Newsletter am Mittwoch, 23. August 2017

Kurzer Überblick über die heutigen LabourNet Germany News:

Hier im (kostenlosen, aber spendenfähigen) Newsletter die WICHTIGSTEN der neu veröffentlichten Beiträge auf unserer Homepage

1. Internationales » Belarus/Weißrussland » Gewerkschaften

Weißrussische Gewerkschaften im Widerstand gegen eine Repressionswelle

Am 2. August wurden Gennady Fedynch, Vorsitzender der Radio- und Elektroindustriegewerkschaft (REP) und Mitglied des IndustriAll Exekutivkomitees, Ihar Komlik, Chefbuchhalter der REP und Vorsitzender der REP Organisation in der Stadt Minsk, sowie einige weitere Beschäftigte von weißrussischen Behörden festgehalten und verhört. Gegen beide Gewerkschafter wird nun wegen angeblicher Steuerhinterziehung in größerem Umfang ermittelt. Sie sind von drei bis fünf Jahren Gefängnis bedroht. Ihar Komlik befindet sich seit dem 2. August im Gefängnis. Die Anschuldigungen zu hinterzogenen Steuern beziehen sich auf solidarische Unterstützungsbeträge, die die Gewerkschaft 2011 empfangen hat. Diese Beträge können nicht als Privatkapital behandelt werden. Die Anschuldigungen entbehren jeder Begründung und zielen darauf ab, die Gewerkschaft zu schwächen. Es sind Vergeltungsmaßnahmen gegen das zivile Engagement der Gewerkschaftsaktivisten und ihre Arbeit zur Verteidigung der sozialen und wirtschaftlichen Interessen von Beschäftigten in Belarus. Bitte schließen Sie sich uns an und fordern Sie die sofortige Freilassung von Ihar Komlik sowie ein Ende der strafrechtlichen Verfolgung von ihm und Gennady Fedynch“ – so der Aufruf „Stoppt die Angriffe auf Gewerkschaftsaktivisten“ seit dem 21. August 2017 bei LabourStart externer Link, dem bereits rund 4.500 UnterzeichnerInnen ihre Unterstützung gegeben haben – und viele weitere tun Not!

  • Siehe dazu auch einen Beitrag über die Rolle der Gewerkschaft REP bei den sozialen Protesten dieses Jahres, einen weiteren zu Aktionen der Gewerkschaft und einen Hintergrundbeitrag zur sozialen Entwicklung in Weißrussland

2. Internationales » Peru » Arbeitskämpfe

Die Vorschläge des peruanischen Bildungsministeriums werden von den streikenden LehrerInnen erneut abgelehnt – erneut Polizeiangriffe auf DemonstrantInnen

In Wirklichkeit war es eine Niederlage der peruanischen Regierung: Das Treffen der Delegation des Bildungsministeriums mit der Koordination des Streiks der LehrerInnen. Denn nach wochenlanger Hetzpropaganda, der Streik sei entweder gleich das Werk von Terroristen oder aber von armen Doofen, die von Terroristen verführt worden seien, musste mit „denen“ verhandelt werden. Ergebnis des Treffens war ein Neun-Punkte-Vorschlag, den die Streikorganisatoren in Vollversammlungen abstimmen ließen: Das Ergebnis war „Nein!“ Vor allem richtete sich der Unmut offensichtlich gegen die darin nach wie vor enthaltene Bestimmung einer Evaluation der Arbeit der LehrerInnen im ganzen Land. Diese wird unter anderem deswegen abgelehnt, weil sie von berufsfremden Prüfern vorgenommen werden soll. Nach dem Scheitern der Verhandlungen haben die regionalen Kampfkomitees der Gewerkschaft SUTEP, also die organisierte Gewerkschaftsopposition, die Fortsetzung des Streiks und die Intensivierung der Proteste angekündigt – und bereits am Dienstagabend gab es in der Hauptstadt erneut Polizeiangriffe auf DemonstrantInnen. In offensichtlicher Verkennung der Fakten behauptete die Bildungsministerin Martens, die Ablehnung der Evaluation sei nur die Position des Streikkomitees, die LehrerInnen selbst hätten damit kein Problem – eine Art aktualisierte Fortsetzung der Regierungspropaganda nach den gescheiterten Verhandlungen. Siehe dazu vier aktuelle Beiträge

3. Internationales » USA » Gewerkschaften

[26.8.2017] Die Dockergewerkschaft von San Francisco ruft zum Streik gegen faschistischen Aufmarsch

Nach den Mordanschlägen der „neuen Rechten“ in Charlottesville mobilisieren nicht nur AntifaschistInnen landesweit (und über die Grenzen hinaus, wie bei der Großdemonstration im kanadischen Vancouver) – sondern auch die Faschisten. An sehr vielen Orten sind neue Aktionen der diversen rechten Zusammenschlüsse angekündigt (und haben in den letzten Tagen meist eher nicht stattgefunden, weil zu viele Menschen das verhindert haben) – einer radikalen Rechten, die mit neuen Vorgehensweisen versucht, vom „Klima“ der Trump-Mehrheit zu profitieren, was ihr ja schon bisher durchaus gelungen ist. Diese Ausbreitung hat auch dazu geführt, dass über den antifaschistischen Kampf diskutiert wird, auch etwa über die Frage, welchen Beitrag die Gewerkschaftsbewegung dazu leisten kann – und muss. Die ILWU Lokal 10 (San Francisco), Dockergewerkschaft an der Pazifik-Küste Nordamerikas, hat dabei nun eine massive Initiative begonnen. In dem Artikel „San Francisco dockers call strike to confront white nationalist rally“ am 21. August 2017 bei libcom.org externer Link wird von dem entsprechenden Beschluss der Mitgliederversammlung des Lokal 10 berichtet, der unter Verweis auf anwachsende faschistische Umtriebe und die Tradition der Gewerkschaft zum Streik am 26. August aufruft, dem Tag an dem eine neuerliche Provokation stattfinden soll, in Form einer Demonstration, bei der die Oath Keepers den Sicherheitsdienst übernehmen soll: Eine schwerbewaffnete Miliz ehemaliger Soldaten und Polizisten.

4. Internationales » Großbritannien » Arbeitskämpfe

[4.9.2017] Der erste Streik bei britischen McDonalds-Filialen in Vorbereitung – in London und Cambridge

In zwei McDonalds Lokalen hatten die Belegschaften dem Aufruf der Gewerkschaft BFAWU Folge geleistet und mit erstaunlichen 95,7% für den Streik gestimmt, der nun in diesen beiden Filailen am 4. September 2017 stattfinden wird – der erste Streik in britischen McDonalds Unternehmen überhaupt. In dem Artikel „It’s on! Get behind the 4 September #McStrike“ am 21. August 2017 bei Fast Food Rights externer Link wird über diese Abstimmung berichtet und zahlreiche Hinweise auf Streikaktionen ebenso gegeben, wie bereits geplanter Solidaritätsaktivitäten auch in anderen Städten Großbritanniens. Die Gewerkschaft wird am Samstag vor dem Streik, also am 2. September vor der britischen McDonalds Zentrale in London eine Demonstration organisieren, zu der alle aufgerufen sind. Die Forderungen in der Streikabstimmung waren vor allem ein betrieblicher Mindestlohn von 10 Pfund Sterling und die endgültige Abschaffung der sogenannten Nullstundenverträge (bei denen man zwar beschäftigt ist, aber niemals weiß, ob und wie viele Stunden in der nächsten Woche gearbeitet werden sollen), sowie die Anerkennung der Gewerkschaft. Die erste Reaktion des Unternehmens auf die Streikabstimmung: Die Zusicherung, die Nullstundenverträge würden noch in diesem Jahr landesweit abgeschafft, für alle Betroffenen unter den rund 80.000 McDonalds Beschäftigten in Großbritannien.

5. Internationales » Italien » Arbeitskämpfe

Internationale Solidarität mit der kämpfenden Belegschaft von Alitalia wird organisiert

Seitdem die Belegschaft von Alitalia in einer Urabstimmung den auch von den großen Gewerkschaften unterstützten „Sanierungsplan“ abgelehnt hat, bricht nicht nur eine Propagandawelle über sie herein: Die von der Regierung eingesetzte Notverwaltung setzt auch unbeirrt ihren Auftrag um, eine Käufergesellschaft zu finden – der das Angebot „schmackhaft“ gemacht werden soll durch zahlreiche Verschlechterungen für die Belegschaft. Eine Politik, die auch weiterhin von den Gewerkschaften unterstützt wird – außer von den Basisgewerkschaften im Unternehmen, bei Alitalia USB und CUB Trasporti. Letztere hat nun zusammen mit der „Fronte di Lotta No Austerity“ zu einer internationalen Solidaritätskampagne aufgerufen – im Angesichts des jüngsten Schritts der Notverwaltung, einen finanziellen Fonds für (geplante, künftige) Erwerbslose aus der Belegschaft zu schaffen – für sage und schreibe 1.400, die demnach zu entlassen geplant ist. Der Aufruf „Campagna internazionale in solidarietà con la lotta delle lavoratrici e dei lavoratori Alitalia“ seit dem 15. August 2017 bei der Fronte externer Link fordert nicht nur die Verstaatlichung des Unternehmens, sondern auch die Verteidigung des Streikrechts, das nach dem allgemeinen Transportstreik der Basisgewerkschaften vom 16. Juni 2017 (an dem sich auch sehr viele der Alitalia-Belegschaft beteiligt hatten) heftig angegriffen wird. Es wird in dem Aufruf (der in mehreren Sprachen, unter anderem Englisch, publiziert wurde) zur Unterzeichnung einer Solidaritätserklärung mobilisiert, was etwa das alternative gewerkschaftliche „Netzwerk für Solidarität und Kampf“ (dem auch wir angehören) ebenso bereits getan hat, wie aus Auseinandersetzungen in verschiedenen Ländern bekannt gewordene Basisgewerkschaften.

6. Internationales » Griechenland » Gewerkschaften » IWF will Arbeiter*innen noch mehr entrechten – griechische Regierung wehrt sich

Griechenland soll Streiks praktisch abschaffen

„… Die Gesetzesvorlage des Arbeitsministeriums in Griechenland, die bald dem Parlament vorgelegt werden wird und sich auf all die anhängigen arbeits- und versicherungsrechtlichen Bestimmungen bezieht, die sich aus den vorab zu erfüllenden Voraussetzungen des Memorandums ableiten, wird ein Gesetz enthalten, das die Streiks praktisch unter Abschaffung stellt. (…) Wie die griechische Zeitung „Dimokratia“ berichtet, wird es in dem Gesetzentwurf eine Bestimmung geben, die bei den primärstufigen Verbänden die Anhebung der Beschlussfähigkeit auf 51% vorsehen wird, damit eine Abstimmung über die Realisierung eines Streiks durchgeführt werden kann. Der selben Quelle zufolge wird die Beschlussfassung bezüglich eines Streiks damit schwerer gemacht, da sie auch mit der Änderung der Ankündigungsfrist kombiniert werden wird, weil der derzeit geltende Zeitraum von 24 Stunden auf dem privaten Sektor und von 4 Tagen auf dem allgemeinen öffentlichen Sektor als sehr kurz betrachtet wird. (…) Es sei in Erinnerung gerufen, dass die Gläubiger Griechenlands verlangen, dass der Arbeitgeber das Recht haben soll, die Verkündung eines Streiks nicht hinzunehmen und das Personal – sofern es zu dem Streik schreitet – substituieren zu können, so wie dies auch in vielen anderen Ländern der EU gilt.“ Beitrag aus EleftherosTypos.gr vom 19. August 2017 in der Übersetzung vom und beim Griechenland-Blog vom 22. August 2017 externer Link

7. Branchen » Dienstleistungen, privat und Öffentlicher Dienst » Transportwesen: Speditionen und Logistik » Kurier- und Lieferdienste » Dossier: #Deliverunion: FAU Berlin startet Kampagne

Lohnerhöhung und Verschleißpauschale zugesichert: Erste Ergebnisse in den Verhandlungen zwischen Foodora und FAU Berlin

„Am Freitag, den 18. August endete die erste Verhandlungsrunde zwischen der FAU Berlin und der Foodora-Geschäftsführung mit Zusagen des Essenslieferanten. So hat sich Foodora bereit erklärt, bis zum nächsten Verhandlungstermin Ende September ein Modell der gestaffelten Entgelterhöhung nach Betriebszugehörigkeit vorzulegen und die Kosten für Betriebsmittel mit einer Verschleißpauschale abzudecken. In den Gesprächen räumte Foodora außerdem ein, im Frühjahr 2017 Fehler gemacht zu haben, indem zu viele Fahrer_innen eingestellt wurden. Dies sieht die FAU Berlin als Grund für zu wenig Schichten, hohen Arbeitsdruck und ein System der Arbeit auf Abruf. Mit mehr Transparenz in Bezug auf die Schichtplanung und mit einer Mindestprozentzahl an ständig freien Schichten will die Basisgewerkschaft mehr Flexibilität für die Fahrer_innen durchsetzen. Foodora sicherte zu, bis zu nächstem Verhandlungstreffen ein Schichtplanungsmodell zu entwickeln, das diesen Anforderungen entspricht. Damit hat sich die Unternehmensführung Zeit gekauft. Die Frage nach der Höhe der Verschleißpauschale, aber auch die genaue Umsetzung der Entgelterhöhung bleiben aber vorerst offen. „Es ist zwar Bewegung in die Verhandlungen gekommen, aber noch sind nicht alle unsere Forderungen erfüllt“, erklärt Georgia Palmer, selbst Foodora-Fahrerin und Teil der Verhandlungskommission der FAU Berlin. „Beim nächsten Treffen erwarten wir von Foodora konkrete Zahlen, wie sie die Betriebsmittelkosten abdecken und die Lohnerhöhung umsetzen wollen. Ansonsten werden wir zu gewerkschaftlichen Maßnahmen greifen. Das kann auch heißen: Streik“…“ Beitrag vom 21. August 2017 von und bei FAU Berlin externer Link

8. Branchen » Dienstleistungen, privat und Öffentlicher Dienst » Transportwesen: Hafen, Schiffe und Werften

Erloschen mit Kalkül? Vor 20 Jahren machte die Großwerft Bremer Vulkan dicht: Die folgenschwere Pleite des Konzerns lässt weiter Fragen offen

„Vor 20 Jahren, am 15. August 1997, schloss die traditionsreiche Vulkan-Werft im Norden Bremens für immer ihre Pforten. Sie war weit mehr als nur ein großer, lokaler Schiffbaubetrieb: Die 1893 gegründete »Bremer Vulkan« war erst in den 1980er Jahren zu einem mächtigen regionalen Werftenverbund und kurz darauf durch Einverleibung einstiger DDR-Staatswerften in Mecklenburg-Vorpommern zu einem maritimen Konzern ausgebaut worden. Dessen Angebotspalette reichte von Schiffbau über Anlagen- und Maschinenbau bis zur Systemelektronik. Kurz vor dem Aus des Unternehmens beschäftigte der Verbund mehr als 22.000 Menschen, knapp die Hälfte davon im Schiffbau. Das Ende hatte knapp zwei Jahre zuvor begonnen: Gerüchte besagten, die Konzernspitze habe für ostdeutsche Werften bereitgestellte EU-Fördergelder in westdeutsche Kassen umgelenkt. Dies verschärfte akute Liquiditätsprobleme und führte in der Folge 1996 zur Insolvenz des Konzerns. (…) Unklar bleibt bis heute, ob dahinter Kalkül steckte, um nach dem Kollaps des Riesen die Trümmer aufzuräumen und die von der EU zugeteilten Schiffbaukapazitäten neu aufzuteilen. Letztlich gaben dann die verschwundenen Fördergelder dem angeschlagenen Verbund den Rest.“ Beitrag von Burkhard Ilschner bei der jungen Welt vom 22. August 2017 externer Link

9. Politik » Wirtschaftspolitik » Rentenpolitik » Infos und Initiativen zur (Armuts)Rente

[Video] Herr Hassknecht erklärt das deutsche Rentensystem

Wie viele Pfandflaschen muss man im Rentenalter sammeln, um nicht zu verhungern? Herr Hassknecht erklärt, warum der Generationenvertrag zum Scheitern verurteilt ist. Anders gesagt: Die Jungen sind gefickt!heute-show-Video vom 21.08.2017 bei youtube externer Link

10. Politik » Wirtschaftspolitik » wirtschaftspolitische Debatten » Allgemeine wirtschaftspolitische Debatte und Wirtschaftspolitik

Der Nobelpreis als Kampfinstrument, um die marktradikale Neoklassik am Leben zu erhalten

Zu dem Treffen der Wirtschafts-Nobelpreisträger in Lindau jetzt 2017: Wirtschafts-Nobelpreis als Kampfiinstrument für die marktradikale Neoklassik (seit 1969). Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 22.8.2017

11. Internationales » Libyen » Politik

„Zurück zu den Wurzeln“: EU-Sklavenhaltung in Libyen

So, wie Europa sich einst in die Welt ausgedehnt hat – mit Sklavenhaltung, samt entsprechender Wirtschaft – so zieht es sich heutzutage auch in seine Festung zurück. Und wie damals, übernimmt man die „schmutzigste Arbeit“ nicht selbst, sondern hat und bezahlt dafür seine Beauftragten. Was einst etwa in Südamerika „Dschungelkapitän“ hieß, heißt heute eben libysche Miliz. Und wenn EU-Staaten an ihren Grenzen schon das Militär aufmarschieren lassen, um den Krieg gegen Flüchtlinge zu demonstrieren, dann wird weiter weg, „an der Front“ eben scharf geschossen. Das tun diese Partner der EU denn auch, ganz ohne, dass hier zu Lande irgendeine hysterische Rede von organisierter Kriminalität geführt würde. Und, wie es bei OK-Banden zu sein pflegt, es ist auch ein gutes Geschäft bei dieser Aufgabe zu machen: Wo Zwangslager sind, ist der Sklavenhandel einfach zu organisieren. Siehe dazu zwei aktuelle Beiträge, die jede Diskussion überflüssig machen

Siehe auch:

12. Interventionen » Asyl, Arbeitsmigration und Antirassismus » Asylrecht und Flüchtlingspolitik » Festung EU » Dossier: Ein Flüchtlingsbekämpfungs-Deal nach dem anderen: Die EU und ihre »Migrationspartnerschaften«

Flüchtlingsretter im Mittelmeer: „Das ist ein Outsourcing der Gewalt“

Ein Gespräch von Andrea Dernbach mit der Göttinger Grenzforscherin Sabine Hess vom 21. August 2017 beim Tagesspiegel online externer Link: „… Was sich jetzt klar zeigt, ist das komplette Versagen europäischer Migrationskontrolle. Sie funktioniert offensichtlich nur mit Hilfe diktatorischer Regime, die sich nicht an internationale Regeln oder das Völkerrecht gebunden fühlen. Und es geht anscheinend nur antidemokratisch. Das ist ein Outsourcing der Gewalt. Dies bedarf eine auf Abschottung setzende Migrationssteuerung anscheinend. (…) Und in der Türkei lässt sich besichtigen, dass Repression nicht nur nach außen wirkt. Der EU-Türkei-Deal war für Erdogan außen- wie innenpolitisch ein Erfolg: Nach innen dient die Flucht aus Syrien seiner Politik, einzelne Bevölkerungsgruppen gegeneinander zu hetzen. Außenpolitisch muss er sich von der EU seither nichts mehr sagen lassen, Europa trägt einen Maulkorb. Es ist dramatisch, wie Europa und besonders Deutschland sich nicht wirklich kritisch zur Lage in der Türkei äußern. (…) Andererseits gibt es auch Gegenkräfte. Der Sommer 2015 hat in einem bis dahin ungekannten Maß Menschen mobilisiert und zum Einsatz für Flüchtlinge motiviert – nicht nur in Deutschland, das gilt zum Beispiel auch für Italien. Migration ist zusehends das gesellschaftliche und politische kontroverse Thema Nummer eins und auch das Thema, an dem sich in Zukunft entscheiden wird, wie die politischen Lager zu Frage der Demokratie stehen. Und meine Hoffnung ist, dass die vielen, die darauf anders schauen als die europäische Politik, sich die Frage der Demokratie zurückerobern.“

13. Interventionen » Asyl, Arbeitsmigration und Antirassismus » Asylrecht und Flüchtlingspolitik » Festung EU

Migrationspolitik und Bürgerrechte: Europa in schlechter Gesellschaft

„In der Migrationspolitik findet die EU nur autoritäre Antworten. Was macht das mit ihren vielbeschworenen Werten? (…) Brüssel und die europäischen Hauptstädte – ausnahmsweise muss hier einmal nicht eigens auf Budapest, Warschau und Bratislava gezeigt werden – sind die eigentlich Handelnden. Libyen hat nur das Schlusskapitel dieser Geschichte geschrieben, die vor ein paar Jahren mit rhetorischem Dauerbeschuss begann: Die Seenotretter im Mittelmeer besorgten in Wirklichkeit das Geschäft der Schlepper, lautete der Spin. 2014 wurde die italienische Notrettungsinitiative „Mare Nostrum“ nach einem Jahr abgewürgt und in diesem Sommer schließlich sollten die NGOs im Mittelmeer über einen „Verhaltenskodex“ an die Kandare genommen werden. All dies galt dem Ziel, etwas unmöglich zu machen, was seit Jahrhunderten als Recht wie Pflicht auf dem Meer galt, als menschliches Gebot weit vor der Formulierung der allgemeinen Menschenrechte: Schiffbrüchigen und in Seenot Geratenen wird geholfen, unter allen Umständen und jedweder Regierungsform, die an Land gilt. Die Friedensnobelpreisträgerin EU, deren Eliten in jeder Sonntagsrede die demokratischen und rechtsstaatlichen Wurzeln des Kontinents besingen, hat als Bildungsplunder entlarvt, was alle in ihren höheren Schulen gelernt haben (…) Antigone begräbt ihren Bruder und beruft sich darauf, dass diese Pflicht über dem staatlichen Verbot steht. Es ist Kreon, der herrschende Tyrann, der diese Hierarchie umkehrt. Die Bühnenfigur Antigone des Dichters Sophokles ist eine politische Gründergestalt Europas, Kreon verkörpert das feindliche Prinzip; im Unterricht für die Nachkriegskinder ließ sich die Tragödie auch als Lehrstück über Befehl und Gehorsam im NS-Staat lesen. In der Migrationsabwehr hat Europa die Seiten gewechselt. Es bekennt sich zur Moral des Tyrannen…“ Kommentar von Andrea Dernbach vom 21. August 2017 beim Tagesspiegel online externer Link

14. Interventionen » Asyl, Arbeitsmigration und Antirassismus » Asylrecht und Flüchtlingspolitik » Aufenthalt und Ausweisung » Dossier: Der Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh

Eine internationale Untersuchungskommission wird gegründet

Die Ermordung Oury Jallohs ist ein rassistisches Verbrechen, dass bis in die höchsten Kreise der deutschen Polizei, Justiz und Politik nachhaltig gedeckelt wird. Eine Vielzahl von Experten und Gutachtern aus dem Ausland haben aufgrund der ihnen vorliegenden Faktenlage bereits bestätigt, dass hier offensichtlich ein Mord vertuscht werden soll. Der deutsche Rechtsstaat hat nunmehr über 12 Jahre lang auf allen Ebenen bewiesen, dass er nicht gewillt ist, die Todesumstände von Oury Jalloh lückenlos aufzuklären – und das nicht nur in diesem, sondern in vielen Fällen mit Beteiligung staatlicher Institutionen von den Toden Christy Schwundeck‘s, Mareame Sarr‘, Laye Conde‘s Halim Dener‘s bis hin zum NSU-Komplex. Die Initiative in G edenken an Oury Jalloh sieht es daher in ihrer Verantwortung eine selbstorganisierte internationale Untersuchungskommission aufzubauen. Diese soll in den nächsten Wochen gebildet und zeitnah der Öffentlichkeit vorgestellt werden“ – so die abschließende Konsequenz der Pressemitteilung der Initiative Oury Jalloh vom 21. August 2017 externer Link auf ihrer Webseite

15. Interventionen » Kampf um Grundrechte » Kommunikationsfreiheit und Datenschutz » Überwachung und Datenschutz » Videoüberwachung » Dossier: [Gesichtserkennung] Modellversuch am Bahnhof Südkreuz in Berlin: „Das Gesicht kennen wir doch. Irgendwoher“

Digitalcourage zur Gesichtserkennung am Südkreuz: Bundespolizei hat falsch informiert – Wir fordern Abbruch des Tests

„… padeluun von Digitalcourage hat sich für den Versuch zur Gesichtserkennung am Bahnhof Südkreuz angemeldet. Den Transponder, den er bei sich tragen soll, hat er untersucht – und der kann viel mehr, als den Test-Personen angekündigt wurde. Darum fordert Digitalcourage, dass der Test sofort abgebrochen wird. (…) Angekündigt für das Projekt war ein Chip im Kreditkartenformat – anscheinend hat die Bundespolizei erwartet, ein RFID-Chip sei für ihre Pläne ausreichend. Falsch gedacht. Den Teilnehmer.innen wurde in Wirklichkeit ein iBeacon (Wikipedia-Artikel) untergeschoben – ein aktiv sendender Bluetooth-Transponder, mit 20 Metern Reichweite, der Daten wie Temperatur, Neigung und Beschleunigung messen, speichern und weitergeben kann. Damit lässt sich herleiten, was Personen außerhalb des Bahnhofs gemacht haben. Diese Daten können mit einer App aus Googles PlayStore ausgelesen werden…“ Beitrag von Kerstin Demuth und Friedemann Ebelt vom 21. August 2017 bei Digitalcourage externer Link mit Aktualisierung am 22. August 2017, wo ergänzt wird, dass keine der Testpersonen der Art der Überwachung zugestimmt hat: „Test-Personen mussten davon ausgehen, dass RFID-Technik eingesetzt wird. Der Test muss sofort abgebrochen werden. Am Donnerstag, 24. August 2017 wird Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Bahnhof Südkreuz über den Test informieren.“

16. Interventionen » Kampf um Grundrechte » Kommunikationsfreiheit und Datenschutz » Meinungs- und Pressefreiheit » Dossier: G20-Gipfel in Hamburg: Polizeigewalt gegen Pressefreiheit

Untersuchung wegen G20-Akkreditierungsentzug

Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar hat wegen möglicher Rechtsverstöße beim Entzug von Journalisten-Akkreditierungen beim G20-Gipfel eine Untersuchung verfügt. (…) „Wenn es künftig ausreichen sollte, durch eine – noch dazu unbegründete – Annahme einer linksextremistischen Gesinnung durch staatliche Behörden die Arbeit von Journalisten zu verhindern, ist eine rote Linie überschritten“, erklärte Caspar. Die Freiheit der Berichterstattung und der freie Zugang zu Informationen seien zentrale Grundrechte…“ NDR-Meldung vom 22.08.2017 externer Link

  • Siehe im Dossier einen weiteren neuen Beitrag dazu, wie Journalisten zu Gewalttätern (gemacht) werden

17. Interventionen » Antifaschismus und die neuen alten Rechten » antifaschistische Initiativen » Gedenken an Pogrome von Lichtenhagen » Dossier: “Vielfalt.Miteinander.Leben. 25 Jahre Rostock-Lichtenhagen. Erinnern und Mahnen.2017″

Lichtenhagen im Gedächtnis – Das Pogrom

Im August 2017 bereitet das Projekt „Lichtenhagen im Gedächtnis“ externer Link eine Chronik des rassistischen Pogroms von Rostock-Lichtenhagen 1992 in Form einer Twitter-Chronik auf (#lh92 / @Lichtenhagen_92). Siehe dazu:

  • [Audio] „Lichtenhagen im Gedächtnis“ – Archiv vom Verein Soziale Bildung e.V.
    „Der Verein Soziale Bildung e.V. versucht das Pogrom in Rostock Lichtenhagen aufzuarbeiten. Seit September 2015 sammelt das Team um das Projekt „Lichtenhagen im Gedächtnis“ sämtliche Dokumente aus verschiedenen Archiven und Quellen zusammen. Eines der Ziele vom Projekt ist es mit diesen Dokumenten ein Archiv enstehen zu lassen, dass alle Perspektiven der Tage in Rostock-Lichtenhagen abbildet. Die gesammelten Dokumente sollen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Darauf aufbauend soll das Thema dann bildungspädagogisch für Kinder, Jugendliche und Erwachsene aufbereitet werden. Dabei bemüht sich die Projektstelle um die Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern. Wir haben sprachen mit Martin Arndt von Soziale Bildung e.V. und fragten Ihn aus welcher Motivation heraus dies Projekt entstanden ist.“ Feature von Radio Corax vom 21. August 2017 beim Audioportal Freier Radios externer Link (Länge: 8:48 Min.)

 

Lieber Gruss, Eure LabourNet-Redaktion

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Bekasi in Bewegung
In den Jahren 2012 und 2013 erlebte Indonesien große Streiks von Arbeiter_innen, die bessere (Mindest-)Löhne und Arbeitsbedingungen forderten und insbesondere gegen das Outscourcing kämpften. Die Arbeiter_innen aus Fabriken globaler Multis in der Industriezone von Bekasi (östlich der Hauptstadt Jakarta) blockierten Straßen und organisierten sogenannte „Fabrikangriffe“ (factory raids). So wollten sie ihre Arbeitgeber zwingen, die Forderungen der Arbeiter_innen zu erfüllen. Der Film der indonesischen Arbeits-NGO Lips wurde weitgehend mit Smartphones gedreht. Er zeigt die Demonstrationen und Fabrikangriffe sowie Interviews mit Arbeiter_innen und Aktivist_innen zu den Arbeits- und Lebensbedingungen und die Strategien ihres Kampfes.“ Video bei labournet.tv externer Link (indonesisch mit dt. UT | 35 min | 2017)
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LabourNet Germany:  https://www.labournet.de/
Treffpunkt für Ungehorsame, mit und ohne Job, basisnah, gesellschaftskritisch
The meeting point for all left-wing trade unionists, both waged and unwaged
Le point de rencontres de tous les militants syndicaux progressistes,  qu`ils aient ou non un emploi
IBAN DE 76430609674033739600

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