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Ausnahmezustand in der Türkei erneut verlängert: So kann man gut wählen lassen. Und die Waffen aus Deutschland kommen weiterhin…

aufruf demo tuerkei bei cihangir parkiDer Ausnahmezustand in der Türkei ist zum siebten Mal um drei Monate verlängert worden. Das Parlament in Ankara stimmte erwartungsgemäß einer weiteren Verlängerung des Notstandes zu, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. Im Parlament hat die islamisch-konservative Regierungspartei AKP von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan eine Mehrheit. Der Nationale Sicherheitsrat hatte die Verlängerung des nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 verhängten Ausnahmezustands am Vortag beschlossen – und mit dem Kampf gegen den Terrorismus begründet. Die Regierung macht den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen für den Putsch verantwortlich. Im Parlament kontrolliert Erdogans islamisch-konservative Regierungspartei AKP eine Mehrheit. Die von Erdogan auf den 24. Juni vorgezogene Parlaments-und Präsidentschaftswahl wird nun wohl im Ausnahmezustand abgehalten“ – aus der dpa-Meldung „Parlament verlängert Ausnahmezustand zum siebten Mal“ am 18. April 2018 hier bei Spiegel Online externer Link, inklusive eben des Hinweises darauf, dass dies auch der erste Schritt im anstehenden Wahlkampf ist… Siehe dazu auch zwei Beiträge zur angesetzten vorgezogenen Neuwahl und einen zu den immer angesetzten Waffenlieferungen aus der BRD, auch als Wahlhilfe wirksam:

  • „Erdogan ruft an die Urnen“ von Nick Brauns am 19. April 2018 in der jungen welt externer Link zu den Gründen für die vorgezogene Wahl: „In der Türkei finden am 24. Juni vorgezogene Neuwahlen statt. Das gab Präsident Recep Tayyip Erdogan am Mittwoch nach einem Treffen mit dem Vorsitzende der faschistischen Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP), Devlet Bahceli, bekannt. Dieser hatte die Forderung nach einem vorgezogenen Urnengang zuerst während einer Fraktionssitzung am Dienstag erhoben. Allerdings glaubt kaum jemand, dass Bahceli, dessen MHP mit der regierenden religiös-nationalistischen »Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung« (AKP) bereits eine Allianz zum gemeinsamen Antritt bei Wahlen gebildet hat, ohne Absprache mit Staatschef Recep Tayyip Erdogan gehandelt hat.Da das Präsidialsystem noch nicht vollständig umgesetzt sei, werde es schwierig, das Land bis zum regulären Wahltermin für Parlament und Präsident am 3. November 2019 stabil zu führen, begründete Bahceli seine Forderung. Mit – trotz Manipulationen – nur knapper Mehrheit hatte Erdogan im vergangenen Jahr ein Referendum über die Einführung eines auf ihn zugeschnittenen Regierungssystems gewonnen. In Kraft treten die Änderungen, die den Präsidenten zum faktischen Alleinherrscher machen, allerdings erst nach einer Neuwahl, die ein Kandidat mit 50 Prozent plus einer Stimme gewinnen muss. (…)Sorge dürfte der Regierung vielmehr die Ökonomie bereiten. Zwar ist die Wirtschaft weiter auf Wachstumskurs, allerdings ist dies umfangreichen staatlichen Kreditspritzen geschuldet, um die Gunst der Wählerschaft zu erhalten. Doch die Währung ist unter Druck, die Inflationsrate liegt bei über zehn Prozent. Leistungsbilanz- und Außenhandelsdefizit wachsen bedrohlich an, ausländische Direktinvestitionen sind drastisch zurückgegangen, Verbraucherpreise schnellen in die Höhe. So spekuliert die AKP-MHP-Allianz darauf, die durch den Krieg gegen Afrin in Nordsyrien herrschende chauvinistische Stimmung für sich nutzen zu können“.
  • „Türkei: Erdogan zieht Wahlen auf Juni 2018 vor“ von  Gerrit Wustmann am 19. April 2018 bei telepolis externer Link hebt zur aktuellen auch wirtschaftlichen Situation hervor: „Erdogan will zum hundertjährigen Republik-Jubiläum im Jahr 2023 noch Präsident sein und das Erbe von Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk antreten. Das kemalistische Erbe hat er fast gänzlich zerschlagen, den symbolischen Taksim Platz im Istanbuler Stadtzentrum baut er radikal um. Dort entsteht eine neue Moschee, das Atatürk-Kulturzentrum wurde abgerissen. Es steht zu befürchten, dass auch der Abriss des Gezi-Parks bald wieder zum Thema werden könnte. Allerdings hält Erdogan sich nur noch mit Gewalt an der Macht. Das Land steckt wirtschaftlich in einer Krise, die nur durch gigantische staatliche Zuschüsse vor allem im Bausektor kaschiert wird. Das hohe Wachstum täuscht über die reale Lage hinweg. Hohe Inflation, die gegenüber Dollar und Euro fast täglich weiter absackende Türkische Lira und die hohe Arbeitslosigkeit von fast elf Prozent machen dem Land zu schaffen. Erdogan hatte gehofft, mit dem Krieg gegen die Kurden in Syrien die Zustimmung für sich und seine Partei zu erhöhen. (…) Doch obwohl eine überwältigende Mehrheit der Türken den Krieg gutheißt, ist die AKP in Umfragen zuletzt immer weiter abgesackt und liegt je nach Institut zwischen 38 und 43 Prozent Zustimmung. Die rechtsradikale MHP, mit der die AKP basierend auf dem neuen Wahlgesetz ein Bündnis eingegangen ist, kommt auf höchstens acht Prozent. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass Erdogan nicht auf die erforderlichen 51 Prozent kommen wird, die er braucht, um seine Macht zu zementieren. Möglicherweise wird das Bündnis, das sich selbst „Volksallianz“ nennt, daher weitere rechtsradikale und islamistische Splitterparteien aufnehmen“. Und zu den Aussichten der Opposition: „Dass dies gelingt ist höchst unwahrscheinlich. Zwar steht Meral Aksener populär und ihre Partei gut da. Doch die kemalistische CHP hat es verschlafen, die enorme Aufmerksamkeit zu nutzen, die sie aus ihrem Gerechtigkeitsmarsch und den Massendemos im Vorjahr gezogen hatte. Zuletzt hatte sie sich (wie alle Parteien außer der HDP) auch für den Kriegseinsatz in Syrien stark gemacht und heißt die Verfolgung von Gülen-Anhängern und kurdischen Aktivisten gut. Kilicdaroglu fehlt also ein klares Profil in Abgrenzung zur AKP. Die HDP ist derweil nur sehr eingeschränkt handlungsfähig, weil neben mehreren tausend Parteimitgliedern und mehreren Abgeordneten auch ihre Galionsfigur, der ehemalige Parteichef Selahattin Demirtas, in Haft sitzt. Dass IP, CHP und HDP eine ansatzweise gemeinsame Linie finden, ist kaum zu erwarten. Doch selbst wenn ein Bündnis gelingen sollte sind die Aussichten denkbar schlecht. Schon im April 2017 konnte Erdogan das Verfassungsreferendum zur Einführung des Präsidialsystems mittels Manipulationen knapp für sich entscheiden. (…) Das im März verabschiedete neue Wahlgesetz (siehe: Türkei: Wahlmanipulation ist jetzt legal) hat sämtliche Manipulationen legalisiert. Diese Reform hat überhaupt erst die Parteienbündnisse im Vorfeld der Wahl ermöglicht. Denn ohne Bündnis hätte die AKP keine Chance, 51 Prozent der Stimmen zu erreichen, und die MHP würde an der Zehn-Prozent-Hürde scheitern“.
  • „Deutsche Waffen, deutsches Geld…“ von Angela Klein am 01. April 2018 in der SoZ Online externer Link (Ausgabe 4/2018) war auch noch einmal ein zusammenfassender Überblick über die Waffengeschäfte der BRD mit der Türkei: „Die deutschen Militärausgaben sind seit der Jahrtausendwende bis 2017 massiv gestiegen – von 24 Mrd. Euro auf über 38 Mrd. Euro; und sie sollen bis 2024 nochmal verdoppelt werden! Der Löwenanteil des Geldes ging in die Beschaffung neuer Rüstungsgüter: von Panzern aller Art, Hubschraubern, Mehrzweckkampfschiffen bis hin zur Drohne ist alles dabei, vor allem aber Kleinwaffen und Munition. Geliefert wird vor allem in Krisengebiete und in Länder mit autokratischen Regimen: Algerien lag im Jahr 2016 auf Platz 1 der Empfängerländer; Saudi-Arabien auf Platz 3; die USA, die Saudi-Arabien beim Krieg im Jemen unterstützen, auf Platz 2; die Vereinigten Arabischen Emirate, ebenfalls im Bündnis mit Saudi-Arabien, auf Platz 7; Erdogans Türkei auf Platz 8. Bei diesen Lieferungen wird das Kriegswaffenkontrollgesetz, das den Export von Waffen in Drittstaaten (nicht EU, nicht NATO oder assoziiert) im Regelfall nicht genehmigt, systematisch missachtet. Rüstungsunternehmen wie Rheinmetall haben zudem inzwischen internationale Lieferketten und können ihre Produkte problemlos über Länder exportieren, die den Beschränkungen des Grundgesetzes nicht unterliegen“.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=130804
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