Widerstand gegen Testlauf: Der Streit um die Volkszählung 2021

Dossier

"Lass Dich nicht erfassen!"„Gezählt, gewogen und gemessen. Bis ins Detail will der Staat mit einer Volkszählung erfassen, wie seine Bürger leben. Dagegen regt sich Widerstand – so zum Beispiel gegen den Testlauf für die nächste Volkszählung im Jahr 2021, der nächste Woche starten soll. Doch es geht vor allem ums Geld. (…) Die Verantwortlichen versprechen sich durch so einen Testlauf herauszufinden, ob der neue Standard für die Datenübertragung von den Kommunen zu den Statistischen Ämtern funktioniert. „Um mögliche Probleme, die dann auftreten könnten, schon im Vorwege zu sehen und zu beheben.“ (…) Dafür schicken die Kommunen dem Statistischen Bundesamt schon jetzt umfangreiche Datensätze der Bürger. Der Bundestag hatte dieses Vorgehen Mitte Oktober im Schnellverfahren gebilligt. Doch jetzt, kurz vor dem Testlauf, gibt es Widerstand. Ein Verein von Juristen, die Gesellschaft für Freiheitsrechte, hat einen Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht gestellt, um den Testlauf zu stoppen. Ulf Buermeyer ist Richter in Berlin und Vorsitzender der Gesellschaft für Freiheitsrechte: „Die Bundesregierung verstößt gegen die Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht für Volkszählungen aufgestellt hat, indem sie schon für einen Probelauf eben nicht anonyme oder pseudonyme Datensätze verwenden möchte, sondern die Originaldaten aller Menschen, die in Deutschland gemeldet sind.“ Das sei mit datenschutzrechtlichen Grundsätzen nicht vereinbar – und außerdem sei die Speicherung von Echtdaten für einen Test völlig überflüssig. „Denn dafür gibt es inzwischen eine ganze Reihe von technischen Maßnahmen, mit denen man dafür sorgen kann, dass man nicht die echten Daten verwenden muss für solche Testläufe, sondern eben Testdaten,“ erklärt Buermeyer…“ Beitrag Arne Schulz beim Deutschlandfunk vom 11. Januar 2019 externer Link Audio Datei (Audiolänge: ca. 19 Min., abrufbar bis zum 20. Juli 2019). Siehe dazu:

  • Die Volkszählung wird um ein Jahr verschoben: Zensus 2021 wird zu Zensus 2022 – es bleibt mehr Zeit, den Widerstand zu organisieren New
    Aufgrund der Corona-Pandemie soll der für das Jahr 2021 vorgesehene Zensus verschoben werden. Dazu hat das Bundeskabinett am 02.09.2020 einen Gesetzentwurf beschlossen. Der Zensus-Stichtag soll demnach um ein Jahr verschoben und die für den Zensus erforderlichen Datenlieferungen und -erhebungen an den neuen Stichtag angepasst werden. Neuer Zensus-Stichtag soll der 15.05.2022 werden. Hintergrund der Verschiebung seien die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie, die auch die öffentliche Verwaltung betrafen. Das Gesetz zur Verschiebung soll rechtzeitig zur nächsten Melderegister-Datenlieferung in Kraft treten. Am 29.06.2020 hat das Bundeskabinett bereits den Entwurf einer Rechtsverordnung zum Aussetzen der Melderegister-Datenlieferung im November 2020 beschlossen. Damit soll die laut Zensusgesetz 2021 vorgeschriebene Datenlieferung zur Vorbereitung des Zensus ausgesetzt werden, da diese bei einer Verschiebung des Zensus erst zu einem späteren Zeitpunkt notwendig ist. Der Bundesrat hat der Rechtsverordnung am 18.09.2020 zugestimmt. (…) Für die bislang – auch gegenüber dem Zensus 2011 – geringe Aktivität und Vernetzung der Gegner*innen bleibt durch die Verschiebung der Volkszählung ein größeres Zeitfenster. Die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main sucht bundesweit den Kontakt zu Zensus-kritischen Gruppen und Personen, um einen Austausch über den Zensus, die Gegenwehr und gemeinsame Aktivitäten zu beginnen. Wer zu uns Kontakt aufnehmen möchte kann dies per E-Mail (kontakt [at] ddrm [.] de) oder über Twitter (@dat3nschutz externer Link) tun.“ Meldung vom 30.9.2020 von und bei dieDatenschützer Rhein Main externer Link
  • Volkszählung 2021: Bürgerrechtler legen Verfassungsbeschwerde gegen Testlauf ein 
    „… 2021 findet die nächste Volkszählung statt. Um die dafür vorgesehene Software zu testen, hatte das Statistische Bundesamt eine Datenbank aller in Deutschland gemeldeten Bürger:innen erstellt – mit echten Meldedaten, anstatt anonymisierte oder Testdaten zu verwenden. Dagegen haben nun die Gesellschaft für Freiheitsrechte und der Arbeitskreis Zensus eine Verfassungsbeschwerde eingelegt, nachdem die Höchstrichter zuvor einen Eilantrag abgewiesen hatten. Die rechtliche Grundlage für den Testlauf hatte das Zensusvorbereitungsgesetz geschaffen. Insgesamt 46 personenbezogene Einzeldaten, darunter Klarnamen, Adressen sowie Angaben zu Religionszugehörigkeiten und Geburtsort, sollen demnach von den Meldestellen an das Statistische Bundesamt übermittelt werden. Dieses darf das umfangreiche Datenmaterial anschließend für bis zu zwei Jahren speichern und verwerten. (…) Es ist das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass personenbezogene Meldedaten der Bevölkerung zentral zusammengeführt wurden. Nach Ansicht der Datenschützer:innen verstößt diese Praxis gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, das aus dem Volkszählungsurteil von 1983 hervorgeht. Das Grundrecht besagt, dass jede Person selbst über die Freigabe und Bearbeitung von persönlichen Daten bestimmen darf. (…) Das Bundesverfassungsgericht hatte „in der Kürze der Zeit“ keine ausreichende Handhabe gefunden, eine einstweilige Anordnung gegen das Innenministerium zu stellen. Das Datenschutzrisiko der Bürger:innen bewertete das Bundesverfassungsgericht vorerst weniger schwerwiegend als die Notwendigkeit, einen reibungslosen Zensus 2021 sicherzustellen. Doch die Richter hatten in ihrem Urteil auch ihre Skepsis gegenüber den Modalitäten des Testverfahrens durchscheinen lassen: Eine Verfassungsbeschwerde sei aus der Sicht der Richter „nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet“. Auch der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit hatte laut dem Urteil in Frage gestellt, ob die Abspeicherung mit Klarnamen und detaillierten Merkmalen für den Testlauf notwendig ist…“ Beitrag von Alexandra Ketterer vom 16. August 2019 bei Netzpolitik externer Link
  • [Petition] Zensus 2021 – Verhindern der Datenübermittlung durch Privatunternehmen – Aussetzen der Volkszählung 
    Mit dem Zensusvorbereitungsgesetz 2021 und mit dem Zensusgesetz 2021 sollen Privatunternehmen, die erhebungsrelevante Daten über Eigentumswohnungen, deren Bewohner, Größe der Wohnung, Anzahl der Räume, Angaben zum energetischen Zustand und Vieles mehr vorliegen haben, ermächtigt werden, diese über das Internet an eine sogenannte CORE-Schnittstelle an Landesämter/Behörden zu übermitteln, ohne, dass der jeweilige Eigentümer oder Mieter/Bewohner von der Behörde darüber informiert wird. Diese vorgeblich zur Erfüllung staatlicher Aufgaben intransparente Datensammlung und Weitergabe von persönlichen Daten der Bürger, Eigentümer und Bewohner, muss verhindert werden. Sofern der Staat, gleich ob aus eigenem Antrieb oder, wie in diesem Fall, aufgrund von Vorgaben der EU solche Daten erheben will, möge er dazu sich direkt an die Betroffenen wenden, die damit den Rechtsweg ausschöpfen könnten, falls sie dies für erforderlich halten und nicht an den Betroffenen vorbei, über Dritte, noch dazu über gewinnorientierte Privatunternehmen, die Daten heimlich einzuheben…“ Petition an Bundesministerium des Innern – Bundesinnenminister von Markus Deusch co Potzler bei open Petition externer Link
  • Bundesverfassungsgericht: Erfolgloser Eilantrag gegen die testweise Datenübermittlung für den Zensus 2021 / GFF kündigt Verfassungsbeschwerde an
    „Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, der darauf gerichtet war, § 9a ZensVorbG 2021 und die danach seit dem 14. Januar 2019 vorgenommene Übermittlung personenbezogener Daten an das Statistische Bundesamt zur Vorbereitung des Zensus 2021 außer Kraft zu setzen. Nach dieser Vorschrift werden seit dem 14. Januar 2019 testweise bestimmte personenbezogene Daten aus allen Melderegistern an das Statistische Bundesamt übermittelt, damit dieses in Vorbereitung des Zensus 2021 die Übermittlungswege und die Qualität der für den Zensus 2021 zu übermittelnden Daten aus den Melderegistern prüfen und die Programme für die Durchführung des Zensus weiterentwickeln kann. Die Kammer entschied, dass eine gegebenenfalls noch zu erhebende Verfassungsbeschwerde zwar nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet wäre. Im Rahmen einer für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gebotenen Folgenabwägung überwiegen die Nachteile, die durch die testweise Übermittlung der Daten eintreten, jedoch nicht mit der für die Außerkraftsetzung eines Gesetzes erforderlichen Deutlichkeit gegenüber dem Gewicht, das der Gesetzgeber einer guten Vorbereitung der Durchführung des Zensus 2021 beilegen durfte. (…) Angesichts der eng begrenzten Verwendungszwecke und der strengen Vorgaben der Geheimhaltung überwiegt der Nachteil einer möglicherweise unverhältnismäßigen Speicherung nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit gegenüber dem Interesse daran, durch einen Testlauf eine reibungslose Durchführung des Zensus 2021 zu ermöglichen. Die Behörden dürfen die Daten nur zur Vorbereitung des Zensus nutzen. An den Inhalt der Daten selbst dürfen sie hierfür nicht anknüpfen und an ihm haben sie auch keinerlei Interesse. Demgegenüber ist nach dem bei vorläufiger Betrachtung nicht unplausibel erscheinenden Vortrag des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat der Probedurchlauf mit nicht anonymisierten Daten aller Meldebehörden erforderlich, um die Qualität der Merkmale und der Programme effektiv überprüfen zu können.“ BVerfG- Pressemitteilung Nr. 11/2019 vom 7. Februar 2019 zum Beschluss 1 BvQ 4/19 vom 06. Februar 2019 externer Link – Reichen dem BVerfG für einen solchen Grundrechtseingriff mittlerweile bereits völlig vage Begründungen aus?? Siehe dazu:

    • GFF kündigt Verfassungsbeschwerde gegen überflüssige und gefährliche Übermittlung von Meldedaten für Zensus-Testlauf an
      Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) kündigt eine Verfassungsbeschwerde gegen die massenweise Übermittlung von Meldedaten im Rahmen eines Testlaufs für den Zensus 2021 an, nachdem das Bundesverfassungsgericht den Test am Donnerstag auf einen Eilantrag der GFF hin nicht gestoppt hat. „Es ist sehr bedauerlich, dass das Bundesverfassungsgericht unsere Einschätzung des erheblichen Risikos nicht teilt, dass sich Angreifer Zugang zu diesem gigantischen Datenschatz verschaffen“, sagt Malte Spitz, Generalsekretär der GFF und einer der Antragsteller. „Aber das Gericht hat im Eilverfahren nur eine Folgenabwägung angestellt und hat fast schon um die Gelegenheit einer späteren Prüfung gebeten, ob für einen bloßen Test tatsächlich die Meldedaten von über 82 Millionen Menschen in Deutschland an einer Stelle zusammengeführt werden dürfen. Wir werden deshalb eine Verfassungsbeschwerde erheben.“ Die GFF plant, die Verfassungsbeschwerde ebenso wie bereits den Eilantrag in Kooperation mit den Aktivist*innen vom Arbeitskreis Zensus einzureichen. Hierfür ruft sie die Öffentlichkeit wiederum zu Spenden externer Link auf, um ihren Einsatz für den Datenschutz finanzieren zu können…“ Pressemitteilung vom 7.2.2019 externer Link
  • Zensus 2021: alle Daten, alle Bürger.innen. Digitalcourage: „Wir halten das Gesetz für offensichtlich verfassungswidrig“ / Eilantrag an das Bundesverfassungsgericht gegen den Testlauf 
    Am 13. Januar 2019 hat die Bundesrepublik begonnen, die umfangreichste Datenbank in ihrer jungen Geschichte zu schaffen. Dafür sollen sensible Informationen wie Name, Geschlechtsidentität, Familienstand oder Religionszugehörigkeit von allen Bundesbürger.innen im Rahmen eines Testlaufs für den Zensus 21 im Statistischen Bundesamt zentral zusammengeführt werden – ohne sie vorher zu anonymisieren oder pseudonymisieren. Im Test soll die Datenübermittlung für den angestrebten Zensus des Landes 2021 unter anderem auf Funktion getestet werden. Ein solcher Zensus soll der Regierung ein möglichst umfangreiches und exaktes Bild der Gesellschaft bieten. Der Staat möchte nicht nur wissen, wer wo wohnt, sondern auch wie viele Zimmer die Wohnung hat, wer sonst noch in der Etage wohnt und in welcher Beziehung die Wohnpartnerinnen zueinander stehen. Diese umfangreiche Erfassung und Auswertung personenbezogener Daten wollen die deutschen Behörden nun ab 13. Januar zentral zusammenführen und die Qualität der Daten, sowie den technischen Ablauf prüfen. Innerhalb von vier Wochen sollen sämtliche Meldeämter die Klarnamen der bei Ihnen erfassten Personen an das Statistische Bundesamt übermitteln, hinzu kommen unter  anderem folgende Daten: (…) Wie mit den Daten nach dem Test verfahren werden soll ist unklar, ein dokumentiertes Löschverfahren gibt es nicht. Digitalcourage hat derweil eine IFG-Anfrage auf fragdenstaat.de an das Statistische Bundesamt gerichtet, um offene Verfahrensfragen zu klären (…) Wir halten das Gesetz für offensichtlich verfassungswidrig. Der Testlauf stellt einen gefährlichen und überflüssigen Eingriff in die Intimsphäre der deutschen Bürgerinnen und Bürger dar. Der angestrebte Datenschatz ist ein sehr attraktives Ziel für Hacker und verstößt gegen elementare Erwägungen des Datenschutzes. Ist im tatsächlichen Zensus noch vorgegeben, wenigstens den Klarnamen von sonstigen Daten zu trennen, sind für den Probelauf keine derartigen Schutzmaßnahmen vorgesehen. Die Sicherheit und Vertraulichkeit der Daten von bis zu 82 Millionen Bundesbürger.innen steht und fällt mit dem Vertrauen in die IT-Infrastruktur des Bundes. Datendesaster aus der Vergangenheit rechtfertigen hier keinen Vertrauensvorschuss. (…) Aus diesen Gründen hat die Gesellschaft für Freiheitsrechte(GFF) zusammen mit den Datenschützern Rhein-Main und dem Arbeitskreis Zensus einen Eilantrag gegen das neue Gesetz gestellt. Leider hat dieser keine aufschiebende  Wirkung. Die Entscheidung liegt also umso mehr beim  Bundesverfassungsgericht. (…) Die GFF bittet um Spenden, um die Klage zu finanzieren…“ Beitrag von David Leeuwestein vom 17.01.2019 bei Digitalcourage externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=142627
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