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Akt 15 der französischen Gelbwesten: Was den Unterschied ausmacht…

Gelbe-Westen-Demo am 8. Dezember 2018 in Paris, Frankreich. Foto von Bernard SchmidEigentlich sollte die Luft raus sein, wie etwa die Zeit in Deutschland spürte. Es werden weniger Gelbwesten auf den Demos und die wenigeren zerstreiten sich mehr, werden radikaler und scheren in ungute Richtungen aus. Darauf in etwa läuft die Essenz des Lageberichts hinaus, der am Samstagvormittag erschienen ist. Die Hamburger Zeitung stellt „Überdruss“ fest. „Unterdessen spielt Frankreichs Staatschef die Schwächung der Gilets Jaunes in die Hände. Seine Beliebtheitswerte steigen wieder an“, heißt es und tatsächlich konnte Macron heute auf einer Landwirtschaftsmesse in Paris „in der Menge baden“, wie Le Monde berichtet, „ohne Krach und Beleidigungen“. Als der Bericht erschien, gegen 18 Uhr 30, gab es am Trocadéro-Platz an anderen Stellen der Hauptstadt, etwa den Champs -Elysées, noch Krach und Unruhe, wie immer wenn die Polizei die Veranstaltungen der Gelb Westen auflöst. Bis zum Abend gab es diesmal zum Glück keine Meldungen von außerordentlichen Vorfällen. Der Tag war weitgehend sonnig gewesen, die Demonstrationen größtenteils friedlich. Manche Gelbwesten sollen Plakate getragen haben, auf denen der Antisemitismus eindeutig verurteilt wurde (anders als in der Küche Drouets, wie es die Zeit schildert). Es kamen auch wieder mehr, als es das Barometer der Medien voraussagte. 47.000 Teilnehmer meldete das Innenministerium für den heutigen acte XV für ganz Frankreich. Die Mobilisierung der Gilets jaunes „schwächelt nicht“, schreibt sogar Le Monde. Der Zeitung wird von Anhängern der Protestbewegung immer wieder vorgeworfen, dass sie der Regierung so nahe steht, dass sie die Gelbwesten absichtlich „runterschreibe“…“ – aus dem Beitrag „Gelbwesten-Demonstranten zeigen Durchhaltevermögen“ von Thomas Pany am 23. Februar 2019 bei telepolis externer Link über die abermals gescheiterten Bemühungen, ein Ende der Bewegung herbei zu schreiben, trotz aller Unterstützung für diese Kampagne aus der BRD. Siehe dazu auch zwei Hintergrundbeiträge zum Charakter der Bewegung und den Debatten über sie (und Verleumdungen gegen sie), sowie den Hinweis auf unseren bisher letzten Beitrag zur Bewegung der Gelbwesten in Frankreich:

  • „BERICHT/331: Gelbe Westen – nicht zu fassen …“ im Februar 2019 im Schattenblick externer Link gibt eine politische Bewertung als Einleitung und berichtet dann über Veranstaltung 172 Jour Fixe der Hamburger Gewerkschaftslinken im Curiohaus am 06. Februar 2019, bei denen Marie-Dominique Vernhes und Willy Hayek (beide den Leserinnen und Lesern des LabourNet Germany keine Unbekannten) über die Bewegung berichteten und ihre Bewertungen dazu zur Diskussion stellten – unter anderem einleitend so: „Alle waren total überrascht, als die Bewegung plötzlich massenhaft die Straßen blockierte. Dennoch kam sie keineswegs aus dem Nichts, gingen ihr doch Bewegungen in Griechenland und Spanien wie auch in Frankreich selbst voraus, wo es in den letzten Jahren teils heftige Auseinandersetzungen vor allem in Krankenhäusern und Altenheimen wie auch gegen Rentenkürzungen gegeben hatte. Die Rentenkürzung wurde als Solidaritätsakt gegenüber den Arbeitenden verkauft, womit die Regierung abermals deutlich zum Ausdruck brachte, wie sehr sie Teile der Bevölkerung verachtet. „Wir haben die Leute für intelligenter gehalten“, hieß es angesichts der Proteste. „Sie streiken? Das ist doch klar, sie können alle nicht lesen und schreiben.“ Macron gehört einer Elite an, die sich von bestimmten Hochschulen her kennt. „Auf den Bahnhofsvorplätzen gibt es zwei Typen von Menschen: Die einen gehen zum Zug, um ans Ziel zu kommen, die anderen bleiben immer auf dem Platz und sind nichts.“ Solche Aussagen des Präsidenten, die viele Menschen als verbale Gewalt wahrnehmen, spielen eine große Rolle in dieser Konfrontation. Zu den ökonomischen Zwangsmaßnahmen gesellt sich die elende Arroganz der Elite. Dagegen machen die Armen ihre Würde geltend, was die Angst der Herrschenden vor dieser Wut erklärt, die sich unmittelbar gegen sie richtet. Wenngleich die Aktionen der Gelbwesten überwiegend friedlich sind, fehlt es doch bei einem Teil der Bewegung nicht an der Bereitschaft, direkt gegen Repräsentanten…“
  • „Gelbe Westen – ein Klassenkonflikt …“ ebenfalls im Februar 2019 bei Schattenblick externer Link ist ein Gespräch mit Willi Hayek aus Anlass der obigen Veranstaltung, in dem er unter anderem ausführt: „… Ich würde zuerst einmal hervorheben, daß diese Bewegung von Anfang an eine bestimmte Distanz gegenüber allen Formen der Instrumentalisierung gewahrt hat, ob diese nun von rechts oder links kommen mag. Andererseits sind natürlich auch linke Aktive Teil der Gesellschaft und können als solcher mit ihren Überzeugungen sehr wohl Teil der Gelbwesten werden. Als politische Kraft einzugreifen, um die Gelbwesten zu instrumentalisieren, stößt jedoch auf großen Widerstand. Reale Unterstützung etwa gegen Übergriffe durch Polizeigewalt oder die Mittel einer Partei oder anderen Bewegung uneigennützig zur Verfügung zu stellen, ist etwas anderes. Das wäre ein anderes Verhältnis und keine instrumentelle Beziehung. Hingegen werden Vorschläge, die Gilets Jaunes auf eigene Parteilisten bei Wahlen zu nehmen, abgelehnt. Diese Haltung wurde sogar ausgebaut, je mehr sich die Bewegung strukturiert hat. Sie will niemanden haben, der für sie spricht. Die Bewegung ist davon geprägt, daß jeder Akteur wird. Es ist für Deutsche schwer zu verstehen, daß dies ein zentrales Ziel der Gelbwesten ist, die nicht Mitglieder irgendeiner linken Partei werden wollen. Der Autor, Herausgeber einer Satirezeitschrift und Politiker Francois Ruffin liest bei seinen Reden im Parlament häufig nur den Brief beispielsweise einer Krankenschwester vor, in dem sie berichtet, warum sie bei den Gilets Jaunes aktiv ist. Damit unterbricht er die politischen Rituale und macht die Nationalversammlung zu einem Ort, an dem auch kleine Leute eine Stimme haben…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=144871
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