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Flughafen Istanbul eröffnet: Die vielen Opfer des schmutzigen Prestigeprojekts sind nur die Spitze des Eisbergs tödlicher Arbeitsbedingungen – von denen deutsche Unternehmen massiv profitieren

Flughafen Istanbul 15.9.2018: Wasserwerfer fahren gegen streikende Bauarbeiter vorDer Start der Turkish Airlines-Maschine, die am 6. April um 14.30 Uhr vom neuen Istanbuler Flughafen in Richtung Ankara abhob, wurde im türkischen Staatsfernsehen live übertragen. Nachdem die Aufnahme des Regelbetriebs am Flughafen Istanbul mehrmals verschoben worden war, war es nun soweit: Mit dem ersten Flug in die Hauptstadt ist das Megaprojekt offiziell in Betrieb. (…) Dabei bleiben viele Fragen offen. Weshalb sind beim Bau so viele Menschen gestorben? Wie wirkt sich das Projekt auf die Umwelt in der betroffenen Region aus? Wie konnte es in nur 42 Monaten fertiggestellt werden? Ist der Flughafen für seine potentiellen Nutzer praktikabel? Gab es für ein solches Projekt tatsächlich Bedarf? Der Bau des Megaprojekts wurde ermöglicht durch ein Subunternehmen-System, das außer Kontrolle geraten ist und unsichere Arbeitsbedingungen nach sich zieht. Darunter leiden nicht nur Arbeiter aus der Türkei, sondern auch Leiharbeiter aus dem globalen Süden. Selbst manche Leiharbeitsfirma ist daran zugrunde gegangen. Bauarbeiter, die gegen die Verhältnisse auf der Baustelle protestierten, wurden festgenommen, 61 von ihnen wird der Prozess gemacht. Zeitdruck und Konkurrenz unter den Auftragnehmern führen dazu, dass in der türkischen Baubranche die meisten tödlichen Unfälle geschehen. Auch deutsche Unternehmen erhielten lukrative Aufträge und werden in Zukunft am Flughafenbetrieb verdienen…“ – aus dem Beitrag „Ein Megaprojekt und seine Folgen“ am 07. April 2019 bei TAZ. GAZETE externer Link (mit dem ein Dossier zum Flughafen vorgestellt wird). Siehe dazu auch zwei Beiträge zur bundesdeutschen Beteiligung an dem Flughafenprojekt und die aktuelle Todesstatistik (vor allem) aus der türkischen Bauindustrie, sowie den Hinweis auf unseren bisher letzten Beitrag zum Thema:

  • „Arbeitermassengrab“ von Nelli Tügel am 07. April 2019 in neues deutschland externer Link kommentiert zur Eröffnung des Flughafens unter anderem: „… Für die seit den Kommunalwahlen etwas angeschlagene AKP-Regierung ist der Flughafen ein wichtiges Prestigeprojekt, dessen rasche Fertigstellung mit eiserner Unerbittlichkeit durchgesetzt wurde. Das bekamen vor allem die Arbeiter zu spüren: 52 starben offiziellen Angaben zufolge auf der Baustelle, Gewerkschaften sprechen von höheren Opferzahlen. Als im vergangenen Jahr Tausende auf der Baustelle in den Streik traten, wurde dies mit äußerster Härte beantwortet, Hunderte wurden verhaftet, 61 angeklagt. Das ist schockierend, allerdings Trend in der Türkei: Seit die AKP an der Macht ist, steigt die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle stark an, etwa 20 000 waren es seit 2002. Das Land gehört neben China und Bangladesch zu den Ländern mit der weltweit höchsten Rate an Arbeitsunfällen. Dass dies alles wiederum in der Bundesrepublik nur selten thematisiert wird, mag auch daran liegen, dass die Zahl deutscher Firmen, die sich in der Türkei »engagieren«, seit 2002 ebenfalls stark gestiegen ist…“
  • „Die deutsche Wirtschaft in der Türkei“ von Jürgen Gottschlich in dem taz-Dossier zum Flughafen externer Link zeichnet die Geschichte deutsch-türkischer Wirtschaftsbeziehungen nach und hebt dabei zum Flughafen und aktuellen Perspektiven hervor: „… Zahlreiche deutsche Unternehmen beteiligen sich am Bau des neuen Flughafens in Istanbul. Als die türkische Regierung 2013 den Auftrag erteilte, gab der Frankfurter Flughafenbetreiber FRAPORT das höchste Angebot ab: 20 Milliarden Euro für den Bau und Betrieb des neuen Flughafens für 25 Jahre. Das Gebot war fast 8 Milliarden Euro höher als das der Baufirma İGA, die schließlich den Zuschlag erhielt. Die Hamburger Firma Heinemann erhielt den Zuschlag für den Duty-Free-Bereich und wird jährlich 500 Millionen Euro Miete an İGA zahlen. DHL baut auf dem neuen Flughafengelände ein 34.000 Quadratmeter großes Logistikzentrum im Wert von 135 Millionen Euro, während Thyssen Krupp alle 143 Passagierbrücken für das Terminal lieferte. Siemens wird für das Energiemanagement der Brandschutzsysteme des neuen Flughafens verantwortlich sein. Länger noch als Daimler Benz ist Siemens in der Türkei aktiv. Überall im Energie-, Transport- und mittlerweile auch im Gesundheitssektor mischt Siemens mit. Ihre erste türkische Niederlassung entstand 1907. Seitdem baut Siemens Kraftwerke, elektrifiziert die Bahn, die Metro und baute die ersten Windparks. Im Moment verhandelt Siemens einen Großauftrag, der in seinen Dimensionen an die Bagdadbahn erinnert: Für über 35 Milliarden Euro soll der Konzern neue Hochgeschwindigkeitsbahntrassen bauen und die existierenden modernisieren. Anschließend will die Türkei die entsprechenden Züge von Siemens kaufen. Nicht nur Großkonzerne aus Deutschland sind in der Türkei aktiv. Im Gegenteil: Insgesamt sind in dem Land 7.200 deutsche Unternehmen ansässig, nach Angaben des Auswärtigen Amtes mehr als in jedem anderen Land außerhalb Deutschlands. Diese massive Präsenz deutscher Firmen und deutschen Kapitals ist das Rückgrat der deutsch-türkischen Beziehungen…“
  • „Mindestes 108 „Arbeitsmorde” im März“ am 08. April 2019 bei der ANF externer Link meldet zur landesweiten monatlichen Todesstatistik: „Berufstätige Menschen leben in der Türkei gefährlicher als in anderen Ländern: Mindestens 1923 Menschen starben allein im vorigen Jahr bei der Arbeit. In den letzten fünf Jahren kosteten gefährliche Arbeitsplätze mehr als 10.000 Arbeiter*innen in der Türkei das Leben – davon allein ein Viertel im Bausektor. Nirgendwo nimmt die Zahl der „Arbeitsmorde“ so stark zu wie in der Baubranche, in der rund zwei Millionen Menschen beschäftigt sind. Auch die meisten der 108 „Arbeitsmorde” im März ereigneten sich in diesem Sektor. Die Zahlen gehen aus einem Bericht des gewerkschaftsnahen Verbands für Arbeitsplatzsicherheit (İşçi Sağlığı ve İş Güvenliği, İSİG) hervor, der am Montag veröffentlicht wurde.   Demnach handelt es sich bei vier der im Vormonat tödlich verunglückten Arbeiter*innen um Frauen, fünf weitere Getötete waren Kinder. Vier dieser Kinder arbeiteten in der Landwirtschaft, ein weiteres im Bau. Allein in den ersten elf Monaten des vergangenen Jahres starben mindestens 66 Kinder bei der Arbeit. Laut İSİG war es das Jahr mit den meisten Kinderarbeiter*innen, die tödlich verunglückten, obwohl die Regierungspartei AKP 2018 zum „Kampfjahr gegen Kinderarbeit“ erklärt hatte…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=147201
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