Kontinuitäten der Bundesanwaltschaft: Personell und politisch reichlich braun – und die Anwälte?

Dossier

Nix gelernt? Rechten Terror und Rassimus bekämpfen!„… Die NSDAP, so wurde kolportiert, habe Fränkels Beförderung zum Landgerichtsdirektor hintertrieben. Er sei zum Bundesanwalt „hervorragend geeignet und geradezu prädestiniert“, warb der Behördenchef. Mit Erfolg: 1951 wurde Fränkel zum Bundesanwalt gewählt. Elf Jahre später stieg Fränkel zum Generalbundesanwalt auf – und wurde nach wenigen Monaten aus dem Amt gefegt, nachdem die Öffentlichkeit erfahren hatte, mit welch großem Ehrgeiz er einst bei der Reichsanwaltschaft der Nazis auf Todesurteile hingewirkt hatte. (…) Die Causa Fränkel ist zwar das augenfälligste Beispiel für Kontinuitäten von der NS-Zeit zur Bundesanwaltschaft, die 1953 unter ihren 28 Mitarbeitern immerhin 22 ehemalige NSDAP-Mitglieder zählte. Natürlich war längst nicht jeder so belastet wie Fränkel. (…) Andererseits lässt sich am Fall Fränkel schon illustrieren, welchen Geist NS-belastete Ermittler in eine Behörde tragen konnten, die immerhin für das politisch heikle Feld des Staatsschutzes zuständig war…“ – aus dem Artikel „Braune Kontinuität in Karlsruhe“ von Wolfgang Janisch am 04. Juli 2019 in der SZ online externer Link über entsprechende Forschungen zur Geschichte dieser ganz speziellen Behörde. Siehe dazu:

  • Szene-Anwälte, Reichsbürger- und Rechtspopulisten – Tatenlos und ohnmächtig gegen Systemfeinde in Robe New
    • Szene-Anwälte, Reichsbürger- und Rechtspopulisten: Wenn Hitler im Gerichtssaal beschworen wird
      „Auch in der Anwaltschaft findet sich rechtsextremistisches Gedankengut. Das zeigt sich in den Gerichtssälen der Republik, aber auch andernorts. (…) Letzter Verhandlungstag im Prozess gegen die Rechtsterroristin Susanne G. wegen Vorbereitung von Brandanschlägen vor dem Oberlandesgericht (OLG) München im Sommer 2021: In seinem Plädoyer lässt Verteidiger Wolfram Nahrath die Maske fallen und offenbart, worum es ihm in der Verteidigung auch ging. Er beruft sich ausführlich auf Adolf Hitler und Joseph Goebbels, die erklärt hätten, dass die nationalsozialistische Partei „jede Ungesetzlichkeit“ untersage. „Jede Gewalttat gegen den Staat verbietet sie, bekämpft aufs Schärfste das politische Attentat“, zitierte Nahrath Hitler. Damit wollte er anscheinend sagen, dass Anhänger Hitlers keine Anschläge auf Politiker planen, wie sie Susanne G. vorgeworfen wurden. Ins Verteidigungskonzept Nahraths passte offenbar auch ein Satz von Goebbels: „Deutschland ist aus ehrlichstem Herzen bereit, am Frieden mitzuwirken.“ Die Zitate von Nazi-Größen waren kein Zufall: Nahrath war in seiner Jugend Vorsitzender der rechtsextremen Wiking-Jugend, bis diese verboten wurde. (…) Die angeführten Ausschnitte aus einer Gerichtsreportage der Süddeutschen Zeitung verstören. Woher nimmt ein Anwalt die Chuzpe, sich in einem Schlussvortrag auf die Spitzen des Nazi-Regimes zu berufen? Vielleicht auch, weil er das bisher folgenlos tun konnte? Nahraths braune Provokationen werfen zwei Fragen auf: In welchem Umfang haben Rechtspopulismus und Rechtextremismus in der deutschen Anwaltschaft Fuß gefasst? Und wie haben die Rechtsanwaltskammern, denen die Berufsaufsicht obliegt, auf diese Herausforderungen bisher reagiert? Bei radikal rechten Anwälten sind drei Gruppen zu unterscheiden: Szene-Anwälte mit rechtsextremistischem Hintergrund, Reichsbürger-Rechtsvertreter und rechtspopulistische Rechtsbeistände mit Verbindungen zur AfD, Pegida oder Querdenkern. (…) Szene-Anwälte unterscheiden sich von anderen rechten Rechtsvertretern dadurch, dass sie in rechtsextremen Gruppen, Neonazi-Bands oder in Parteien wie „Die Rechte“, „Der Dritte Weg“ oder in der NPD sozialisiert wurden und dort entweder weiter aktiv sind oder bis heute Mandate aus dem Milieu übernehmen. Bei der Vernehmung von Zeugen, Beweisanträgen und Plädoyers verfolgen Szene-Anwälte eine Doppelstrategie: Sie versuchen Täter als Opfer darzustellen und nutzen den Gerichtssaal als Bühne, um ihre Ideologie zu verbreiten, etwa den Zweiten Weltkrieg als Verteidigungskrieg umzudeuten oder den Nationalsozialismus als friedfertig zu verfälschen. (…) Die größte Gruppe „rechter Anwälte“ bilden rechtspopulistische Anwälte mit Verbindungen zur AfD, Pegida oder Querdenkern. Sie fallen öffentlich vor allem auf, wenn sie in die Politik streben und Mandate in Landtagen und im Bundestag erlangen wollen. Zwölf Prozent der AfD-Bundestagsabgeordneten sind Anwälte. (…) Wie reagieren die Rechtsanwaltskammern auf solche Auswüchse?…“ Teil 1 des Gastbeitrags von Joachim Wagner vom 6. September 2022 bei Legal Tribune Online externer Link
    • LTO-Kammerumfrage zu radikal rechten Anwälten: Tatenlos und ohnmächtig gegen Systemfeinde in Robe
      „Sind Weltbilder und Aktivitäten von radikal rechten Anwälten mit ihrer Rolle als „Organ der Rechtspflege“ vereinbar? Eine LTO-Umfrage zeigt: Die meisten Rechtsanwaltskammern zeigen in dieser Frage noch nicht einmal Problembewusstsein. (…) Für berufsrechtliche Sanktionen sind in Deutschland die Rechtsanwaltskammern zuständig. (…) Doch reagieren die Rechtsanwaltskammern überhaupt auf radikal rechte oder rechtsextremistische Anwälte? (…) Um die Praxis der Aufsichtsorgane zu erkunden, hat LTO einen umfassenden Fragebogen an die Bundesrechtsanwaltskammer und die 28 Rechtsanwaltskammern in den Oberlandesgerichtsbezirken verschickt. Im Kammerfragebogen wurden zehn Fragen gestellt, unter anderem nach Beschwerden/Anzeigen gegen radikal rechte Anwälte, nach verweigerten und widerrufenen Zulassungen, berufsrechtlichen Verfahren, nach dem Spannungsverhältnis zwischen den Werten eines „freien und unabhängigen Organs der Rechtspflege“und der „Freiheit der Advokatur“ sowie der Praxistauglichkeit von Vorschriften. Mit 46 Prozent war der Rücklauf der Antwortbögen von den Kammern nur mäßig – trotz großzügiger Fristverlängerung. Wegen der Schweigepflicht verweigern fast alle Kammern Kommentare zu Einzelfällen. Ins Auge springt, dass die Mehrzahl der Standesvertretungen bei berufs- und rechtspolitischen Fragen Wertungen vermeidet. (…) Nach der LTO-Umfrage haben die Kammern in den letzten zehn Jahren keinem rechtsextremistischen Bewerber eine Zulassung verwehrt, weil er die „freiheitliche demokratische Grundordnung in strafbarer Weise bekämpft“ (§ 7 Abs 1 Nr. 6 BRAO).  (…) Einen Fingerzeig gibt die Entstehungsgeschichte der Vorschrift des § 7 BRAO, die die Versagung der Zulassung regelt. Der erste Gesetzentwurf zur Bundesrechtsanwaltsordnung hatte zunächst schärfer formuliert. Er bezweckte den „Rechtsstaat davor zu schützen, dass sich jemand Zugang zu Rechtsanwaltschaft verschafft, um diese Stellung zum Kampf gegen die demokratische Freiheit auszunützen“(…) Einen weiteren Fingerzeig gibt eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus dem Jahr 1983. Es hat damals entschieden, dass die Klausel „in strafbarer Weise“ abschließend zu verstehen sei und politisches Engagement nicht beim Ausschlussgrund der Unwürdigkeit berücksichtigt werden solle (BVerfG v. 08.03.1983 Az. 1 BvR 1078/80, NJW 83, 1535). (…) Hintergrund der Entscheidung war die Mitgliedschaft eines Assessors in einer kommunistischen Partei. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte zuvor die Auffassung vertreten, dass das Eintreten für eine verfassungsfeindliche Organisation einen Anwalt „unwürdig“ nach § 7 Nr. 5 BRAO machen könne, auch wenn keine Bekämpfung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung „in strafbarer Weise“ vorliege. Das Bundesverfassungsgericht hob die Entscheidung auf. Ausschlaggebend für das Gericht war das „Leitbild der freien Advokatur“, das eine „staatliche Kontrolle und Bevormundung prinzipiell ausschließt“. (…) Diese liberale Reglung der Zulassungsvoraussetzungen hat jedoch Schattenseiten: Durch den einschränkenden Zusatz „in strafbarer Weise“ hat § 7 BRAO in der Praxis bei der Zulassung extremistischer Anwälte jegliche Sperrwirkung auch gegen rechtsextremistische Ideologen verloren. Die Anwaltschaft ist zu einem Auffangbecken für rechtspopulistische und rechtsextreme Juristen geworden, die wegen ihrer Vita kaum berufliche Alternativen im Staatsdienst haben…“ Teil 2 des Gastbeitrags von Joachim Wagner vom 7. September 2022 bei Legal Tribune Online externer Link
  • Bundesanwaltschaft nach dem Krieg: Von Alt-Nazis geprägt 
    Wissenschaftler haben die Geschichte der Bundesanwaltschaft untersucht. Ergebnis: Bis in die 1970er-Jahre hinein gehörten führende Mitarbeiter einst der NSDAP an. Nach 1945 – das ist bekannt – war die deutsche Justiz im Nachkriegsdeutschland stark von ehemaligen Nazi-Juristen durchsetzt. Doch das wahre Ausmaß kommt erst jetzt schrittweise ans Licht der Öffentlichkeit. Besonders stark war die NS-Belastung bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe, so das Ergebnis einer umfangreichen Studie, die Generalbundesanwalt Peter Frank 2018 in Auftrag gegeben hatte. Sie beleuchtet die Zeitspanne von 1950 bis 1974 in der Behörde. In den 1950er-Jahren gab es besonders viele Mitarbeiter im höheren Dienst, die der NSDAP angehört hatten. Ihr Anteil lag damals bei etwa 75 Prozent. Bei den für die Strafverfolgung verantwortlichen Bundesanwälten waren 1966 zehn von elf früher NSDAP-Mitglieder. Dies entspricht einer Quote von 91 Prozent. (…)Einen bewussten Bruch mit der NS-Vergangenheit, so die beiden Forscher, hatte es allerdings nie gegeben. Auch habe man in den Nachkriegsjahren nicht nach unbelastetem Personal gesucht. Kriterien seien andere gewesen. An erster Stelle stand die berufliche, juristische Vorerfahrung…“ Artikel von Klaus Hempel, ARD-Rechtsredaktion, vom 18.11.2021 bei tagesschau.de externer Link
  • Bundesanwaltschaft: Die braunste unter den braun durchsetzten Sicherheitsbehörden
    „Die Karlsruher Bundesanwaltschaft hat ihre Geschichte aufarbeiten lassen: Bis in die 1960er-Jahre waren rekordverdächtige 90 Prozent der Führungsriege ehemalige NSDAP-Mitglieder. Dies hatte wohl auch Auswirkungen auf ihre Arbeit….“ Artikel von Ronen Steinke vom 3. November 2021 in der Süddeutschen Zeitung online externer Link
  • Siehe auch: Berufsverbotebetroffene fordern Aufklärung wie viele NS belastete Richter an Berufsverboteurteilen beteiligt waren!
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=151299
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