Kurz vor der nächsten Finanzkrise: Die wichtigste Lektion aus 10 Jahren Finanzkrise

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 7.8.2017

Claudia Buch ist seit Mai 2014 Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank. Dort ist sie zuständig für Finanzstabilität, Statistik und Revision… „Trügerischer Schein“ – dank mangelnder Eigenkapitalausstattung der Banken. Auch wenn die deutsche Wirtschaft wächst, die Spuren der Finanzkrise sind noch lange nicht verschwunden. Erhebliche Risiken wurden nur vom privaten auf den staatlichen Sektor verschoben. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/samstagsessay-truegerischer-schein-1.3616464?reduced=true externer Link)
Genauer also muss man sich diese Ausführungen der Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank in der Wochenend-Ausgabe der Süddeutschen anschauen: Aber: Sollte die Regulierung zu komplex geworden sein, kann eine Vereinfachung sinnvoll sein. Eine solche Vereinfachung bedeutet aber möglicherweise, dass Risiken dann dann weniger gut regulatorisch abgebildet werden. Umso größer sollten in einem „einfacheren“ System der Regulierung die Puffer der Banken in Form von Eigenkapital sein, um für unvorhersehbare Ereignisse gewappnet zu sein. Generell sind nicht alle Risiken in Bankbilanzen „messbar“, sondern entstehen aus dynamischen und nicht prognostizierbaren Prozessen innerhab des Finanzsystems. Eigenkapital ist der beste Schutz dagegen, dass Krisen systemische Ausmaße erreichen. Dies ist die mit Abstand wichtigste Lektion aus den 10 Jahren, die seit Beginn der Finanzkrise vergangen sind.

Muss das jetzt als besonders dringende Mahnung an diese deutsche Bundesregierung verstanden werden, die gerade – bisher! – Regeln für eine angemessene Eigenkapitalausstattung verhindert hat?

Dies wohl schon vor Augen rügten die Wissenschaftler im Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums schon im Dezember 2016 diese diesbezüglich regulatorisch so laxe Haltung der Bundesregierung (siehe dazu den diesbezüglichen Abschnitt auf der Seite 1 bei https://www.labournet.de/?p=119576)

Und was macht jetzt der Spekulant in dieser Situation? Er liegt auf der Lauer – und wartet auf den Crash!

Seit acht Jahren steigen die Kurse weltweit, von wenigen Rücksetzern abgesehen, noch immer ist die Rally nicht vorbei. Natürlich weiß Hedgefonds-Manager Ernesto Prado nicht, wann sie enden wird. Aber er ist lange genug dabei, um zu ahnen, das kann nicht mehr lange so weitergehen. Aber wenn der Boom endet, wenn Investoren eilig ihre Aktien verkaufen und die Kurse wierder fallen, dann schlägt Prado zu: „Du musst gierig sein, wenn alle anderen Angst haben“, sagt er. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/nahaufnahme-auf-der-lauer-1.3617854?reduced=true externer Link) Das ist das Selbstverständnis eines Mannes, der weiß, was Krisen sind, denn er verwaltet seit den Neunzigerjahren Hedgefonds… Und Prado spricht gern über die Finanzkrise, die vor zehn Jahren ihren Anfang nahm – und wenn er über die Finanzkrise „erzählt“, dann fällt ziemlich schnell der Name Michael J. Burry. Der amerikanische Investor war damals einer der Ersten, die in großem Stil auf einen Verfall der Häuserpreise in den USA wetteten – und so wurde seine Geschichte die Vorlage für den Hollywood-Welterfolg „The Big Short“… (http://www.spiegel.de/kultur/kino/the-big-short-mit-ryan-gosling-all-das-haessliche-geld-a-1070873.html externer Link) Und Prado war damals einer der Ersten, die Burry Geld gaben.

Und jetzt sind die Märkte wieder in einer Phase, die Prado nicht nur misstrauisch, sondern auch „hellhörig“ macht. Jahrelange Nullzinsen, Zentralbanken, die Monat für Monat für viele Milliarden Anleihen aufkaufen, Rekordstände bei den Aktien, verzerrte Preise und Investoren, die auf der Suche nach ordentlicher Rendite immer höhere Risiken eingehen. – Das hält Prado für eine gefährliche Mixtur.

Dieses Setting der zukünftigen Finanzkrise peilt der Dokumentarfilmer Andres Veiel mit dem Blick auf die kommende Krise – erst 2026? – an: Finanzsektor um ein vielfaches größer als die Realwirtschaft – immer auf der Jagd sich weiter aus sich selbst heraus zu vergrößern

Auf die Frage,warum es ihn immer wieder zu den Themen Banken und Finanzmärkte treibt, antwortet Andres Veiel ganz offen: „Bei meinen Gesprächen mit den Bankern ist mir klar geworden, dass an den Finanzmärkten unsere Zukunft verhandelt wird.“ (Vgl. schon sein diesbezügliches Theaterstück „Das Himbeerreich“ http://www.zeit.de/2013/04/Theater-Andres-Veiel-Das-Himbeerreich externer Link und http://www.taz.de/!5075029/ externer Link)

Wie oben schon die Vizepräsidentin der Bundesbank Buch sieht er die bisherigen – nach der Krise erlassenen – Regeln für den Finanzsektor nicht als „krisenverhindernd“ an – jedoch mit einem anderem Schwerpunkt der Kritik: „Es ist noch immer so, dass der Realwirtschaft ein Finanzsektor gegenübersteht, der um ein vielfaches größer ist. Unmassen von Geld vermehren sich weiter quasi aus sich heraus. Das Geld fließt dorthin, wo es den größten Ertrag erzielt und nicht dahin, wo es gebraucht wird.

Früher oder später muss das zu einer Blasenbildung führen. Und damit zum Crash. (http://www.fr.de/wirtschaft/finanzmarkt-wir-alle-sind-spielfiguren-a-1326382 externer Link)

Und dass die nächste Krise bloß eine Frage der Zeit ist, das sehen auch Banker so. So haben sie auch ein klares Bild von diesem Auseinanderklaffen der Realwirtschaft und einer Geldmenge, die nichts mehr mit der Produktion von realen Gütern zu tun hat. Deshalb sehen auch viele Banker in den neuen Absicherungsregeln gegenüber den Finanzmärkten lediglich symbolische Maßnahmen.

Warum die Banker über diese Ängste schweigen? Nur nicht die Krise herbeireden – aber bis dahin ertragreiche Geschäfte machen.

Obwohl viele Banker also für dieses Finanzmarkt-Szenario keine längerfristige Perspektive sehen, wollen sie auf keinen Fall über eine – mögliche – Krise sprechen, weil dann könnte sie als „self-fulfilling-prophecy“ schon gleich kommen. (https://de.wikipedia.org/wiki/Selbsterf%C3%BCllende_Prophezeiung externer Link)

Solange sie aber noch nicht da ist, wollen eben die Investoren (Banker) weitermachen, um hohe Profite zu machen.

Dazu erzählt Andres Veiel ein Gespräch mit einem hochrangigen deutschen Banker: Auf meine Frage, welche Konsequenz er aus der Kenntnis der wachsenden Liqiditätsblase ziehe, antwortete er: „Erstens melken wir die Kuh, solange sie Milch gibt. Zweitens: Bevor sie stirbt, müssen wir rechtzeitig auf den Tod der Kuh wetten.“ Das ist die Logik dieses Wettspiels: So viel Geld verdienen wie möglich. – Und wenn dann in der Krise überschüssiges Kapital – wieder – vernichtet wird, dann darf es halt nicht das eigene sein (sondern das des Steuerzahlers?) (http://www.fr.de/wirtschaft/finanzmarkt-wir-alle-sind-spielfiguren-a-1326382 externer Link)

Und kann Protest – wie bei Occupy – eine Rolle spielen?

Es braucht zumindest einen Ort des Protestes gegen die herrschenden geldpolitischen Verhältnisse, wo sich die Finanzindustrie so eindeutig über die reale Wirtschaft stellt. Das kann nicht gut gehen. (http://www.fr.de/frankfurt/occupy-camp-in-frankfurt-natuerlich-war-occupy-eine-politische-aktion-a-1326486 externer Link)

Was aber ist mit der nächsten Finanzkrise, wenn der USA wegen der Schuldengrenze die Zahlungsunfähigkeit droht? (http://www.fr.de/wirtschaft/trumps-miese-bilanz-usa-tanzen-am-abgrund-a-1327139 externer Link)

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=119844
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