Die Forderung der CDU-Vorsitzenden nach einem Maulkorb (nicht nur für kritische Videos) stößt auf Kritik – die eher selten das Thema „Rechtsruck der CDU“ berücksichtigt…

Turkey up in arms against Erdoğan!„… Die CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer forderte laut Medienberichten „Regulierungen von Meinungsäußerungen im Netz vor Wahlen“. Mit der Forderung nach einer „Regulierung“ von Meinungsäußerungen von Influencern im Netz reagierte die konservative Spitzenpolitikerin auf das CDU-Kritische Video des YouTubers Rezo, das kurz vor der Wahl erschien und inzwischen rund 12 Millionen Menschen erreichte („CDU-Zerstörer“ Rezo: Es kamen „Diskreditierung, Lügen, Trump-Wordings und keine inhaltliche Auseinandersetzung). Der YouTuber warf der CDU unter anderem vor, die Spaltung zwischen Arm und Reich zu forcieren und effektive Klimapolitik zu hintertreiben. Das schlechte Abschneiden der CDU wird im Konrad-Adenauer-Haus offensichtlich auch auf dieses virale Video zurückgeführt, auf das die Konservativen hilflos und arrogant reagierten. Die Christdemokraten müssten laut Kramp-Karrenbauer einen Weg finden, mit „asymmetrischer Wahlkampfmobilisierung“ umzugehen. Eine Änderung der Klimapolitik der Bundesrepublik, die auf europäischer Ebene seit Jahren im Auftrag der deutschen Autoindustrie einen wirksamen Klimaschutz torpediert, diskutierte die CDU-Vorsitzende hingegen nicht. Aufrufe gegen die Wahl von CDU, SPD und AfD, wie der von rund 70 YouTubern in der Endphase des Wahlkampfes (Konfusion in der Medienrepublik: Der Überraschungseffekt der Youtuber), erfüllten die CDU-Vorsitzende mit tiefer Sorge, da sie Auswirkungen auf die Demokratie hätten. Die nicht gerade bibelfeste Chefin der Christdemokraten legte bei der Begründung ihres Vorstoßes auch eine bescheidene digitale und demokratische Kompetenz an den Tag und verglich die YouTuber mit Zeitungen: Wenn 70 Zeitungsredaktionen vor einer Wahl dazu aufriefen, nicht CDU und SPD zu wählen, würde dies als „klare Meinungsmache vor der Wahl“ eingestuft, so Kramp-Karrenbauer: „Was sind Regeln aus analogen Bereich und welche Regeln gelten auch für den digitalen Bereich.“ Darüber gelte es zu diskutieren, sagte sie…“ – aus dem Kommentar „CDU zieht Konsequenzen aus Wahldebakel: Meinungsfreiheit muss geregelt werden“ von Tomasz Konicz am 27. Mai 2019 bei telepolis externer Link, worin der Zusammenhang zwischen „Maulkorb“-Forderungen und der Politik, die damit verteidigt werden soll, hergestellt wird. Siehe dazu auch einen juristischen Kommentar über die Vereinbarkeit des Vorstoßes mit bestehenden Gesetzen – und einen der selteneren Beiträge, die den „Maulkorb“ in Zusammenhang mit dem Rechtsruck der CDU stellen:

  • „Artenschutz für CDU und SPD?“ von Markus Kompa am 27. Mai 2019 bei telepolis externer Link zur juristischen Dimension des CDU-Vorstoßes unter anderem: „… Im Fall öffentlich-rechtlicher Rundfunkhäuser wären die Redaktionen, die durch den Rundfunkbeitrag finanziert werden, zu einem Minimum an Respekt gegenüber allen Parteien verpflichtet. Die Rundfunkstaatsverträge sollen eine Meinungsvielfalt sicherstellen, mit denen ein Boykottaufruf gegen eine Partei durch eine Redaktion oder gar alle Redaktionen wohl unvereinbar wäre. Aber niemand könnte etwa die Satiresendung extra3 an den NeuestenNationalenNachrichten hindern, die einem Boykottaufruf gegen die NPD gleichkommen. Die gedruckte Presse jedoch darf gegen die Parteien wettern, ohne dass es hier besondere Regeln zu beachten gäbe. Die Pressegesetze der Bundesländer verpflichten die Redaktionen lediglich auf die freiheitliche demokratische Grundordnung und auf Einhaltung etwa von Sorgfaltspflichten, Jugendschutz, Verbot von Schleichwerbung usw.. Ansonsten unterliegt die Freiheit der Presse nur den Beschränkungen, die durch das Grundgesetz zugelassen sind, etwa dem Verbot von Beleidigung, übler Nachrede, usw.. Stellungnahmen und meinungsbildende Beiträge sind im Gegenteil sogar ausdrücklich gewünscht. Die Rechtsprechung mutet in Wahlkampfzeiten Politikern sogar erhöhte Nehmerqualitäten zu. Bei Boykottaurufen wäre eine Grenze erst dann problematisch, wenn der Aufrufer über gemeinschaftswichtige Belange hinaus ein eigenes wirtschaftliches Interesse verfolgen würde, was gegen politische Parteien schwer vorstellbar ist. Solange es der Herausgeber billigt, darf sich jeder Journalist und jede Redaktion gegen eine Partei positionieren. Boykottaufrufe sind allerdings mit dem Selbstanspruch der Überparteilichkeit kaum vereinbar und werden daher außerhalb von Tendenzmedien selten vorkommen. Aber auch ein Meinungskartell aus 70 Redaktionen wäre zulässig, da die Pressefreiheit Kartellrecht grundsätzlich vorgeht. Was für die Printwelt gilt, das gilt auch für die sogenannten „Neuen Medien“. Landesmedienanstalten sehen allerdings reichweitenstarke YouTuber mit redaktionell gestalteten Inhalten und Programmen inzwischen bisweilen als Rundfunkveranstalter im Sinne der Mediengsetze. Private Rundfunkveranstalter sind auf Programmgrundsätze der Landesmediengesetze verpflichtet, so dass diese eine gewisse Vielfalt der Meinungen bieten müssen. Aber selbst das Gebot, andere Meinungen zur Geltung zu bringen, schließt einen Boykottaufruf gegen eine Partei nicht aus. Wenn AKK YouTubern Boykott-Aufrufe gegen Parteien verbieten will, müsste sie ein solches Gesetz erst auf den Weg bringen. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich ein saarländischer Ministerpräsident mit einem meinungsfeindlichen Eingriff in das Pressegesetz unbeliebt gemacht hätte. Eine solch unsportliche Gesetzesänderung wäre allerdings ein langer Ritt, weil Presse- und Medienrecht Ländersache ist und damit 16 Bundesländer überzeugt werden müssten…“
  • „Die CDU kämpft mit dem Trend“ von Robert Roßmann am 27. Mai 2019 in der SZ online externer Link zum Thema Rechtsruck in der CDU unter anderem: „… CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat nach den schweren Verlusten ihrer Partei bei der Europawahl am Montag Fehler eingestanden. Personelle Konsequenzen an der Spitze der Partei, also etwa einen Austausch des Generalsekretärs, schloss sie jedoch aus. Kramp-Karrenbauer verzichtete auch darauf, wegen der lauter gewordenen Kritik an einigen CDU-Ministern eine Kabinettsumbildung zu verlangen. Zuvor hatte bereits Regierungssprecher Steffen Seibert mitgeteilt, dass aus Sicht der Bundeskanzlerin neben der notwendigen Nachbesetzung im Justizministerium keine weiteren „Kabinettsumbesetzungen“ anstünden. Kramp-Karrenbauer sagte nach längeren Debatten im Präsidium und im Vorstand ihrer Partei, der CDU sei es im Wahlkampf nicht gelungen, mit eigenen Themen wie der inneren und äußeren Sicherheit durchzudringen. Und beim am Ende dominanten Thema Klimaschutz habe die CDU nicht punkten können. Außerdem habe die Partei unter zwei Trends gelitten, die man bereits bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen erlebt habe. Zum einen werde die Arbeit der Bundesregierung schlecht bewertet, was der CDU als Regierungspartei schade. Außerdem sinke der Anteil der CDU bei den jüngeren Wählern. Die Verluste bei den Jungen hätten vor allem zwei Gründe. Zum einen habe es Defizite der CDU in den Debatten um Upload-Filter, um die „Fridays for Future“-Bewegung und um den Youtuber Rezo gegeben. Zum anderen habe der CDU der Eindruck geschadet, dass es in der Partei in den vergangenen Monaten einen Rechtsruck gegeben habe. Kramp-Karrenbauer bestritt, dass es einen solchen Rechtsruck gibt. Sie gestand aber ein, dass sie auch mit eigenen Äußerungen oder mit der Einladung zu dem Werkstattgespräch über die Flüchtlingspolitik zu dem Eindruck beigetragen habe, dass es eine derartige Verschiebung des Kurses der Partei gebe…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=149499
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