Gründung eines Betriebsrates: Foodora-Mitarbeiter in Münster müssen sich gedulden

Dossier

Streikdemo der Foodora-Fahrer in Turin am 11.10.2016„Dürfen die Mitarbeiter des Lieferdienstes Foodora in Münster einen Betriebsrat gründen? So lautete die Frage am Freitag vor dem Arbeitsgericht. Die Richterin sah vorerst einen Fallstrick. (…) Weil zu einer Betriebsversammlung im November 2017 nicht alle Foodora-Beschäftigten in Münster eingeladen worden waren, sah sich die Richterin am Freitagmittag schon aus diesem Grund nicht in der Lage, in der Sache zu entscheiden. Man könne keinen Wahlvorstand an der Gesamtbelegschaft vorbei einsetzen. Es hatten sich nämlich damals nur die Mitarbeiter getroffen, die sich untereinander kannten. Das aber reiche eben nicht aus, erklärte die Arbeitsrichterin unter Verweis auf höchstrichterliche Rechtsprechung. (…) Deshalb folgte das Gericht am Freitag nicht dem Antrag der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), die einige der Foodora-Beschäftigten vor Gericht vertritt. Aus Sicht des Lieferdienstes Foodora gibt es in Münster auch gar keinen betriebsratsfähigen Betrieb oder Betriebsteil, weil die Mitarbeiter wie im Außendienst tätig seien. Das wiederum sieht die NGG anders. Über diese juristische Frage könnte aber noch entschieden werden, wenn beide Seiten dem entsprechenden Vergleichsvorschlag der Richterin folgen sollten, der eine Klärung dieses Streit anregt. Für eine eventuell später folgende Betriebsversammlung müssten dann aber immer noch alle Beschäftigten freiwillig über den Arbeitgeber eingeladen werden oder dieser müsste der Gewerkschaft eine Liste alle Beschäftigten aushändigen. Während sich die Foodora-Rechtsanwältin zu dem Verfahren nicht öffentlich äußern wollte, hegt die NGG weiter Hoffnung, in Münster einen Betriebsrat gründen zu können. (…) Der Fall findet inzwischen bundesweit Beachtung, weil es hier um Veränderungen in der Arbeitswelt im Zuge des digitalen Wandels geht. Denn das Unternehmen hat in der Domstadt in der Tat kein Büro vor Ort oder eine feste Betriebsstätte. Die rund 70 Beschäftigten – zumeist Studenten, die zum Mindestlohn arbeiten – melden sich schlicht über eine Online-Plattform an. Allerdings wehrt sich Foodora, zum Jahreswechsel von Lieferando übernommen, bislang hartnäckig gegen einen Betriebsrat in Münster…“ Bericht von und bei den Westfälischen Nachrichten online vom 4. Mai 2019 externer Link, siehe die weitere Entwicklung:

  • Erfolg bei der Betriebsratswahl Foodora in Münster: Arbeitgeberseite knickt vor dem Kammertermin am 05. Juli ein New
    der anderthalbjährige Druck auf Foodora scheint endlich Wirkung zu zeigen – vor dem avisierten Termin beim Arbeitsgericht im Zuge unserer einstweiligen Verfügung hat die Arbeitgeberseite von Foodora gestern unsere Einladung für die Wahl des Wahlvorstand am 12.07 via Mail an die Münsteraner Beschäftigten zugestellt. Genau dieser erste Schritt gemäß des Prozederes einer Betriebsratswahl war seit Mai 2018 Streitpunkt der langwierigen Auseinandersetzung zwischen den Ridern aus Münster und der Geschäftsführung von Foodora vor dem Arbeitsgericht in Münster. Unsere Kolleginnen und Kollegen im Betrieb sind ihrem Ziel einer BR-Gründung also ein gutes Stück nähergekommen! Ein Erfolg, den die Beschäftigten sich mit ihrem großen Engagement und viel Durchhaltevermögen erkämpft haben!
    Am Freitag, 12. Juli wählen die Beschäftigten aus ihrem Kreise einen Wahlvorstand. Dieser hat dann die Aufgabe, die eigentliche Betriebsratswahl zu organisieren und durchzuführen. Hierbei wird die Gewerkschaft NGG die Kolleginnen und Kollegen selbstverständlich weiterhin engmaschig unterstützen!
    Dennoch gehen wir im weiteren Prozess dieser Betriebsratswahl davon aus, dass die Geschäftsführung von Foodora den strittigen Betriebsbegriff, der sich insbesondere an einer räumlichen Betriebseinheit einhergehend mit hierarchischen Strukturen bemisst, juristisch prüfen lässt. Daher freuen wir uns auch zukünftig über eine mediale Begleitung des Prozesses und über solidarische Unterstützung!
    “ Mitteilung der NGG Münster vom 27.6.2019 (per e-mail)
  • Betriebsratswahl Foodora/Lieferando in Münster: Kammertermin am 05. Juli 2019 
    „… bekanntlich kämpfen die rund 60 Beschäftigten bei Foodora/Lieferando in Münster seit über einem Jahr dafür, sich einen Betriebsrat zur Vertretung ihrer Interessen und der gesetzlich verankerten Mitsprache im Betrieb zu wählen. Nachdem in dem bisherigen Verfahren vor dem Arbeitsgericht Münster keine Einigung mit der Arbeitgeberseite erzielt werden konnte, hat die Gewerkschaft NGG gemeinsam mit den Beschäftigten den Druck erhöht und eine einstweilige Verfügung zur Klärung des Sachverhalts initiiert – dem wurde nun seitens des Arbeitsgerichts in Münster stattgegeben und ein neuer Kammertermin angesetzt: Freitag, 05. Juli 2019, 12:00 Uhr am Arbeitsgericht Münster. Wir hoffen, dass das Arbeitsgericht Münster hierbei eine Entscheidung zugunsten der Kolleginnen und Kollegen von Foodora/Liefrando in Münster und für die betriebliche Interessensvertretung insgesamt trifft…“ Mitteilung der NGG Münster vom 18.6.2019 – wir drücken die Daumen!
  • Der Kampf um die Mitbestimmung bei Foodora wird vertagt: Arbeitsgericht Münster will Vergleichsvorschlag machen 
    Am 1. Mai herrschte unter den gewerkschaftlich organisierten Kurierfahrer*innen von Foodora/Lieferando noch Optimismus, dass das Arbeitsgericht Münster ihnen zwei Tage später den Weg frei machen würde für die Wahl eines Betriebsrats. (…) Bislang sei dieses Verfahren noch nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, stellte die Vorsitzende Richterin fest, da zu einer Betriebsversammlung die gesamte Belegschaft eingeladen werden müsse. Dies sei bislang nicht der Fall gewesen. Sie sah es als unstrittig an, dass die Belegschaft in Münster einen eigenen Betriebsrat wählen könne, und nicht als Filiale aus der Kölner Zentrale quasi mitverwaltet wird. In Köln besteht bereits ein Betriebsrat. Die Richterin will jetzt dem Arbeitgeber in einem Vergleich auftragen, alle ihm bekannten Beschäftigten von Foodora zu einer Wahlversammlung einzuladen. Oder eben – falls der Arbeitgeber nicht einladen will – der Gewerkschaft eine Mitarbeiterliste zur Verfügung zu stellen, damit diese die Beschäftigten einladen kann, was der heute für die Belegschaft klagenden Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) am liebsten wäre. Dann könnte endlich formal sauber ein Wahlvorstand bestellt werden, der die Betriebsratswahlen einleiten könnte. Eine abschließende Entscheidung wurde heute nicht gefällt. Die Kurierfahrer*innen verließen sichtlich enttäuscht mit betretenen Mienen das Gericht, mit vielen Fragenzeichen im Kopf, was da nun eigentlich passiert ist. Das Verfahren ruht bis auf Weiteres. (…) Die NGG will jetzt Foodora zeitnah erneut auffordern, eine Beschäftigtenliste zur Verfügung zu stellen. Um die Stabilität der Kurierfahrer*innen in Münster ist ihm nicht bange…“ Bericht von Frank Biermann vom 7. Mai 2019 bei Sperre externer Link – Münsters Magazin für Arbeit, Soziales & Kultur
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=148306
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