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750.000 in Barcelona fordern Freiheit für die politischen Gefangenen

Barcelona 11.11.17: "Wir sind die Enkelinnen der Republikaner, die ihr nicht erschießen konntet"Der Aufmarsch im Herzen der katalanischen Hauptstadt ist nicht einfach einer mehr für ein freies Katalonien. Es ist eine ganz besondere Demonstration. Es geht um die Freilassung der acht inhaftierten Mitglieder der abgesetzten katalanischen Regierung, die der Vorsitzenden der beiden wichtigsten Unabhängigkeitsorganisationen, Jordi Sanchez von der Katalanischen Nationalversammlung (ANC) und Jordi Cuixart des Kulturvereins Òmnium, sowie um die Einstellung der Verfahren gegen die Mitglieder des Parlamentspräsidiums und um die straffreie Rückkehr von weiteren fünf Regierungsmitgliedern, die sich nach Belgien abgesetzt haben und dort auf ihr Auslieferungsverfahren warten, unter ihnen der katalanische Regierungschef Carles Puig­demont“ – aus dem Artikel „Ein Meer aus Lichtern und Fahnen“ von Reiner Wandler am 12. November 2017 in der taz externer Link, aus dem deutlich wird, dass sich erneut sehr viele Menschen an dieser Aktion beteiligt haben, denen es nicht um nationale Unabhängigkeiten geht, sondern um demokratische Rechte. Siehe dazu zwei weitere aktuelle und einen Hintergrundbeitrag über die eigentlich als Übergangsverfassung gedachte Gesetzessammlung, die nicht nur Rajoy heute als besonders demokratisch verkaufen will:

  • „Machtvolle Demonstration“ von Mela Theurer am 13. November 2017 in der jungen welt externer Link, worin zum weiteren Vorgehen der politischen Organisationen hervor gehoben wird: „Die katalanische Unabhängigkeitsbewegung kämpft inzwischen an zwei Fronten und auch international für die Freilassung der Gefangenen und die Rücknahme des Inkrafttretens des Artikels 155. So ist am 7. Dezember eine Großdemonstration in Brüssel geplant. Außerdem finden am 21. Dezember die vom spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy, der am Sonntag Barcelona besuchte, festgesetzten Neuwahlen in der Region statt. Die Unabhängigkeitsbefürworter sind sich noch unschlüssig, wie sie dabei vorgehen sollen. Die liberal-konservative Katalanische Europäische Demokratische Partei (Pdecat) setzt auf eine Einheitsliste mit Puigdemont an der Spitze. Die Republikanische Linke (ERC) erwägt indes, nicht mehr im gemeinsamen Bündnis »Junts pel Sí« (Gemeinsam für Ja) und statt dessen eigenständig anzutreten. Für eine Einheitsliste der Befürworter der Unabhängigkeit sprachen sich am Samstag in einer Abstimmung 86 Prozent der Mitglieder der Katalanischen Nationalversammlung ANC aus. Ob der Minimalkonsens – gegen den Artikel 155 und für die Konsolidierung der Republik – allerdings für einen Sieg ausreicht, ist fragwürdig. Denn eine solche Kampagne gibt keine Antwort auf die drängenden ökonomischen und sozialen Fragen“.
  • „Der katalanische Knoten“ von Sébastien Bauer am 12. November 2017 in der taz externer Link dokumentiert ist ein Beitrag aus der deutschen Ausgabe von Le Monde Diplomatique, der die Wurzeln der heutigen Auseinandersetzung im Kampf um die Republik gegen den faschistischen königlichen Statthalter und der  70er Jahre „Übergangsverfassung“ verortet: „Das Problem, das allen drei Krisen zugrunde liegt, ist eine Verfassung, die eigentlich als Ausgangspunkt des Übergangs von der Diktatur zur Demokratie, der sogenannten transición gedacht war – und die diesen Prozess nicht gefördert, sondern vereitelt hat. Diese Verfassung hat in der Tat demokratische Defizite. Das System des aforamiento beispielsweise stellt ein Relikt des Franco-Regimes dar. Dadurch blieb es 17.000 Angeklagten erspart, sich vor niederen Instanzen zu verantworten, stattdessen landeten ihre Fälle gleich bei höheren Gerichten, die dem Einfluss der Exekutive zugänglicher waren. In Spanien genießen alle Abgeordneten, auch die in Regionalparlamenten, Immunität, Richter können nicht entlassen werden. Die Verfassung definiert die politischen Parteien als „Hauptinstrument der politischen Beteiligung“ (Artikel 6) und schreibt ihnen damit eine Rolle zu, die weit über den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung hinausgeht, wie er in den meisten Demokratien verstanden wird. In anderen Ländern gilt der Wille des Volkes als den Interessen der Einzelnen übergeordnet. In Spanien dagegen hat sich ein organizistisches Konzept durchgesetzt: Die Masse wird in Organisationen erfasst und erst dadurch zum Staatsvolk. So organisierte das Franco-Regime die Gesellschaft um seine Nationale Bewegung und die ­vertikalen, berufsständischen Syndikate“.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=123865
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