Geld für Sozialabbau – In der Euro-Zone kursieren verschiedene Pläne für eine größere und neoliberal verfasste Währungsunion

Brexit: No to EU AusterityDie Regierungen der größten und zweitgrößten EU-Volkswirtschaft, Deutschland und Frankreich, zanken seit Monaten über eine gemeinsame Linie bei den anstehenden Reformen der Euro-Zone. Am Sonntag hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf die Vorschläge aus Paris reagiert und ein bisschen Entgegenkommen gezeigt. (…) In dieser komplexen Gemengelage erhöhte jüngst auch die EU-Kommission mit neuen Reformvorschlägen den Einigkeitsdruck: Mit einer sogenannten Reformhilfe- und Stabilisierungsfunktion soll die Euro-Zone robuster gemacht werden. Neue Hebel zur Durchsetzung von Liberalisierungs-, Privatisierungs- und Kürzungsprogrammen inklusive. (…) Im nächsten EU-Finanzplan soll ein Budget von 25 Milliarden Euro bereitgestellt werden, um Reformen quasi zu kaufen: Wer bereit ist, neoliberale Maßnahmen nach dem Geschmack der Kommission umzusetzen, kann dafür finanzielle und technische Hilfe beantragen. So sollen Anreize geschaffen werden, auch dann radikale Kürzungen durchzusetzen, wenn die Haushaltssituation und die Abhängigkeit von externer Finanzierung das nicht unbedingt erfordern. (…) Insgesamt zielen die Vorschläge also darauf ab, die Währungsunion nicht nur stabiler, sondern auch größer und im neoliberalen Sinne einheitlicher zu machen. In Sachen Stabilisierung und Neoliberalisierung passen die Vorschläge gut zu dem, was sich nach Merkels Beitrag zaghaft als Kompromiss zwischen Berlin und Paris andeutet…“ Beitrag von Steffen Stierle in der jungen Welt vom 6. Juni 2018 externer Link und dazu auch:

  • »Strukturreformen« in Europa: Ein falsch verstandener Strukturbegriff? New
    Das neue »Loi Travail« in Frankreich und der italienische »Jobs Act« – Matteo Renzis Arbeitsmarktreform – sind exakt das, was Europa unter Maßnahmen versteht, die »grundlegend für die Sicherung des künftigen Wachstums in Europa und die Stärkung der Wirtschaftsunion« sein sollen. Strukturreformen sind laut Europäischer Zentralbank »Maßnahmen, die den institutionellen und regulatorischen Rahmen einer Volkswirtschaft verändern, in dem Unternehmen und Menschen ihrer Tätigkeit nachgehen (…) Tatsächlich sind die kurzfristigen Auswirkungen sogar in erheblichem Umfang negativ, insbesondere wenn diese Reformen in Krisenzeiten umgesetzt werden. Diese Erkenntnis, die durch zahlreiche Studien gestützt wird, wurde inzwischen von den wichtigsten internationalen Institutionen weithin anerkannt. Darüber hinaus haben diese Reformen die Gesellschaften ungleicher gemacht, ohne dabei die Wettbewerbsfähigkeit der Länder zu verbessern, die diese Maßnahmen umgesetzt haben.  (…) Der Vorschlag, einen Mechanismus zur automatischen Anpassung der Löhne an die Handelsüberschüsse einzuführen, der die strukturelle Anhäufung von Überschüssen und Defiziten innerhalb des Euroraums verhindert hätte, ganz ohne Strukturreformen und Sparpolitiken durchzuführen, hat in den europäischen institutionellen Kreisen keinerlei Anklang gefunden und ist zu den Akten gelegt worden. Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank und die Liberalisierung der Finanzmärkte machen es zudem unmöglich, staatliche Maßnahmen umzusetzen, da die Staaten ständig von einem spekulativen Angriff auf die Staatsverschuldung oder von Kapitalflucht bedroht sind. Doch es ist nicht der Wettlauf um den niedrigsten sozialen Standard und das Vertrauen in die Tugenden des freien Marktes, der es den europäischen Ländern ermöglichen wird, einen Weg des nachhaltigen Wachstums und der nachhaltigen Entwicklung einzuschlagen. Noch weniger wird die immer dringendere ökologische Transformation, die ja massive öffentliche Investitionen erfordert, auf diese Weise gelingen…“ Artikel von Federico Bassi vom 21. Juni 2018 beim Blickpunkt WiSo externer Link
  • Zuckerbrot & Peitsche: Wie die EU neoliberale Reformen durchdrückt 
    „… Die Europäische Kommission ist eine Meisterin der politischen Einflussnahme. Immer wieder schafft sie es, ihren Einfluss schrittweise auch in Politikfeldern auszubauen, in denen ihr die europäischen Verträge nur begrenzte Gestaltungskompetenz zugestehen. Besonders gut gelingt ihr das im Bereich der Wirtschaftspolitik. Ihre jüngsten Vorschläge zur Stabilisierung der Wirtschafts- und Währungsunion illustrieren dies wieder einmal deutlich. Denn bei der Durchsetzung neoliberaler Reformen zeichnet sich ein Strategiewechsel ab. (…) Anstatt der Peitsche holt sie nun das Zuckerbrot hervor, wie ihre aktuellsten Pläne zeigen. Durch das Reformhilfeprogramm, das die Kommission im nächsten EU-Budget verankern möchte, sollen Mitgliedstaaten eine finanzielle Belohnung erhalten, wenn sie die haushaltspolitischen und makroökonomischen Vorgaben einhalten. Ein ähnlicher Mechanismus ist auch bei der so genannten „Investitionsstabilisierungsfunktion“ vorgesehen: Auch hier sollen Mitgliedstaaten nur dann Zugang zu Geldern bekommen, wenn sie vorher die entsprechenden EU-Vorgaben erfüllt haben. (…) Diese Technik der politischen Machtausübung ist sicher subtiler. Belohnungen rufen nicht so viele Gegner auf den Plan wie Bestrafungen. Dennoch sind die geplanten Instrumente höchst problematisch, da sie die politische Verbindlichkeit der haushalts- und wirtschaftspolitischen EU-Vorgaben erhöhen, die den Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erfahrungsgemäß leider meist entgegenlaufen. Zudem werden diese Reformvorschläge weitgehend auf technokratischem Weg ohne parlamentarische Beteiligung formuliert…“ Beitrag vom 7. Juni 2018 von und bei DGB Klartext 21/2018 externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=133156
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