»
Brasilien »
» »

Freundschaftsbesuch: Außenminister Maaß trifft rechtsradikalen Präsidenten, den Wunschkandidaten bundesdeutscher Unternehmen in Brasilien

[28. Oktober 2018] Bolsonazi siegesgewiss: „Erst wählen die Brasilianer. Mich. Dann kann Haddad wählen – zwischen Exil und Gefängnis“Die Meldung zum Besuch des deutschen Außenministers bei Jair Messias Bolsonaro im Regierungsradio Deutschlandfunk besagt, der Herr Maaß sei auf der Suche nach Verbündeten – beispielsweise – im Kampf für Frauenrechte. Passt, bei jenem Verbündeten anzufangen, der gerade eben erneut über „alle brasilianischen Sender“ seine Sympathie für Zwangssterilisierung armer Frauen verkündet hat (ein Loblied auf den inhaftierten Massen-Zwangssterilisierer Fujimori in Peru). Auch über Menschenrechte allgemein kann man mit dem gut reden, darum sorgt sich Bolsonaro sehr: Wenn ein armer Militärpolizist wieder einmal einen afrobrasilianischen Jugendlichen in einer Favela abknallen musste, kann man ihm ja nicht zumuten, auch noch die „emotionale Anspannung“ einer Justizfarce durchzumachen – weswegen eben diese Formulierung künftig Straffreiheit bedeutet. Und natürlich kann man mit ihm ganz besonders über die Umwelt reden, das tut er selbst andauernd: Brasilien habe viel zu viel Wald (und darin stören auch noch oft Indigene die Aufnahme der Arbeit der Bergbaukonzerne). Es wird nicht berichtet, ob Maaß auch deutsche Staatsbürger dort nach ihrer Meinung zu Bolsonaro befragt: In den Vorständen von Daimler, VW, Bosch, Siemens und Bayer & Co würde er sicher lobende Antworten erhalten – die kennt er sicher schon. Aber, alles in richtigen Relationen: Maaß ist zwar das erste Mitglied einer EU-Regierung, das Bolsonaro seine Aufwartung macht – dessen erste Auslandsreise war allerdings vorher. Zu seinem Freund Donald. Zu dieser beispielhaften Reise (inklusive Treffen mit der Opposition – in Venezuela natürlich) eine kleine Sammlung von Beiträgen, auch über die Bündnisfähigkeiten der Regierungen – und Hinweise auf frühere Beiträge, in denen die Haltung bundesdeutscher Großkonzerne deutlich wird:

„Außenminister Maas trifft Präsident Bolsonaro“ am 30. April 2019 im Deutschlandfunk externer Link meldet: „Bundesaußenminister Maas trifft heute als erster Regierungsvertreter eines EU-Landes den brasilianischen Präsidenten Bolsonaro. Wie das Auswärtige Amt in Berlin mitteilte, soll es bei dem Gespräch vor allem um Menschenrechte und Klimaschutz gehen. Maas befindet sich auf einer viertägigen Lateinamerika-Reise. Zum Auftakt seines Besuches hatte er vor wachsendem Populismus und Nationalismus gewarnt. Anlässlich der Gründung eines deutsch-lateinamerikanischen Netzwerks für Frauenrechte sagte Maas in Salvador da Bahia, die Welt erlebe derzeit gefährliche Rückschritte. Über Jahrzehnte erkämpfte Errungenschaften würden zunehmend infrage gestellt. Maas will solchen Tendenzen eine „Allianz der Multilateralisten“ entgegensetzen und sucht dafür in Lateinamerika Verbündete. Im Anschluss an das Treffen mit Bolsonaro reist der Außenminister weiter nach Kolumbien und Mexiko“ .

„Händeschütteln mit Bolsonaro“ von Santiago Baez am 30. April 2019 in der jungen welt zu den Absichten des Außenministers:„Bundesaußenminister Heiko Maas ist am Montag zu einer viertägigen Reise durch mehrere Staaten Lateinamerikas aufgebrochen. Das sei »eine der am stärksten demokratisierten Regionen der Welt«, erklärte er vor dem Abflug. »Mit vielen Staaten teilen wir ein wichtiges Fundament gemeinsamer Werte. Wenn wir einen Roll-Back von Populisten und Autoritären aufhalten wollen, brauchen wir mehr Verbündete.« Man könne es sich nicht leisten, »Alliierte im Einsatz für eine faire Weltordnung zu verlieren«. Wen er damit meint, zeigt ein Blick auf das Reiseprogramm. Erste Station ist Brasilien, wo er laut Ankündigung des Auswärtigen Amtes mit dem faschistischen Staatschef Jair Bolsonaro und dessen Außenminister Ernesto Araújo zusammenkommen will. Anschließend will er sich in Kolumbien für »Frieden und Stabilität« einsetzen. Angekündigt ist dabei neben Gesprächen mit Staatschef Iván Duque und Außenminister Carlos Holmes Trujillo auch der Besuch eines Camps zur Reintegration ehemaliger FARC-Kämpfer. Ob sich Maas dabei zu der anhaltenden Gewalt gegen frühere Guerilleros und deren Angehörige äußern wird, bleibt abzuwarten….“

„Maas und die Menschenrechte“ am 30. April 2019 bei German Foreign Policy externer Link meldet, anders als der Deutschlandfunk: „… Die Lateinamerikareise, zu der Außenminister Heiko Maas in der Nacht zu Montag aufgebrochen ist, bildet laut Auswärtigem Amt den Startpunkt einer neuen, umfassenden Lateinamerikainitiative der Bundesregierung. Maas besucht in diesen Tagen neben Brasilien und Mexiko, den zwei mit Abstand wichtigsten Wirtschaftspartnern der deutschen Industrie südlich der Vereinigten Staaten, auch Kolumbien, das seit vielen Jahren als Drehscheibe für Umsturzversuche in Venezuela fungiert. Die neue Lateinamerikainitiative soll am 28. Mai mit einer Konferenz in Berlin forgesetzt werden; zu ihr werden Außenminister aus bis zu 30 Staaten aus der gesamten Region erwartet. (…) Das Bestreben, den deutschen Einfluss in Lateinamerika zu stärken, ist alles andere als neu; die Bundesregierung hat sich seit der Jahrtausendwende immer wieder daran versucht, ohne jedoch besondere Erfolge zu erzielen. Ein Beispiel bieten die Bemühungen Berlins und Brüssels, ein EU-Freihandelsabkommen mit dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur (Brasilien, Argentinien, Uruguay, Paraguay) zu schließen. Die Verhandlungen wurden im Jahr 1999 aufgenommen; sie haben bis heute keine Einigung ergeben. Einen Schwerpunkt hat die Bundesregierung stets auf die Zusammenarbeit mit Brasilien gelegt, mit dem Deutschland schon seit 2008 eine sogenannte Strategische Partnerschaft unterhält…“

„Tausende Indigene protestieren in Brasilien gegen Landraub“ von Ulrike Bickel am 29. April 2019 bei amerika21.de externer Link zu dem Indigenen-Protest gegen den Bündnispartner in Fragen Menschenrechte und Umweltschutz: „Rund 4.000 Indigene aus allen Regionen Brasiliens und aus Nachbarländern haben vom 24. bis 26. April am brasilianischen Regierungssitz campiert, um gegen zunehmende Menschenrechtsverletzungen und den Verlust von Landrechten unter der neuen Regierung von Präsident Jair Bolsonaro zu protestieren. (…) Die neue Regierung hat eine Reihe Maßnahmen erlassen, die die indigenen Rechte schwächen und ihre Lebensräume bedrohen. So entscheidet nun das Landwirtschaftsministerium über die Landverteilungsfragen und Indigenengebiete. In dem Ressort hat die mächtige Agrarlobby das Sagen. Zudem soll das Umweltstrafrecht verwässert und landwirtschaftliche Aktivitäten in Naturreservate und indigene Territorien nicht mehr bestraft werden. (…) Die Zerstörung des Amazonas-Urwaldes hat sich demnach unter Bolsonaro beschleunigt. Die lokalen Firmen werden auch aus Europa finanziert und mit ihnen Handel getrieben. Obwohl eine Reihe der großen Soja-Produzenten, Rinderzüchter und Holzhändler erwiesenermaßen in illegale Abholzung, Korruption und Sklavenarbeit verwickelt sind, betreiben sie Geschäfte mit Firmen in China, der Europäischen Union und den USA. Das sind die drei größten Handelspartner Brasiliens. So finden sich laut Amazon Watch unter den Finanziers urwaldzerstörender Aktivitäten auch deutsche Großbanken wie die Deutsche Bank und die Commerzbank…

„Bolsonaro defende esterilização de mulheres pobres“ am 24. Oktober 2018 bei der PT Brasiliens externer Link (also vor dem zweiten Wahlgang) war ein Beitrag, der nachzeichnete, wie Bolsonaro seit seiner ersten Wahlkampagne 1992 die Zwangssteriliserung armer Frauen verteidigte und forderte – und dafür das Beispiel Fujimoris in Peru immer wieder anführte, der dies „sehr gut macht“, die Zwangssterilisierung also…

„Justiça suspende acordo entre Bayer, MPF e Prefeitura de Porto Alegre para esterilizar adolescentes“ von Lilian Milena am 05. April 2019 bei CGN externer Link berichtet von einem Gerichtsurteil, das weder Partner Bolsonaro noch einigen deutschen Staatsbürgern in Brasilien gefallen dürfte. Die Präfektur von Porto Alegre (Südbrasilien), das Innenministerium des Bundesstaates Rio Grande do Sul und die weltweit nicht eben beliebte Firma Bayer hatten einen Vertrag abgeschlossen, demzufolge an zwei Krankenhäusern jungen Mädchen, die in Heimen untergebracht sind, das Sistema Intra Uterino Liberador de Levonorgestrel 20 mcg „verabreicht“ werden solle. In Fortsetzung der „Bevölkerungspolitik“ der 60er und 70er Jahre, als Partner Bolsonaros Lieblingsregierung an der Macht war. Die Frauenrechtler bei Bayer wollten so das teuerste Mittel auf dem Markt absetzen…

„Brief an Außenminister Heiko Maas“ von der Kooperation Brasilien am 29. April 2019 externer Link spricht wesentliche Punkte zusammenfassend an (auch wenn bei solchen Briefen immer wieder die Frage auftaucht, warum eigentlich gerade die Bundesregierung sich für Demokratie usw. einsetzen sollte, wo sie doch ihre Partner längst hat): „… Die Angriffe auf die Zivilgesellschaft werden nun umgesetzt. Mit dem Dekret 9759 vom 11. April hat die Regierung Bolsonaro mit einem Schlag alle Partizipationsgremien aufgelöst. NGOs haben das vom Präsidenten unterzeichnete Dekret als Angriff auf jegliche Beteiligung der Zivilgesellschaft und Bruch mit dem Partizipationsgebot der brasilianischen Verfassung bewertet. Mit besonderer Besorgnis nehmen wir die Meldungen unserer brasilianischen Partner über die Attacken gegen Menschenrechte und deren Verteidiger zur Kenntnis. Im Jahr 2018 wurden allein in Rio de Janeiro 1.500 Menschen in Polizeieinsätzen getötet.  Statt dies zu problematisieren, soll nun die de-facto-Straffreiheit für Polizisten zum Gesetz erhoben werden. Der von Justizminister Moro ausgearbeitete Entwurf für ein Sicherheitsgesetz erweitert die Straffreiheit für Tötungen durch Polizisten. Nach dem Gesetzentwurf sollen Polizisten auch dann nicht angeklagt werden, wenn sie „aus nachvollziehbarer Angst, Überraschung oder heftiger Emotion“ gehandelt haben. Und der Gouverneur von Rio hat das Töten (abate – abschlachten in seiner Wortwahl) von Verdächtigen durch sogenannte  „Sniper“ zur Praxis der Polizei erklärt…“ dem noch hinzuzufügen wäre, dass Witzel, der Gouverneur von Rio, derselben Partei (PSL, einst von der Friedrich Naumann Stiftung gefördert) angehört, wie Partner Bolsonaro.

„Polícia do RJ tem 1º trimestre mais letal dos últimos 16 anos“ von Hanrrikson de Andrade am 18. April 2019 bei UOL externer Link ist die Meldung über das Wirken der Polizei der Stadt Rio im ersten Quartal 2019 – dem tödlichsten Quartal der letzten 16 Jahre, mit 434 Todesopfern während Polizeieinsätzen…  was jetzt für viele andere Städte nachvollzogen werden könnte…

„Ich hab’s dir ja gesagt“ von Mareen Butter am 02. April 2019 in der Graswurzelrevolution externer Link berichtet unter vielem anderen: „… Es war brütend heiß an jenem Novembertag im letzten Jahr, als ich gemeinsam mit einem Bekannten und Fotografen an der Schnellstraße Avenida Brasil im Norden Rio de Janeiros aus dem Uber stieg. Wir wären lieber im Auto mit der kühlen Klimaanlage sitzen geblieben und hätten uns vom Fahrer bis zur Haustür meines Interviewpartners fahren lassen, doch Uber und Taxis fahren kaum noch in die Armenviertel (Favelas) rein. Erst recht nicht in den Favelakomplex Maré, der für tödliche Polizeiinterventionen und Konflikte zwischen kriminellen Organisationen Rios bekannt ist. Wir hatten kurz zuvor erfahren, dass die Militärpolizei in der Nacht wieder in Maré gewesen war und ein paar Leichen hinterlassen hatte. Teilweise Menschen, die mit Drogenhandel und Kriminalität nichts zu tun hatten. Ein Lehrer war beispielsweise unter denen, die zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Mein Kollege und ich liefen vorbei an einer Tankstelle, die überfüllt war von bewaffneten Polizisten in Soldatenuniformen; ein Fernsehteam stand vor einem Laster voll mit Drogen und Waffen. Auch wenn ich ihre Gesichter nicht gut erkennen konnte, hatte ich das Gefühl, die interviewten Polizist*innen waren ziemlich stolz auf ihren Fund und ihre Arbeit…“

„Bolsonaro: the First 100 days“ von Jörg Nowak am 23. April 2019  bei The Bullet externer Link ist eine Bilanz der ersten 100 Regierungstage Bolsonaros, worin es vor allem um die ersten wirklich massenhafte Proteste nach seinem Amtsantritt geht – hervorgerufen durch seinen Erlass, den Jahrestag des Militärputsches vom 31. März 1964 zu feiern. Dies zeige die hemmungslose Unterstützung und Propagierung jeglicher Repression, wie die im März erneut  „im Raum stehenden“ Proteste von LKW Fahrern und die Reaktion der Regierung deren Fehlen sozialer Konzepte (auch reaktionärer Art) deutlich mache. Die Auseinandersetzung innerhalb der Regierung führen, so werden abschließend die Analysen verschiedener weiterer aktueller Fragen zusammengefasst, zu einer Stärkung der Generäle in diesem reaktionären Bündnis.

Dass die „deutsche Wirtschaft“ Bolsonaro schon lange als Partner auserkoren hat wird – unter anderem – in folgenden Beiträgen ausgeführt:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=148012
nach oben