Der rechte Vormarsch: Im Staatsapparat und (dann auch in der) Gesellschaft

Heidenau 2015: Nazis raus aus den Köpfen! Plakat der Linken SachsenDer Aufstieg der AfD habe auch die rechten Kräfte in der Polizei beflügelt, die sich zuvor mit öffentlichen Äußerungen „zurückgehalten“ hätten. Die Rechtspopulisten böten diesem Spektrum im Polizeiapparat nun eine Plattform, um „ihre Meinung laut auszusprechen“. Es gebe viele „Polizisten oder ehemalige Polizeibeamte, die der AfD nahestehen oder für diese politisch aktiv werden“. Selbst Sachsens stellvertretender Ministerpräsident Martin Dulig warnte schon Anfang 2016 davor, dass die Polizei im Freistaat eine große Nähe zu Pegida und AfD aufweise. Ein reaktionärer, autoritärer Staat im Staate tritt offen zutage, der seine Sympathien für die Neue Rechte nicht mal mehr notdürftig kaschieren kann. Dies müsste eigentlich die entsprechenden historischen Erinnerungen aufkommen lassen an den historischen deutschen Vorfaschismus, als weite Teile des autoritären deutschen Staatsapparates das berüchtigte blinde rechte Auge ausbildeten, indem sie drakonische Repression gegen die Linke mit großzügiger Milde gegen Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus in der Weimarer Republik koppelten. Eine politisierte Polizei, die offen mit Rechtspopulisten und Rechtsextremisten agiert, um antifaschistischen Widerstand gegen die laufende Faschisierung zu marginalisieren und zu kriminalisieren – dies ist keine gruselige historische Erinnerung aus „Weimar“, sondern neue deutsche Realität in München. Rechte Medien und rechtsextreme Zusammenhänge in den sozialen Netzwerken starteten eine typische Hetzkampagne gegen einen geplanten antifaschistischen Kongress in der bayrischen Landeshauptstadt, um schließlich Flankendeckung von der Gewerkschaft der Polizei zu erhalten, die die bei Rechtsextremisten verhasste Veranstaltung im DGB-Haus verhindern wollte…“ – aus dem Artikel „“Wenn wir regieren, werdet ihr alle eingesperrt!““ von Tomasz Konicz am 07. Oktober 2018 bei telepolis externer Link, zweiter Teil einer Artikelreihe des Autors, in dem auch noch viele andere Zeichen der innerpolizeilichen Entwicklung Thema sind, wie etwa die verständnisheischende Dortmunder Polizei und ihr Schutzgeleit für antisemitische Ekelparaden. Zum rechten Vormarsch in bundesdeutschen Behörden und der Gesellschaft drei weitere Beiträge über Karrieren, Pakte und simple wie falsche Schuldzuweisungen:

  • „Radikale im öffentlichen Dienst“ von Otto Köhler am 06. Oktober 2018 in der jungen welt externer Link über langjähriges Personal und dessen Wirken hier am Beispiel eines kurzfristigen Präsidenten: „Kobra Köhler hatte gleich am Nachmittag nach der Maueröffnung im Finanzministerium ein – wie er schrieb – »Brainstorming« veranstaltet. Und schon am Abend dieses 10. November legte er in harmonischer Eintracht mit dem Referatsleiter »Nationale Währungsfragen«, Thilo Sarrazin (SPD), dem Minister ein Papier vor, das Theo Waigel mit seinem Namen unterzeichnete. »Wir müssen diese historische Stunde nutzen«, forderten die Autoren. Aber man musste auch besonders vorsichtig sein. Das Problem war doch – so Köhlers Freund und Mitarbeiter Gert Haller (der begleitete ihn später noch als oberster Staatssekretär ins Bundespräsidialamt): »Die weitreichenden Überlegungen, den Anschluss der DDR über den Artikel 23 des Grundgesetzes herzustellen, durfte man überhaupt nicht in den Mund nehmen.« Schlimmer noch: »Das Wort ›Anschluss‹ war tabu, weil man befürchtete, mit solchen Vokabeln würde die Aufbruchstimmung in der DDR massiv beeinträchtigt.« Von der wäre nichts übriggeblieben, wenn bekanntgeworden wäre, dass diese von Köhler und Sarrazin betriebene Nutzung der historischen Stunde für die dann bald verehemaligte DDR verödete Landschaften, Deindustrialisierung und Massenarbeitslosigkeit bedeutete. Das Handwerkszeug für seine Arbeit am Anschluss hatte sich Horst Köhler mit seiner Dissertation an der Universität Tübingen zurechtgelegt. Er hatte die 172-Seiten-Schrift in acht mühevollen Jahren erstellt und 1977 verteidigt. Ob es sich um eine »selbständige wissenschaftliche Arbeit« im Sinne des baden-württembergischen Hochschulgesetzes handelt, darf gefragt werden. Sie beruht auf einer Untersuchung, an der noch zwei andere Kollegen beteiligt waren. Aber der Titel von Köhlers Arbeit lag damals in der Bundesrepublik schon voll im Trend: »Freisetzung von Arbeit durch technischen Fortschritt«. Sein gutmütiger Doktorvater Professor Alfred Ott, der – laut Nachruf – »nie ein akademischer Glasperlenspieler« war, gab ihm dafür beherzt ein »Magna cum laude« – von einem Zweitgutachter ist nichts bekannt – und hatte ihn schon vorher nach Bonn an den damals noch nicht vorbestraften Bundeswirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff weitergereicht, der gerade »einen theoretisch versierten und ordnungspolitisch standfesten Ökonomen« suchte…“
  • „Boden für die AfD bereitet“ am 05. Oktober 2018 in neues deutschland externer Link meldet zum Wirken der CDU:“ Christoph Butterwegge hält ein Zusammengehen von CDU und AfD in Sachsen für möglich. Aus seinen Erfahrungen in einer Enquetekommission des sächsischen Landtages zum demografischen Wandel vor einigen Jahren berichtete der Kölner Politologe dem »nd«, dass »in der CDU-Fraktion ideologische Überscheidungen mit ultrarechten Kernideologien nicht zu übersehen« gewesen seien. »Zwar sprechen sächsische CDU-Politiker lieber von Patriotismus als von Nationalismus. Im Hinblick auf die demografische Entwicklung teilen sie aber die Befürchtung der AfD, das deutsche Volk und die Sachsen könnten aussterben«, so Butterwegge. Die sächsische CDU habe solche Positionen hoffähig gemacht und den Boden für Pegida und die AfD bereitet.  In Sachsen finden im September nächsten Jahres Landtagswahlen statt. Die Konservativen im Freistaat diskutieren schon seit geraumer Zeit über eine Annäherung an die AfD. CDU-Landtagsfraktionschef Christian Hartmann hatte kürzlich die Frage nach einer möglichen Koalition mit der AfD offen gelassen…“
  • „Der Ork in deinem Kopf „ von Christian Baron in der Ausgabe 39/2018 des Freitag externer Link ist ein Beitrag zum Thema „keine einfachen Schuldzuweisungen“ und führt dazu unter anderem aus: „Dabei liegt es eigentlich auf der Hand: Es gibt Ostdeutsche, die Hartz ΙV beziehen und Rassisten sind. Es gibt auch Ostdeutsche aus der Mittelklasse, die Rassisten sind. Und es gibt Ostdeutsche, die sehr viel Geld haben und Rassisten sind. Empirische Belege dafür, dass im Osten die Rassisten eine Mehrheit stellen und das Problem vorrangig eines der sogenannten Unterschicht ist, gibt es nicht. Ausgerechnet die unteren Klassen zu Prototypen des hässlichen Deutschen zu machen, verharmlost das gesellschaftliche Problem des Rassismus – und es verstärkt bestehende Diskriminierungsstrukturen. Mittlerweile gibt es Sprachtherapeuten, die Arbeitnehmern auf Wunsch ihres Arbeitgebers den sächsischen Akzent abtrainieren. Offenbar fürchten Unternehmer, ihr Geschäft könne darunter leiden, wenn sie Menschen beschäftigen, die ihre sächsischen Wurzeln nicht verbergen. Studien belegen, dass Kinder mit Namen wie Kevin oder Mandy viele Nachteile in Schule und Beruf erfahren, weil ihnen die Zugehörigkeit zur unteren Klasse und eine Herkunft aus Ostdeutschland zugeschrieben wird. Wer Rassismus vor allem als individuellen Bildungs- und Charaktermangel begreift, bedient ein entpolitisiertes Verständnis des Rechtsrucks. Der Abbau des Sozialstaats, die Aushöhlung von Bürgerrechten oder die Verschärfung des Asylrechts erscheinen dann als Begleitumstände, die einen rassistischen Mob ruhig stellen sollen. Als entwickele sich der Rassismus des „Pöbels“ im luftleeren Raum, und die Politik reagiere lediglich darauf. Wer also das Bild vom hässlichen Nazi-Proll aus dem Osten kultiviert, arbeitet sich an Vorurteilen ab, anstatt sich zu fragen, wer und was sie hervorbringt…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=138350
nach oben