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Sudan

Wer soll dem Militärrat im Sudan die Autorität gegeben haben, ein Ende der Demonstrationen und die Einstellung der Gewerkschaftsarbeit zu fordern? Die Million DemonstrantInnen am 2. Mai 2019 sicher nicht…

Das Logo der sudanesischen Gewerkschaft SPA, die eine entscheidende Rolle bei den Protesten im Land spieltIm Sudan nimmt nach dem Sturz des Machthabers Omar al Bashir ein langjähriger Helfer der EU-Flüchtlingsabwehr eine führende Stellung im herrschenden Militärrat ein. Mohamed Hamdan Dagalo, Vizevorsitzender des Militärrats, kommandiert die Miliz „Rapid Support Forces“, die tausende Migranten aufgegriffen hat, seit Berlin und die EU Khartum Millionen für die Flüchtlingsabwehr zahlen. Dagalos Miliz hat ihre Ursprünge im Bürgerkrieg in Darfur; ihren Vorläufern haben Berlin und die EU einst vorgeworfen, einen Genozid zu verüben. Dagalo gilt vielen als der eigentliche Machthaber in Khartum, seit mit seiner tatkräftigen Unterstützung am 11. April Al Bashir gestürzt wurde. Dessen Regierung konnte sich noch Ende vergangenen Jahres ganz auf Berlin verlassen: Oppositionelle stuften Deutschland als Sudans „größten Unterstützer in der EU“ ein; Außenminister Heiko Maas, der sich gerne als Förderer der Menschenrechte preist, sagte seinem Amtskollegen aus der Bashir-Regierung noch im November 2018 deutsche Hilfe zu. Vier Wochen später brachen Massenproteste gegen die Regierung los…“ – aus dem Beitrag „Der Militärrat und sein Vizechef“ am 02. Mai 2019 bei German Foreign Policy externer Link über den Einfluss der BRD im Sudan. Siehe zur aktuellen Entwicklung im Sudan und den Versuchen des Militärrates (vor den EU-Geldern: Milizenchefs), die Veränderung zu bremsen, eine kleine aktuelle Materialsammlung und den Verweis auf den bisher letzten unserer zahlreichen Beiträge:

„Noch lange nicht am Ziel“ am 29. April 2019 in der taz externer Link meldet zur Rolle der Gewerkschaft SPA und den Beziehungen innerhalb der Opposition unter anderem: „… Die zentrale Kraft hinter den Protesten ist das vor drei Jahren gegründete Gewerkschaftsbündnis SPA. Im Dezember, als das afrikanische Land mit steigenden Preisen und Versorgungsengpässen zu kämpfen hatte, plante die SPA zur Durchsetzung von höheren Löhnen einen Marsch nach Khartum. Als unabhängig davon dann auch im nördlich der Hauptstadt gelegenen Atbara Menschen auf die Straßen gingen, fühlten sich die Organisatoren bestärkt. Mit Slogans, die teilweise an den Arabischen Frühling von 2011 anknüpften, forderten die Demonstranten nun gleich den Rücktritt der Regierung. Dank des dezentralen Aufbaus der SPA gingen die Proteste auch nach der Festnahme von mehreren Anführern weiter. Junge Menschen verabredeten sich über soziale Netzwerke und dokumentierten mit moderner Technik Übergriffe von Soldaten. Am 6. April starteten sie einen Sitzstreik vor dem Hauptquartier der Streitkräfte. Fünf Tage später übernahmen die Generäle die Macht. Al-Baschir sitzt seitdem in einem Gefängnis. Doch bei aller Entschlossenheit steht die Bewegung vor großen Herausforderungen. Denn die SPA konnte mit einer „Deklaration für Freiheit und Wandel“ zwar große Teile der Zivilgesellschaft des Landes mobilisieren – bis auf Weiteres kämpfen verschiedene Gruppen gemeinsam für einen Machtwechsel, für eine neue Verfassung, für freie Wahlen und für ein Ende der Diskriminierung von Frauen. Aber im Grunde ist die Opposition alles andere als einheitlich.   Gerade die Tatsache, dass sie von den Eliten in Khartum weitgehend unabhängig ist, hat die SPA zu einem glaubwürdigen Sprachrohr der Protestbewegung gemacht. Ob sie auch in den kommenden Monaten noch eine so zentrale Rolle einnehmen wird, bleibt aber abzuwarten. Der Militärrat hat betont, dass er mit allen politischen Kräften verhandeln werde. Die SPA könnte sich daher genötigt sehen, sich mit den bestehenden Parteien zu arrangieren. Womöglich könnte sogar die Nationale Kongresspartei von Al-Baschir in die Gespräche über die Zukunft des Landes eingebunden werden. In diesem Fall wäre es gut möglich, dass die Strukturen des Systems weitgehend intakt blieben…“

„Sudan: IFJ demands military rulers end gross interference in journalists‘ union“ am 29. April 2019 bei der IFJ externer Link ist der Protest gegen eine – illegale – Anordnung des Militärrates, Neuwahlen in den Gewerkschaften durchzuführen – und solange ihre Arbeit einzustellen – die sofort zurück genommen werden müsse, nicht nur, was die Journalistengewerkschaft betreffe, sondern alle.

„“Nach heute muss Schluss mit Chaos sein““ m 30. April 2019 bei Spiegel Online externer Link war die Meldung über die Drohung von (Berlins, was nicht erwähnt wird) starkem Milizen-Mann im Militärrat: „Am Montag kam es laut Angaben der Militärregierung offenbar zu Gewalt gegen Sicherheitskräfte in mehreren Landesteilen. Dabei seien sechs Menschen auf Seiten der Behörden getötet und 16 weitere Sicherheitsvertreter verletzt worden, sagte der Vize-Chef des Militärrates, Mohamed Hamadan Dagolo.  Die Demonstranten müssten aufhören, Straßen und Bahnlinien zu blockieren, dann sei der Militärrat auch weiter kooperationsbereit. „Wir sind bereit zu verhandeln, aber nach heute muss Schluss mit Chaos sein“, sagte Dagolo. Die Armeeführung um General Abdel Fattah al-Burhan gab dem Druck der Protestbewegung bereits teilweise nach…“

„Déclaration importante des Forces de la Déclaration de la Liberté et du Changement – Pour une véritable transition démocratique“ am 01. Mai 2019 bei Europe Solidaire externer Link ist die Übersetzung einer Erklärung des Oppositionsbündnisses FDLC vom Vortag, in der unterstrichen wird, man werde nicht zulassen, dass sich der Militärrat eine Autorität aneigne, die er nicht habe. Nicht der Rat entscheide über die weitere Entwicklung, sondern die sudanesische Bevölkerung und ihr Kampf für Demokratie und Veränderung. Dafür habe man die Mittel der Massenaktionen, sei es der politische Streik oder der massenhafte zivile Ungehorsam.

„Zittern um die Revolution“ von Ilona Eveleens am 01. Mai 2019 in der taz externer Link zum Verhandlungsergebnis zwischen dem Militärrat und der Oppositions-Delegation: „… Der herrschende Militärrat in Sudan sagt, er habe sich mit der Opposition darüber geeinigt, die seit Wochen von Dauerdemonstranten blockierten Brücken und Straßen in Khartum wieder zu öffnen. Aber das Sit-in auf dem Platz vor dem Armeehauptquartier, zentraler Ort des Protestes, kann weitergehen. Die Opposition weigert sich, den Platz zu räumen, so lange es keine Einigung darüber gibt, ob in der geplanten Übergangsregierung – dem „Präsidialrat“, auf den sich beide Seiten im Grundsatz bereits verständigt haben – Zivilisten oder Militärs die Oberhand haben sollen…“

„Huge crowds join protest against Sudan’s military leaders“ am 02. Mai 2019 bei Al Jazeera externer Link ist eine Meldung über die Demonstration am Donnerstag in Khartum, in der vor allem hervorgehoben wird, dass angesichts der Drohung des Militärrats, das „Chaos muss eine Ende nehmen“ noch einmal mehr Menschen sich an dem Protest gegen die Blockade des Rates beteiligten – laut dieser Meldung „Hunderttausende“.

„Soudan: nouvelle démonstration de force des manifestants“ am 02. Mai 2019 bei Radio France Internationale externer Link berichtet über dieselbe Massendemonstration am Tage und bewertet sie als „erneute Machtdemonstration der DemonstrantInnen“.

„African Union gives Sudan military further 60 days to cede power“ am 01. Mai 2019 bei Al Jazeera externer Link berichtet davon, dass die Afrikanische Union auf die Haltung des sudanesischen Militärrates reagiert habe, der die von der aU gesetzte Frist für die „Machtübergabe“ schlicht ignoriert hat – die Reaktion besteht in einer Fristverlängerung um weitere 2 Monate. Die Militärs haben also nicht nur in Berlin, Brüssel, Riad und Kairo Freunde…

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=148173
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