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Wenn die Konzerne abziehen: Auch in Südafrikas „stillgelegten“ Minen ist die Lebensgefahr riesig

Eine von Tausenden Goldminen in Südafrika, die von den Konzernen "verlassen" wurden - nicht aber von den BelegschaftenDer Tod von mindestens 34 Bergleuten in einer offiziell stillgelegten Mine hat in Südafrika die gesellschaftliche Auseinandersetzung um den „illegalen Bergbau“ erneut entfacht. Die Erscheinung gibt es in einer ganzen Reihe (nicht nur) afrikanischer Länder: Vom Kapital nicht mehr ausgebeutete Minen werden von „Unternehmern ihrer selbst“ weiter betrieben, unter höchster Lebensgefahr. Weil es oftmals eben die einzige Möglichkeit ist, sich den Lebensunterhalt zu verdienen. In Südafrika ist – seit dem Ende der Diktatur – die Zahl der im Bergbau Beschäftigten von knapp unter einer Million Menschen auf weniger als die Hälfte zusammen rationalisiert worden, was einerseits eine unüberschaubare Zahl stillgelegter Minen bedeutet, zum anderen mehrere Gegenden des Landes, in denen es kaum Alternativen gibt, als zwischen Migration und Schattenwirtschaft auszusuchen. Nicht zuletzt sind es Goldminen, um die es da geht – und sehr oft um frühere Bergarbeiter meist aus Simbabwe. Die Behörden und die Regierenden sind sich in der Regel mit den Medien des Mainstreams einig: Es ist „lediglich“ ein Problem von – mehr Polizei. Dagegen regt sich seit langem Widerstand – nun auch endlich von gewerkschaftlicher Seite. Siehe dazu vier aktuelle Beiträge und Stellungahmen sowie zwei Hintergrundbeiträge:

  • „Bergbau ohne Regeln“ von Christian Selz am 29. Mai 2017 in der jungen welt externer Link berichtet über die tragischen Ereignisse: „Zweieinhalb Wochen ist es her, dass in Welkom die Erde bebte. Wieder einmal. Einwohner der Bergbaustadt 250 Kilometer südwestlich von Südafrikas Wirtschaftsmetropole Johannesburg berichteten von klirrenden Fenstern und verschobenen Schränken. Doch das wahre Ausmaß der Katastrophe, die sich 3.000 Meter unter Tage ereignete, wurde erst in der vergangenen Woche bekannt. Mindestens 34 Bergarbeiter, die ohne Lizenz in einem verlassenen Schacht einer Goldmine operierten, kamen bei einer Methangasexplosion ums Leben. Und das ist nur die Zahl der geborgenen Leichen. Offizielle Angaben zum Unfallhergang und zu weiteren Opfern gibt es nicht, weil die Rettungskräfte die maroden Schächte nicht betreten können. Mitleid zeigt die Staatsgewalt nicht. Seit vergangenem Freitag laufen Prozesse gegen insgesamt 27 Bergarbeiter, denen Diebstahl und Einbruch vorgeworfen werden. Die Hintermänner bleiben unbehelligt. Zu reich und mächtig sind sie längst geworden. Bergbaugemeinden fordern derweil, die Knochenarbeit der als »illegal« gebrandmarkten Goldschürfer zu entkriminalisieren“.
  • „Cosatu blames government, mining sector for Welkom zama zama deaths“ am 18. Mai 2017 bei TimesLive externer Link war die Meldung über die Stellungnahme des Gewerkschaftsbundes Cosatu zu den Todesfällen, worin zwar nicht die Legalisierung des Gewerbes gefordert wird, aber immerhin darauf verwiesen, dass weder die Bergbaukonzerne noch die Regierung so tun könnten, als habe das alles nichts mit ihnen zu tun – die Spitze dieses Eisbergs seien eben offene Schächte, die einfach so gelassen würden, weil keine geordnete Schließung vorgeschrieben sei und dies Kosten verursache, die die Unternehmen um jeden Preis vermeiden wollten.
  • „Legalise zama zamas: ‚Miners not hurting SA’“ von Jan Bornman am 23. Mai 2017 bei TimesLive externer Link ist ein Beitrag über die Reaktion der Mining Affected Communities United in Action, ein Netzwerk von Bergbaugemeinden, das ebenfalls vehement die Legalisierung der Arbeit fordert, bei rund 6.000 aufgegebenen Minen sei dies ein fürs ganze Land wesentlicher Wirtschaftsfaktor – aber, so wird in dem Bericht abschließend hervor gehoben, sowohl das Department of Mineral Resources als auch die Chamber of Mines hätten ihre Haltung unterstrichen, diese Arbeit „keinesfalls“ zu legalisieren.
  • „Südafrika: Illegaler Bergbau als Landplage“ am 26. Mai 2017 bei Blickpunkt Afrika externer Link ist eine dpa-Meldung, die stellvertretend für die wohl mehrheitlich geltende Art der Berichterstattung stehen kann: „Aber die illegalen Bergleute haben kein leichtes Leben gewählt. Viele sind wegen der Krise in den immer weniger ertragreichen Goldminen arbeitslos geworden. Die Zahl der Jobs in Goldminen sank von 500 000 vor 25 Jahren auf etwa 150 000. Viele Bergleute hatten die Wahl zwischen karger Sozialhilfe und wilder Minenarbeit. „Zama-Zamas“ nennt sie der Volksmund, was so viel bedeutet: Die ihr Glück suchen. Verdienen tun sie an einem guten Tag umgerechnet 50 Euro, was in einem Land mit Massenarmut eine Menge Geld ist. Aber die Männer in den aufgegebenen Bergwerken rund um Johannesburg müssen stets mit Unfällen rechnen. Sicherheitsvorkehrungen werden kaum beachtet. Rettungskräfte für den Notfall stehen nicht bereit. Oft verbringen die Männer viele Wochen unter Tage, kämpfen mit den Widrigkeiten wie der Düsternis und den Methan-Grubengasen. Der Tod ist der harten Arbeit hier oft nah. Im Mai 2009 kamen 82 illegale Bergleute bei einem Feuer in der Harmony Goldmine ums Leben. Das Unglück jetzt in Beloni wurde ohnehin nur zufällig entdeckt. Polizisten hatten beim Einsatz wegen einer illegalen Müllkippe plötzlich Hilferufe gehört – der Mineneingang liegt ungesichert ohne Zäune oder Mauern auf freiem Feld. Die Ereignisse zeigen auch, dass die Goldsucher nicht nur die Unbillen von alten Bergwerken und der Natur – etwa Erdbeben – fürchten müssen. Konkurrierende Minenarbeiter nämlich hatten ersten Berichten nach die Männer angegriffen und schwere Felsbrocken vor den Eingang gewuchtet. Offen blieb, ob es wirklich die Absicht gewesen war, die Illegalen lebendig zu begraben“ – von der Überschrift bis zur stets berichteten Wirkung der Gangs, zweifellos eine Tatsache (gegen die Entkriminalisierung entscheidend helfen würde) stellvertretend eben für viele Berichte dieser Art.
  • „BLF calls for immediate recognition, regularisation and subsidisation of Zama Zama miners“ von Zanele Lwana und Lindsay Maasdorp am 11. September 2016 bei Black Land First externer Link ist ein Beitrag aus Anlass eines damaligen „kleineren“ Unglücks, in dem nicht nur die Legalisierung dieser Arbeit als eigentliche Selbstverständlichkeit verteidigt wird, sondern auch auf die vielfältigen Verbindungen zum „offiziellen Bergbau“ verwiesen wird – etwa, was die besondere Gefährlichkeit der Arbeit im südafrikanischen Bergbau betrifft, wo traditionell von den Konzernen wenig in Modernisierung investiert wird und stattdessen mehr Arbeitskräfte – mit welcher Hautfarbe wohl? – „verbraucht“ werden. Es wird dabei berichtet, dass 2009 von den Behörden publiziert wurde, dass in den rund 100 Jahren, seitdem Unfälle im legalen südafrikanischen Bergbau überhaupt erst „erfasst“ werden (die ersten 50 Jahre fand nicht einmal das statt) 54.000 Menschen bei solchen „Unfällen“ gestorben sind. Und die Gewohnheit, mit Dynamit zu arbeiten – beispielsweise – nehmen die Bergarbeiter eben dann mit in ihre neue Arbeitsform…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=116949
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