Das “Ellwangen-Symptom“ – oder: Wie behaupteter Widerstand wirklich wird

Bündnis »Widerstand Mai 31 - Solidarität ist kein Verbrechen«Dass der Großaufmarsch von Repressionskräften im Ellwanger Lager eine pure Machtdemonstration war (und nicht etwa die Bekämpfung, sondern die Schaffung eines „rechtsfreien Raumes“) wird immer wieder an den darauf folgenden kleineren Aktivitäten deutlich – die man auch unter dem Titel „Rachejustiz“ zusammenfassen könnte. Dass aber andererseits die Meldungen darüber, wie sie von den Außendienstmitarbeitern der Polizei-Pressestelle (einst auch Journalisten genannt) eine von dieser Seite ganz und gar unerwünschte Wirkung haben, wird ebenfalls zunehmend deutlicher: Der tatsächliche Widerstand gegen das Abschieberegime der Lagerkommandanten wächst. Siehe dazu vier aktuelle Beiträge:

  • „6 Monate ohne Bewährung wegen Panik bei Polizeirazzia“ am 01. August 2018 bei Radio Dreyeckland externer Link berichtet unter anderem: „Ein Bewohner der Erstaufnahmestelle Ellwangen ist nach dem Polizei-Großeinsatz vom 3. Mai 2018 zu sechs Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt worden. Am gestrigen Dienstag wurde das Urteil vor dem Amtsgericht Ellwangen gesprochen. Nach dem Protest mehrere Bewohner der LEA Ellwangen gegen die Abschiebung eines Mitbewohners war die Polizei am 3. Mai frühmorgens mit einem Großaufgebot zurückgekehrt und hatte mehrere Personen festgenommen. Dabei drang die Polizei gewaltsam und überfallartig in mehrere Zimmer gleichzeitig ein. Nun finden Verhandlungen vor dem Amtsgericht Ellwangen statt; allerdings nicht gegen die verantwortlichen Polizisten, sondern gegen Bewohner der LEA…
  • „U-Haft für nichts“ von Alfred Denzinger am 09. August 2018 bei den Beobachter News:externer LinkEine Polizistin bestätigte den Sachverhalt. Sie habe gesehen, wie zwei ihrer Kollegen den Angeklagten fixiert hätten. Sie selbst habe dann die Beine des Mannes fixiert. Dieser habe zwar seine Beine bewegt, „aber es war kein Treten“, sondern mehr ein Drücken gewesen. Anschließend habe sich die Lage beruhigt, so die Beamtin. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft fordert für den Widerstand fünf Monate Haft – ohne Bewährung. Rechtsanwalt Timo Fuchs erklärte, dass sein Mandant wegen tätlichen Angriffs in Untersuchungshaft war. Bei bloßer Widerstandshandlung wäre keine U-Haft möglich gewesen. Er forderte eine Bewährungsstrafe, deren Höhe er im Ermessen des Gerichts ließ. (…) Es war die zweite Verhandlung zu diesem Vorfall in der LEA (Landes-Erst-Aufnahmestelle) Ellwangen. Im ersten Prozess wurde der damalige Angeklagte zu sechs Monaten Haft – ohne Bewährung – wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und tätlichen Angriffs verurteilt …
  • „War der Polizeieinsatz in der Landeserstaufnahme Ellwangen am 3. Mai 2018 eine politische Machtdemonstration ohne ausreichende rechtliche Grundlage?“ am 09. August 2018 bei der Aktion Bleiberecht externer Link hebt hervor: „Der nächtliche Großeinsatz wurde in einer Pressemitteilung der Polizei Aalen vom 03.05.2018 ebenfalls als „umfangreiches Personenfeststellungsverfahren“ gerechtfertigt. Dies bestätigte auch Thomas Hiesinger von der Kripo Aalen vor Gericht. Auch einzelne Polizisten bestätigten dies als Zeugen. Das heißt, die Polizeiaktion stand nicht in direktem Zusammenhang mit dem Protest der Geflüchteten. Dann stellt sich die Frage, warum und zu welchem Zweck eine solche Aktion zur Personenfeststellung durchgeführt wurde, obwohl doch jede Bewohnerin und jeder Bewohner über eine Chipkarte verfügt und das Verlassen und Betreten der Einrichtung mittels der Chipkarte erfasst wird. Über das Erfassungssystem hätte man schnell wissen können, wer sich in der Einrichtung aufhält und wer nicht. Selbst der Togoer hielt sich am 3. Mai in der Einrichtung auf. Der Togoer war nicht, wie behauptet, untergetaucht. War der Polizeieinsatz überhaupt rechtens? Muss nicht für eine Wohnungsbetretung, und das müsste auch für eine Landeserstaufnahmeeinrichtung gelten, denn auch ein Zimmer in einer Gemeinschaftsunterkunft ist eine Wohnung, eine ‚dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit‘ gegeben sein? War diese gegeben, wenn es sich um „Personenfeststellungen“ handelte, wie es die Pressestelle des Polizeipräsidiums Aalen mehrfach mitgeteilt hat ? Tatsächlich drängt sich die Frage auf, ob es sich bei der Aktion, bei der laut Regierungspräsidium Stuttgart 40 offene Türen durch die Polizei eingeschlagen wurden, nicht doch um eine politische Aktion gehandelt hat?…
  • „Erfolgreich verhinderte Abschiebeversuche durch Betroffene mehr als verdreifacht“ am 10. August 2018 bei Dem Volke Dienen externer Link berichtet über die Entwicklung des Widerstandes: „Die Aktion der Bewohner der Flüchtlingsunterkunft in Ellwangen, die am 30. Mai die Abschiebung eines aus Togo geflüchteten verhinderten und die Bullen verjagten, die ihn mitnehmen wollten ist dem ein oder anderen vielleicht noch im Gedächtnis. Montag veröffentliche die Bundesregierung ihre Zahlen zu den erfolgreich durchgeführten Verhinderungen von Abschiebungen auf dem Luftweg im ersten Halbjahr 2018, sowohl durch die jeweiligen Betroffenen wie auch durch andere Umstände, wie z.B. gesundheitliche Gründe oder Piloten die ihren Dienst verweigerten. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, d.h. dem ersten Halbjahr 2017, hat vor allem die Anzahl von „Gescheiterten Abschiebungen auf dem Luftweg auf Grund von Wiederstandhandlungen“ einen großen Sprung gemacht und sich mehr als verdreifacht. Waren es (laut Bundesregierung) im Jahr 2017 noch 186 erfolgreich verhinderte Abschiebungen in den ersten sechs Monaten, so waren es diesen Jahres bereits 641 (während die Gesamtzahl der Abschiebungen nur leicht in die Höhe gegangen ist)…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=135985
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