Prekarisierung und Digitalisierung – und wie die Politik damit umgehen möchte

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 17.5.2018

St. PrekariusOliver Nachtwey hatte seine Gedanken zu Marx – und zur Abstiegsgesellschaft – recht kenntnisreich entwickelt. Mit Harald Schumann kann man zeigen, wie das Kapital längst die Entwicklung für sich „monopolisiert“. Ich habe mich jetzt einmal – aus Anlass der DGB-Konferenz – zu weiteren Gedanken anregen lassen, ohne deshalb schon bei Jeremy Rifkin und Paul Mason und ihren Digitalisierungs-Utopien „definitiv“ landen zu können!

Prekarisierung und Digitalisierung – wie kann es enden?

Oliver Nachtwey hat sich noch einmal Marx vorgenommen – und seine Aktualität gerade für die heutige Zeit feststellen müssen: „Marx und die Abstiegsgesellschaft“ (https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2018/mai/im-fahrstuhl-nach-unten-marx-und-die-abstiegsgesellschaft externer Link).

Wie der Fahrstuhl nach unten funktioniert konnte gerade beim DGB-Kongress noch einmal festgehalten werden: Die deutschen Gewerkschaften kamen unmittelbar nach der Vereinigung auf fast 12 Millionen (11,8 Mio.) Mitglieder, heute dagegegen ist nur rund die Hälfte davon (5.995.000 Mitglieder) in den 8 im DGB zusammengeschlossenen Einzelgewerkschaften organisiert. Zwar sind die DGB-Gewerkschaften in einigen Bereichen noch stark, beispielsweise die IG Metall in der Autoindustrie oder Verdi im öffentlichen Dienst. Doch in etlichen Branchen sieht es sehr mau aus. Das lässt sich auch an der Anzahl der Betriebe verdeutlichen, die sich noch in der Tarifbindung befinden. (http://www.taz.de/!5502801/ externer Link)

Nach den jüngsten Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sind mittlerweile 70 Prozent der Betriebe weder an einen Flächen- noch an einen Haustarifvertrag gebunden. Das bedeutet: Gerade einmal 56 Prozent der Beschäftigten arbeiten heute noch auf einer tarifvertraglichen Grundlage – in Ostdeutschland sind es sogar nur 47 Prozent.

Das macht Arbeitskämpfe „für alle“ schwer. Zum Vergleich noch einmal: Vor zwei Jahrzehnten verfügten noch fast 74 Prozent der Beschäftigten deutschlandweit über einen Tarifvertrag, den Gewerkschaften erstritten hatten. (Vgl. http://www.iab.de/de/informationsservice/presse/presseinformationen/tb2016.aspx externer Link)

Das Anwachsen tariffreier Zonen macht gewerkschaftlichen Einfluss obsolet.

Die abnehmende Tarifbindung und das Anwachsen tariffreier Zonen sind ein Angriff auf die gewerkschaftliche Mitgestaltung und Mitbestimmung in Wirtschaft und Gesellschaft„, heißt es dazu im einstimmig beschlossenen Leitantrag des DGB-Bundesvorstandes für den DGB-Kongress. (http://www.taz.de/!5502801/ externer Link)

Bei dieser Feststellung wird noch unterschlagen, dass auch die Tariflöhne inzwischen weit auseinander klaffen (http://www.fr.de/wirtschaft/frax/frax-oben-top-unten-flop-a-1491782 externer Link). Darin drückt sich weiter die Schwäche der Gewerkschaften in der Gestaltung der Löhne aus.

Dazu kommt dann eben noch, dass den Arbeitnehmern in der volkswirtschaftlichen Verteilung – so in der Lohngestaltung geschwächt – gegenüber der Unternehmensseite seit der Jahrtausendwende 1,4 Billionen entgangen sind. (http://www.fr.de/wirtschaft/frax/frax-arbeitnehmern-sind-1-4-billionen-euro-entgangen-a-1491787 externer Link) Ausführlich wurde das im Kapitel 2 des aktuellen Memorandums noch ausgeführt (http://www.alternative-wirtschaftspolitik.de/veroeffentlichungen_der_arbeitsgruppe/memorandum_2018/index.html externer Link).

In diese schräge soziale Situation hinein trifft die Diskussion um das solidarische Grundeinkommen.

Der regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, möchte damit eine Diskussion anstoßen, um das Hartz-System langfristig zu überwinden – vor allem durch unbefristete Arbeit. (http://www.taz.de/!5502912/ externer Link) Allerdings ist er sich im klaren, dass er „allein“ nicht das Hartz-IV-System ablösen kann.

Dazu müssen dann aber auch Investitionen kommen. Dafür muss dann aber auch die politische Linie der Bundesregierung mit ihrem dogmatischen Festhalten an der „schwarzen Null“ überprüft werden. (Vgl. „GroKo schlittert mit der schwarzen Null auf einen Skandal zu“: https://www.labournet.de/?p=131626) Gerade von der IG Metall wurde diese Beschränkung auch moniert (http://www.fr.de/politik/meinung/gastbeitraege/olaf-scholz-die-schwarze-null-bedeutet-ein-weiter-so-a-1488700 externer Link).

Inwieweit in der Praxis dann der „Abstiegsgesellschaft“ wie sie Marx so „hellseherisch“ prognostiziert hat, ein Ende bereitet wird, muss abgewartet werden. (https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2018/mai/im-fahrstuhl-nach-unten-marx-und-die-abstiegsgesellschaft externer Link) Auf jeden Fall könnte es durch Monopolisierungsentwicklungen ohne Erfolg bleiben.

Wie das Großkapital (Banken) die Profite für sich generieren, um sie dem Faktor Arbeit zu entziehen, kann durch die fortschreitende Monopolisierung im Bankensektorvorangetrieben werden.

Harald Schumann hat das an den gewaltigen Finanzkonzern Black Rock aus den USA exemplarisch dargelegt (https://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/sonntag/blackrock-ein-geldkonzern-auf-dem-weg-zur-globalen-vorherrschaft/21246966-all.html externer Link). Oliver Nachtwey hat in seiner Revue des Marx`schen Denkens gemeint: Marx hat mehr Verständnis für den Kapitalisten in seinen Ökonomischen Zwängen, als mit dem politischen Gegner. (https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2018/mai/im-fahrstuhl-nach-unten-marx-und-die-abstiegsgesellschaft externer Link)

Und so könnte er – im Falle VW – auch verstehen, warum der Druck der Profitrate so stark war, dass ein vernünftiges, gar umweltfreundlicheres Handeln nicht möglich war, (vgl dazu https://www.labournet.de/?p=131838)

Dann kommen noch die Anstrengungen von Arbeitnehmerseite die Digitalisierung für sich in der Griff zu bekommen.

– Ein hilfloser Kampf um Löhne bei Amazon – (http://www.ipg-journal.de/schwerpunkt-des-monats/digitalisierung/artikel/detail/sozialdigital-2726/ externer Link)

Was bisher wohl nur einen guten Willen „markiert“, ohne die Arbeitnehmerrechte in diesen Internetfirmen in den Griff zu bekommen. (vgl. z.B. (https://www.labournet.de/branchen/dienstleistungen/handel/handel-amazon/arbeitskampf-bei-amazon-grundsatzkonflikt-mit-politischem-sprengstoff/ – siehe auch den Überblick für Amazon bis zuletzt https://www.labournet.de/category/branchen/dienstleistungen/handel/handel-amazon/)

Jeremy Rifkin und Paul Mason als Propheten einer „nichtkapitalistischen“ Zukunft durch diese Digitalisierung: Jeremy Rifkin „Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft“ – Das internet der Dinge, kollaboratives Gemeingut und der Rückzug des Kapitalismus (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/jeremy-rifkin-die-null-grenzkosten-gesellschaft-13151899.html externer Link) und Paul Mason, „Postkapitalismus“, auf dem Weg zu einer kommenden Ökonomie (https://www.zeit.de/2016/16/postkapitalismus-paul-mason-england-arbeiter-kritik externer Link)

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=132193
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