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Widerstand im Wartemodus

„Loi Macron“ – zwangsweise Sozialpartnerschaft nach Gusto der UnternehmerverbändeArtikel von Bernard Schmid vom 21.7.2017 über die soziale (und politische) Opposition gegen die anstehende neuerliche Arbeitsrechts-„Reform“ in Frankreich sowie die Haltung der wichtigsten Gewerkschaftsdachverbände. Es ist eine Langfassung eines Artikels, dessen gekürzte Version an diesem Freitag, den 21. Juli 17 in der Tageszeitung Neues Deutschland (ND) erschien – wir danken!

Von wem kommt hier noch Opposition? Diese Frage stellt sich in diesen Wochen, während relevante Teile der französischen Gewerkschaftsführungen tendenziell in einen Wettlauf um die Gunst der Regierung eingetreten zu sein scheinen.

Im Vorjahr 2016, beim Konflikt um das damals hart umkämpfte, jedoch letztendlich durchgesetzte « Arbeitsgesetz », hatte der politisch Höchst schillernde Gewerkschaftsdachverband FO (Force Ouvrière) – eine Abspaltung von der CGT aus Zeiten des Kalten Krieges – noch mit der CGT und den linken Basisgewerkschaften von der Union syndicale Solidaires gemeinsam protestiert. Auf der anderen Seite stand die rechtssozialdemokratisch gefühte CFDT, die seit Mitte März 2016 die damaligen Regierungsvorhaben unterstützte. Diese Zeiten sind jedoch offenkundig vorbei.

Heute rivalisieren die Leitungen der CFDT und des Dachverbands FO miteinander um die regierungsfreundlichere Position. Der Generalsekretär von FO, Jean-Claude Mailly – er besitzt seit dreißig Jahren ein Parteibuch der französischen Sozialdemokratie -, zeigte sich wiederholt des Lobes voll über die „Kompetenzen“ der amtierenden Arbeitsministerin Muriel Pénicaud. Er lobte mehrfach ihre Methode der „Konzertierung“, die darin besteht, im Vorfeld der geplanten Arbeitsrechts-„Reform“ die Interessenverbände des Kapitals und der Lohnabhängigen immer wieder zu empfangen und anzuhören. Getrennt, nicht gemeinsam. Dass diese Anhörungen dazu dienen werden, die Inhalte der „Reform“ im Sinne der Lohnabhängigen auszurichten, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. Im Tonfall zeigt sich sogar die CFDT-Führung etwas kritischer. Was auch damit zusammenhängt, dass man diesem Verband nunmehr zu entziehen droht, was die CFDT-Spitze selbst in der Vergangenheit als Erfolg ihrer Verhandlungsfühung verkauft hatte. 2016 hatte diese etwa erreicht, dass die damals eingeführte Deckelung von Abfindungszahlungen bei illegalen Kündigungen für die Arbeitsgerichte unverbindlich sein solle. Nun soll sie aber doch verbindlich werden.

Das „Geheimnis“ liegt hauptsächlich darin begründet, dass die neue Regierung auch einige vormalige FO-Hauptamtliche im Arbeits- und Sozialministerium eingestellt hat, wo bislang vor allem frühere CFDT-Kader zu finden waren.

Andernorts finden sich jedoch durchaus Widerspruch und Widerstände gegen die Regierungspolitik. Zwar ist die CGT in der gewerkschaftlichen Landschaft durch den Positionswechsel ihrer früheren Partnerin FO relativ isoliert. Doch als außerparlamentarische Opposition, mit Reichweite in die Gewerkschaften hinein, bündelt der Front social seit einigen Wochen Kräfte, die bislang jedoch noch nicht für eine massive Mobilisierung gegen die Regierungspläne ausreichen.

Dieses Bündnis, das erstmals am 22. April und am 08. Mai 17 – also am Tag vor dem ersten, und jenem nach dem zweiten Durchgang der Präsidentschaftswahlen – mehrere Tausend Menschen zu Oppositionsdemonstrationen gegen den erwartete Sieger mobilisierte, fasst bestimmte Gewerkschaftsflügel und einen Teil der letztjährigen Protestbewegung rund um Nuit debout zusammen. Am Montag, den 19. Juni 17 demonstrierte der Front social in rund vierzig französischen Städten gegen die geplante „Reform“ im Arbeitsrecht. In Paris kamen dabei – in glühender Hitze – am frühen Abend des 19. Juni rund eintausend Menschen auf der place de la Concorde, in Sichtweite der Nationalversammlung, zusammen. (Verstalterangaben sprachen später von „2.500“, eine übertriebene Zahl.)

Erneut ging es am 14. Juli 17 aus Anlass des Staatsbesuchs von Donald Trump bei Emmanuel Macron (am französischen Nationalfeiertag) auf die Straße, die TeilnehmerInnenzahl blieb jedoch mit rund 1.000 dieses Mal hinter vielen Erwartungen zurück. Viele weithin bekannte „Ehemalige“ der Platzbesetzerbewegung Nuit debout vom Vorjahr, mögen sie nun Maud oder Irène, Elodie, Bob, Odile, Jean-Marie  oder  auch Jean-Louis heißen, waren dabei, ebenso wie Initiativen gegen Polizeigewalt und Sans papiers-Vereinigungen.

Zu den Initiatoren des Bündnisses Front social zählen die CGT beim Autohersteller Goodyear, die im vorigen Jahr acht ihr Aktivisten zu Haftstrafen verurteilt sah – im Januar wurden sie zu Bewährungsstrafen umgewandelt -, die Mediengewerkschaft CGT Info’Com sowie die Postgewerkschaft SUD-PTT, vor allem im Département 92 (rund um Nanterre). Allerdings betrachten andere Teile der Gewerkschaften als „politisiert“, auch wenn die Allianz eine beträchtliche Spannbreite von Positionen umfasst, da die CGT-Goodyear als eher „orthodox-kommunistisch“ und die SUD-Postbediensteten eher als „trotzkistisch“ eingestuft werden. (Anmerkung: Den SUD Post-Bezirk im Département 92 betreffend wird vor allem argumentiert, er widerspiegele vor allem die Positionen eines bestimmten, sehr avantgardistisch orientierten Flügels innerhalb des NPA, d.h. der „Neuen Antikapitalistischen Partei“. Dieser Bezirk von SUD PTT organisierte in den vergangenen zwei bis drei Jahren wiederholt Streiks mit einer sehr minoritären Basis innerhalb der Belegschaft, zeitweilig mit einer Streikbeteiligung rund um die fünf Prozent. Insofern werden die Praktiken dieses Bezirks dafür kritisiert, in gewisser Weise „Märtyrertum“ und Avantegardepolitik mit zu geringer sozialer Verankerung bzw. Basishaftung zu favorisieren.)

Dass dadurch, frühere Gräben zwischen unterschiedlichen Teilen der Linken – die sich früher als „stalinistisch“ versus „trotzkistisch“ beargwöhnten – in der Praxis überwunden wurden, kann nur als positiv bewertet werden. Aber für einen wirklich massiven Protest wird es auch die Unterstützung breiterer Teile der Gewerkschaften, die heute anders als in der Vergangenheit vor politischen Bekenntnissen eher zurückschrecken, und/oder der Lohnabhängigenschaft als solcher brauchen.

  • Siehe dazu: Emmanuel Macron, der Anti-Weihnachtsmann und die „Reform“-Wichtel
    Frankreich bereitet sich auf eine neuerliche, regressive „Reform“ der Arbeitsgesetzgebung vor. Artikel von Bernard Schmid vom 21.7.2017, Langfassung eines Artikels, dessen gekürzte Version an diesem Freitag, den 21. Juli 17 in der Tageszeitung Neues Deutschland (ND) erschien – wir danken!
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=119150
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