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Das türkische Regime bleibt bei seiner Politik: Kahlschlag an den Universitäten, Jagd auf kritische Berichterstattung

Turkey up in arms against Erdoğan!„… Genau das widerfuhr sowohl Baschkaja selbst als auch seinem ehemaligem Studenten Hakan Mertcan. Der ist einer der mehr als 2.200 Wissenschaftler, die im Januar 2016 den Friedensappell „Wir wollen nicht Teil dieses Verbrechens sein“ unterschrieben hatten. Anlass war das gewaltsame Vorgehen des Staates in den Kurdengebieten gegen die Zivilbevölkerung, unter massiven Menschenrechtsverletzungen und mit Hunderten Toten. Mertcan war Dozent an der Universität im südtürkischen Mersin, und unter seinen rund 500 Studenten waren nicht wenige radikal-nationalistische, es gab Morddrohungen. Aus einer Familie arabischer Alewiten stammend gehört er ohnehin zu einer unterdrückten Minderheit. Sein Arbeitsvertrag wurde nicht verlängert, und der Druck nahm nach dem Putschversuch im Juli 2016 noch weiter zu. Im Frühjahr 2017 wagte er die Flucht nach Deutschland, wo er bald ein Stipendium der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte antreten konnte. (…)Es mag sein, dass einige die günstige Gelegenheit nutzen werden, so vielleicht mit einem Karrieresprung auf einem Lehrstuhl im Heimatland zu landen. Trotzdem sprechen die Zahlen von ganz anderen Prioritäten: Während für 2019 der Etat der Religionsbehörde Diyanet mit ihren gut 123.000 Mitarbeitern um 36 Prozent erhöht wurde, musste das Wissenschaftsministerium Kürzungen um 56 Prozent hinnehmen. Dabei hält sich im Schanghai-Ranking der weltweit 500 besten Universitäten einzig noch die Universität Istanbul, seit 2016 in der Wertung aber tendenziell absteigend. Der Iran mit zwei und Saudi-Arabien mit vier Universitäten schneiden weit besser ab…“ – aus dem Beitrag „„Kurz vor dem Kollaps“ von Eva Maria Brandstädter am 08. Juli 2019 in der taz online externer Link über die politisch begründete Krise der Universitäten der Türkei. Siehe zur aktuellen Situation auch zwei Beiträge über die Verfolgung von JournalistInnen und deren Gegenwehr:

  • „Journalistenverfolgung hält unvermindert an“ am 16. Juli 2019 bei Reporter ohne Grenzen externer Link unterstreicht unter anderem: „Reporter ohne Grenzen (ROG) kritisiert den unverminderten Druck, den Justiz und regierungsnahe Stellen in der Türkei auf Medienschaffende ausüben. In dieser Woche müssen sich in Istanbul eine ganze Reihe von Journalistinnen und Journalisten vor Gericht verantworten, darunter auch der Türkei-Korrespondent von Reporter ohne Grenzen, Erol Önderoglu. Anfang des Monats hatte das oberste Berufungsgericht die lebenslangen Haftstrafen gegen die Medienschaffenden Ahmet Altan und Nazli Ilicak aufgehoben, Freilassungen aber abgelehnt. „Die anstehenden Gerichtstermine führen erneut die Härte und Willkür vor Augen, mit denen die türkische Justiz gegen kritische Stimmen und unabhängig Berichterstattende vorgeht“, sagte ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske. „Jede Woche stehen in der Türkei Medienschaffende vor Gericht, die nur ihre Arbeit getan haben. Vermeintliche Beweise für Terrorpropaganda oder Mitgliedschaft in einer Terrorvereinigung sind an den Haaren herbeigezogen. Wir fordern Freisprüche für alle Medienschaffenden, die vor Gericht stehen, und die Freilassung aller wegen ihrer Arbeit inhaftierten Journalistinnen und Journalisten.“ Am morgigen Mittwoch geht der Prozess gegen den langjährigen Türkei-Korrespondenten von Reporter ohne Grenzen, Erol Önderoglu, weiter. Bei der Verhandlung (Beginn: 10 Uhr Ortszeit / 9 Uhr MESZ) wird nach fast dreijährigem Prozess ein Urteil erwartet…“
  • „Journalisten zeigen AKP-Thinktank SETA an“ am 10. Juli 2019 bei der ANF externer Link über die Gegenwehr der „zum Abschuss freigegebenen“ Journalistinnen und Journalisten gegen die AKP-Fanatiker: „Der AKP-Thinktank SETA (Stiftung für Recherchen zu Politik, Wirtschaft und Gesellschaft) ist vom Journalistischen Solidaritätsnetzwerk GDA angezeigt worden. Die Stiftung hat in einer Studie Journalistinnen und Journalisten diffamiert und kriminalisiert, die für ausländische Medien arbeiten. Das GDA erklärte dazu: „Wir werden um jeden Preis weiter die Wahrheit berichten.“ Der auch in Deutschland vertretene Thinktank hatte in seiner Studie Journalist*innen der Deutsche Welle, BBC und vielen anderen Medienorgen systematisch diffamiert und ihnen „mangelnde Unterstützung im Kampf gegen den Terror“ vorgeworfen. So wertete SETA es bereits als inkriminierend, wenn Medien die YPG nicht als terroristisch bezeichneten oder die Besatzung Efrîns durch das AKP-Regime als solche kennzeichneten. Die Mitglieder der GDA haben sich vor der Staatsanwaltschaft in Istanbul versammelt und eine Pressekonferenz abgehalten. Sie erklärten: „Wir klagen im Namen des Journalismus an!“ Die Journalist*innen sehen sich durch SETA zum Ziel von Repression und möglichen extralegalen Hinrichtungen gemacht und bezeichnen den Report treffend als „Angriff auf die Pressefreiheit“. Für den Bericht wurden systematisch Twitteraccounts von Journalist*innen nach AKP-kritischen Äußerungen durchsucht und so die Journalist*innen wahlweise oder gleichzeitig mit PKK und Fethullah Gülen in Verbindung gebracht…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=151706
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