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Lizenz zum Töten für Erdogans paramilitärische Banden?

Nicht für Einzelpersonen, sondern für sie gilt Erdogans lizenz zum Töten von Weihnachten 2017Erdogans Dekret Nr. 696 nun zum Vergleich im Wortlaut: „Ungeachtet dessen ob sie einen offiziellen Rang oder Amt innehaben, für alle Personen, die gegen Umsturzbestrebungen, wie z.B. den Putschversuch vom 15.07.2017 und terroristischen Bestrebungen oder jegliche Arten von Fortführung dieser Aktivitäten vorgehen, tritt der erste Paragraph in Kraft.“ Paragraph 1 lautet: „Jeder der sich dazu entschließt gegen Umsturzbestrebungen, wie z.B. den Putschversuch vom 15.07.2016, terroristischen Bestrebungen oder jegliche Arten von Fortführung dieser Aktivitäten vorzugehen, (…) ist von rechtlichen, administrativen, finanziellen und strafrechtliche Verfolgungen ausgeschlossen.“ Während Justizminister Abdülhamit Gül und der AKP-Sprecher Mahir Ünal davon sprachen, das Dekret beziehe sich nur auf die Ereignisse am 15.7.16 und den darauffolgenden Morgen, steht jedoch im §1 des Dekretes: „(…) terroristischen Bestrebungen oder jegliche Arten von Fortführung dieser Aktivitäten vorzugehen, (…).“ Damit erhalten zivile, paramilitärische oder kriminelle Individuen und Gruppen die Erlaubnis, jegliche Opposition, jeglichen Protest und zivilgesellschaftliche Kritik unter Verweis auf dieses Dekret mit Waffengewalt niederzuschlagen. Wenn man bedenkt, dass Ende 2016 ca. in der Türkei 20 Millionen Waffen im Umlauf gewesen sein sollen und davon ca. 17 Millionen nicht registriert waren, kann einem Angst und Bange werden“ – aus dem Beitrag „Staatlich legitimierte Selbstjustiz in der Türkei?“ von  Elke Dangeleit am 28. Dezember 2017 bei telepolis externer Link, worin eingangs der Vergleich zum Deutschen „Reich“ 1934 gezogen wird. Die Stellung der Gegner Erdogans außerhalb der Gesetze, wie sie von seiner nazionalistischen AKP betrieben wird, wird allseitig betrieben, wie auch in diesem Beitrag deutlich wird: Sowohl die 6.500 Gefangenen wegen Putschbeteiligung, als auch die über 50.000 wegen „Terrorismus“ fest gehaltenen Menschen sollen künftig entsprechende Uniformen tragen müssen. Wobei hier darauf hinzuweisen ist, dass der Eindruck, den manche bundesdeutsche Medien erwecken, die „Lizenz“ beziehe sich auf irgendwelche einzelne Personen, irreführend ist: Die Entwicklung der paramilitärischen Gruppen spricht für sich… Siehe zur Mordkampagne der AKP, Erdogans Übernahme der Rüstungspolitik und der reaktionären bewaffneten Mobilisierung in der Türkei sechs weitere aktuelle Beiträge, auch zur Entwicklung der paramilitärischen Gruppen:

  • „Selbstjustiz der Regierungsanhänger“ von Wolf Wittenfeld am 27. Dezember 2017 in der taz externer Link, worin es heißt: „Der Wortlaut des Dekrets, so sieht es der frühere Präsident Abdullah Gül, ein Gründungsmitglied der AKP und lange Verbündeter Erdoğans, sei nicht eindeutig auf die Vergangenheit beschränkt. „Der Text muss dringend präzisiert werden“, twitterte Gül. Der Kolumnist der Tageszeitung Hürriyet,Ahmet Hakan, befürchtet gar, durch das Dekret könnten bürgerkriegsähnliche Verhältnisse heraufbeschworen werden. „Was passiert, wenn jemand einen anderen erschießt und sagt: Ja, ich habe ihn erschossen, aber er war ein Terrorist?“. Er kann sich laut Ahmet Hakan auf das Dekret von Erdoğan berufen. „Damit“, so Hakan, „gibt der Staat sein Gewaltmonopol auf““.
  • „Selbstjustiz per Notstandsdekret?“ von Jan Keetmann am 28. Dezember 2017 in neues deutschland externer Link zu dem Uniformzwang: „Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat seine bei verschiedenen öffentlichen Auftritten gemachte Ankündigung in die Tat umgesetzt. Über Weihnachten, wenn bekanntlich ein guter Teil der Auslandsmedien sich im Winterschlaf befindet, hat er eine Verordnung mit Gesetzeskraft erlassen, die bestimmt, dass alle Untersuchungshäftlinge, die wegen Unterstützung des Putschversuches vom 15. Juli 2016 angeklagt sind, vor Gericht einen braunen Overall tragen müssen. »Schlicht Mandelfarben«, heißt es aus der Feder des Präsidenten. Andere Terrorverdächtige, wie zum Beispiel der inhaftierte Co-Vorsitzende der prokurdischen Linkspartei HDP, Selahattin Demirtaş und zahlreiche Journalisten müssen ab Februar vor Gericht graue Overalls tragen. Im Falle einer Weigerung verliert der Häftling das Recht auf Besuche. Begründet wird die Kleiderpflicht mit der Erschwerung einer Flucht. Doch der eigentliche Grund ist wohl die Demütigung und Vorverurteilung politischer Gegner. Andere Untersuchungshäftlinge können sich weiter kleiden wie sie wollen. Der Oppositionsführer Kemal Kilicdaroğlu (CHP) erinnerte daran, dass auch die Putschisten von 1980 Einheitskleidung vor Gericht einführten. Diese Zeit kehre nun zurück, so Kilicdaroğlu“.
  • „To arms, citizens! Light the fires!“ von Renée Lucie Bourges am 27. Dezember 2017 bei Kedistan externer Link ist ein Beitrag über einen Dokumentarfilm bei Ahsen TV (der im vorherigen Beitrag gemeinte Sender) über die Waffenmesse in Istanbul und dem darin deutlich werdenden Aufmarsch paramilitärischer Gruppen wie “AKmilisler” (AK Milizen), “AKgençlik” (AK Jugend), “Osmanlı Ocakları” (Osmanisches Heim) und deren Abspaltung  “Osmanlı Ocakları 1453” (dem Jahrestag der Eroberung Konstantinopels). Die Propaganda dieser Gruppierungen passt perfekt in die jetzt erlassenen Dekrete Erdogans.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=125872
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