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Die türkische Regierung verweigert weiterhin die Freilassung von Selahattin Demirtaş und setzt die Prozess-Serie gegen ihn fort

Demirtas - vor dem Attentatsversuch am 22.11.2015Vor dem Amtsgericht in Wêranşar (Viranşehir) hat eine Hauptverhandlung im Prozess wegen Beamtenbeleidigung gegen den ehemaligen HDP-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş stattgefunden. Der Angeklagte konnte an der Verhandlung nur aus dem Gefängnis in Edirne über eine Videoschaltung, die in den Gerichtssaal übertragen wurde, teilnehmen. Demirtaş kritisierte diese Verfahrensweise als Verletzung der europäischen Menschenrechtskonvention und der türkischen Verfassung: „Ich bin aufgrund einer politischen Entscheidung verhaftet und in ein Gefängnis gebracht worden, das 1500 Kilometer von meiner Familie entfernt ist. Aus diesem Grund möchte ich nach Wêranşar kommen und mich dort verteidigen. Laut Verfassung habe ich dazu das Recht. Gegen mich laufen Hunderte Prozesse und es sind politische Prozesse. In der Vergangenheit gab es FETÖ-Strukturen in Wêranşar, ich möchte kommen und dem Gericht direkt darüber berichten und meine Beweise vorlegen. In diesem Ermittlungsverfahren, das seit fünf Jahren andauert, ist erst zwei Jahre später nach Beweisen gesucht worden. Dieses und die anderen Verfahren sind politisch. Das Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hat das bewiesen“, so Demirtaş…“ – aus dem Beitrag „Demirtaş: Die Prozesse sind politisch“ am 22. November 2018 bei der ANF externer Link über einen der Prozesse gegen den prominentesten Kritiker des Erdogan-Regimes, den man um jeden Preis festhalten will. Siehe dazu:

  • Türkei: Demirtas muss in Haft bleiben New
    Das Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hilft dem ehemaligen Vorsitzenden der Oppositionspartei HDP nicht. Die Verfolgung der noch auf freiem Fuß befindlichen HDP-Abgeordneten oder Mitgliedern geht weiter
    Am Dienstag wurde Demirtas von einem Berufungsgericht in Istanbul wegen Terrorpropaganda zu einer Haftstrafe von vier Jahren und acht Monaten rechtskräftig verurteilt. Rechtskräftig deswegen, weil sich Demirtas seit mehr als zwei Jahren in Untersuchungshaft befindet und nun seine reguläre Haft antreten muss. Mit diesem juristischen Verfahrenstrick konnte die türkische Regierung die vom EGMR angeordnete Freilassung verhindern. Denn der EGMR hatte geurteilt, dass die Dauer der Untersuchungshaft nicht gerechtfertigt sei und Demirtas daher umgehend freigelassen werden muss. Präsident Erdogan reagierte prompt und ließ über die gleichgeschalteten Medien erklären, er fühle sich nicht an das Urteil gebunden und werde zum „Gegenschlag ausholen und einen Schlussstrich unter die Affäre ziehen“ (…) Einer von Demirtas‘ Anwälten, Mahsuni Karaman, erläuterte den Trick: Die Justiz werde den früheren HDP-Chef nun zwar im Hauptverfahren aus der U-Haft formal entlassen – damit kann sie behaupten, dass sie sich an das Urteil des EGMR hält. Freigelassen wird er aber nicht. Stattdessen werde Demirtas wegen der Bestätigung seiner Verurteilung zu vier Jahren und acht Monaten Haft weiter im Gefängnis als Geisel gehalten.
    ..“ Artikel von Elke Dangeleit vom 06. Dezember 2018 bei telepolis externer Link
  • „Demirtas soll trotz EGMR-Urteil in Haft bleiben“ von Gerrit Wustmann am 22. November 2018 bei telepolis externer Link hebt unter anderem zu Zusammenhängen und Entwicklung hervor: „Demirtas gilt als wichtigster Gegenspieler Erdogans. Bei den Parlamentswahlen 2015 zog seine HDP erstmals ins Parlament ein, die regierende AKP verlor ihre absolute Mehrheit. Erdogan blockierte daraufhin die Regierungsbildung und erzwang Neuwahlen. Zugleich kündigte er die Friedensgespräche mit der PKK auf, in der die HDP als Vermittler aufgetreten war und initiierte einen verheerenden Krieg gegen die Kurden im Südosten der Türkei. Später marschierte die türkische Armee im Grenzgebiet nach Syrien ein, um dort die kurdischen Freiheitsbestrebungen zu zerschlagen. Als Partner dienen der Türkei in diesem Krieg radikalislamische Terrorgruppen, die zum Teil aus ehemaligen IS-Kämpfern bestehen.  Kurdische Milizen waren zuvor maßgeblich an der Bekämpfung der Islamisten in Syrien beteiligt gewesen, während die AKP sie gewähren ließ – trotz mehrerer Terroranschläge mit Hunderten Toten. Im Juni trat Demirtas aus der Haft heraus im Präsidentschaftswahlkampf gegen Erdogan an und holte 8,3 Prozent der Stimmen – und das, obwohl seine Partei kaum in der Lage war, einen Wahlkampf zu führen, da nicht nur mehrere Abgeordnete, sondern auch Tausende Parteimitglieder im Gefängnis sind.  Man kann davon ausgehen, dass Demirtas Erdogan seine knappe Mehrheit verhagelt hätte, wäre er in Freiheit gewesen. Dass dies der eigentliche Haftgrund ist, klingt auch aus den Untertönen des EGMR-Urteils durch…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=140468
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