NSU-Prozess: Anwälte der Nebenkläger in der Offensive

Vom Rechtsextremismus zum Rechtsterrorismus – die NSU-„Affäre“Im Münchner NSU-Prozess haben nach zwei Monaten Stillstand die Plädoyers der Nebenkläger begonnen – mit einem Frontalangriff auf die Bundesanwaltschaft. Die Kölner Rechtsanwältin Edith Lunnebach warf am Mittwoch Bundesanwalt Herbert Diemer und den Anklägern insgesamt unzureichenden Ermittlungseifer, eine Diskreditierung von NSU-Opfern und deren Angehörigen, Selbstgerechtigkeit und Unverschämtheiten gegenüber den Nebenklage-Anwälten vor. Lunnebach kritisierte insbesondere, dass die Bundesanwaltschaft weiter davon ausgehe, dass es sich beim „Nationalsozialistischen Untergrund“ um eine lediglich aus drei Personen bestehende Terrorzelle gehandelt habe. „Ich weiß nicht, warum sich die Bundesanwaltschaft mit der einfachen Antwort und der Zuschreibung der Taten in die Isoliertheit des Trios zufriedengibt“, sagte die Rechtsanwältin, die eine iranischstämmige Familie vertritt, auf deren Geschäft der NSU einen Sprengstoffanschlag verübt haben soll“ – aus dem Beitrag „Frontalangriff auf die Ankläger“, eine dpa-Meldung, hier dokumentiert bei der taz externer Link, in der berichtet wird, wie die landauf, landab geäußerte Kritik an der Bundesstaatsanwaltschaft nun auch in den Gerichtssaal eingezogen ist. Siehe dazu zwei weitere aktuelle Beiträge:

  • „NSU-Nebenkläger rechnen mit Staat ab“ am 16. November 2017 bei n-tv externer Link ist ein Bericht über den zweiten Anwält der Nebenkläger, der sein Plädoyer (erst) begonnen hat, und worin es unter anderem heißt: „Erst 2 von rund 50 Nebenklägern im NSU-Prozess sind bisher mit ihren Plädoyers zu Wort gekommen. Sie geben einen Vorgeschmack auf das, was noch folgt – eine Abrechnung nicht nur mit den Terroristen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ und deren Helfern, sondern auch mit dem Staat. Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler, der die Tochter eines NSU-Mordopfers vertritt, spricht mehrfach von „institutionellem Rassismus“ bei den Sicherheitsbehörden. Drei der Verteidiger der Hauptangeklagten Beate Zschäpe unterbrechen ihn dabei immer wieder, teils empört und lautstark. „Dieses Verfahren findet nicht statt in einem politischen Vakuum“, sagt Daimagüler. Auch manche Polizisten seien Rassisten, wenngleich wohl keine Nazis. „Dass die NSU-Morde bis zum Schluss nicht aufgeklärt wurden, hat mit Rassismus zu tun, nicht mit Nazismus.““.
  • „Die Plädoyers der Nebenklage beginnen – und werden gleich durch ungerechtfertigte Beanstandungen der Verteidigung gestört“ am 15. November 2017 beim Blog Nebenklage NSU-Prozess externer Link ist ein ausführlicher Beitrag zu den beiden ersten Plädoyers, worin es unter anderem heißt: „Die Nebenklage stellte die These in den Mittelpunkt, dass ein in den Tatplan eingeweihter und mit Ortskenntnissen in Köln versehener unerkannter Mittäter aus den Reihen des NSU den Anschlagsort ausgesucht und die Sprengfalle deponiert haben muss. Trotzdem sei im Prozess nachgewiesen worden, dass dies in Zusammenarbeit mit den Mitgliedern des NSU gelegt worden sei, eine falsche Bekennung könne ausgeschlossen werden. Im Anschluss plädierte Nebenklagevertreter Dr. Mehmet Daimagüler, der Angehörige der Ermordeten Ismail Yaşar und Abdurrahim Özüdoğru vertritt. Er schilderte zunächst die Erwartungen seiner Mandanten, die nicht eine besonders hohe Strafe zum Ziel haben, sondern sich in einem Wort zusammenfassen ließen, der Frage nach dem „Warum?“. Daimagüler ging dann zunächst systematisch die besonderen Probleme der NSU-Ermittlungen durch: die rassistischen Ermittlungen der Polizei, die sich gegen die Angehörigen der Opfer richteten, die frühe und fehlerhafte Festlegung der Bundesanwaltschaft, der NSU sei eine nur aus drei Personen bestehende, abgeschottete und isolierte Zelle mit wenigen Unterstützern gewesen, die Nähe von V-Personen des Inlandsgeheimdienstes zum Umfeld des NSU“.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=124080
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