hinter „Arbeit 4.0“ lugt immer auch ein anderer Slogan hervor: „Seid doch flexibel!“ Jörg Flecker, Professor am Institut für Soziologie an der Universität Wien, wird bei solchen Zugängen nicht hellhörig. Er wird kämpferisch: „Es stimmt doch nicht: Technik folgt nicht einer ihr innewohnenden Logik. Technik wird gestaltet.“ (…) In der gegenwärtigen Diskussion um Digitalisierung wird oft so getan, als gäbe es diese Gestaltungsmöglichkeiten nicht. Uber oder Airbnb sind Beispiele dafür. Wenn die Gesellschaft bzw. die Regierungen nicht entscheiden, dann entscheiden eben die Firmen. Denn, so Flecker: „Die Macht zur Entscheidung eröffnet auch die Tür, Parameter zu seinen Gunsten zu verschieben. Es sieht momentan ganz danach aus, dass mit den Methoden des 21. Jahrhunderts die Arbeitswelt auf Zustände des 19. Jahrhunderts zurückgedreht werden soll.“ (…) Es ist also hoch an der Zeit, das Heft wieder in die Hand zu nehmen. Digitalisierung ist kein Naturereignis. In die Hand nehmen, ja. Aber wie? Noch einmal Jörg Flecker: „Digitalisierung kann gestaltet werden. Dieser Anspruch muss aufrecht bleiben. Digitalisierung ist nicht mehr als ein Mittel. Aber wir wollen zunächst einmal die Ziele diskutieren.“ Es ist nicht die Stunde der Ohnmacht angesichts des schier überwältigenden Tempos von Entwicklungen, es ist die Stunde der grundsätzlichen Fragen. Die bringen Gewerkschaften aufs Tapet, die muss sich die Gesellschaft stellen, und das hat seinen Niederschlag in der Politik und letztlich in der Gesetzgebung zu finden. (…) Was geht Menschen durch den Kopf, wenn sich die ärztliche Diagnose dem Computer unterordnet? Was spielt sich ab, wenn der Mensch die statistisch wahrscheinlichste Behandlung in den Wind schlägt? Welchen Preis hat der Mut, künstliche Intelligenz zu ignorieren? Und welche juristischen Folgen? Wir müssen nachdenken. Vordenken. Reden. Und zwar rasch!“ Beitrag von Michael Lohmeyer vom 18. Juli 2019 beim A&W-Blog externer Link

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