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150.000 in Brasilia gegen reaktionäres Reformpaket, für Neuwahlen – ein sogenannter Präsident ruft die Armee

Conlutas in Brasilia am 24.5.2017 - für einen neuen GeneralstreikDie übliche Bekundung, es seien ja nur ganz wenige Menschen gewesen, die da protestierten, funktionierte nicht so ganz: Wegen eben mal 35.000 DemonstrantInnen hätte selbst ein in die Enge getriebener Präsident, den seine Hintermänner opfern wollen, nicht – erstmals seit Ende der Militärdiktatur vor über 30 Jahren – die Armee gerufen, was Temer aber tat. Und verschiedene Minister sprachen dann auch  öffentlich davon, es seien „so viel mehr Menschen, als erwartet“ gewesen. Gezählt hat sie niemand, die meisten Gewerkschaften „einigten“ sich auf 150.000 Menschen, die durch die Sperren der Militärpolizei durchkamen, die mit einem Großaufgebot aufmarschiert war. Die Propaganda-Dreckschleuder Globo beschränkte sich darauf, über „Vandalen“ zu berichten, die die Hauptstadt beschädigen würden – und die Hintermänner der schwankenden Temer-Regierung versuchen, die antisozialen Reformen von der Regierung „loszulösen“. Siehe dazu eine kleine aktuelle Materialsammlung:

„Nach Protesten: Temer fordert Armee an“ am 25. Mai 2017 in neues deutschland externer Link ist die afp-Meldung über Temers Tabubruch, worin es unter anderem heißt: „Einige Demonstranten drangen dabei in das Landwirtschaftsministerium in der Hauptstadt Brasília ein und randalierten dort, wie ein Ministeriumssprecher sagte. Sie legten demnach ein Feuer, zerstörten Fotos früherer Minister und lieferten sich Auseinandersetzungen mit der Polizei. Auch andere Ministerien wurden laut Regierung mit Steinen und Stöcken angegriffen. Die brasilianische Regierung forderte Soldaten an, um die Gebäude zu schützen. Wie Verteidigungsminister Raul Jungmann erklärte, wurden die Soldaten zum Außenministerium und zu allen weiteren Ministerien in Brasília geschickt. Der Einsatz der Armee ist heikel in einem Land, das von 1964 bis 1985 unter der Militärdiktatur lebte. Zuletzt kamen Soldaten in schwierigen Sicherheitslagen oder bei Großereignissen wie den Olympischen Spielen zum Einsatz“  – wobei nicht nur die Zahlenangaben der Agentur, sondern auch die Darstellung der Vorkommnisse  eine Art (Post)Fakten-Übernahme von TV Globo darstellen.Das Ministerium für Agrarkapitalismus wird beheit - Brasilia 24.5.2017

„Temer ruft das Militär“ von Peter Steiniger am 26. Mai 2017 in der jungen welt externer Link berichtet so darüber: „Szenen wie im Krieg in Brasiliens Hauptstadt: Rauchsäulen und Schüsse im Regierungsviertel. Ein Protestmarsch von Zehntausenden gegen das soziale Abbruchprogramm der Regierung, für den sofortigen Abtritt von Präsident Michel Temer und für Neuwahlen wurde am Mittwoch nachmittag (Ortszeit) nach friedlichem Beginn von Militärpolizei und Nationalgarde gewaltsam attackiert. Ziel der Demonstration unter dem Motto »Ocupa Brasília« war das Gebäude des Nationalkongresses an der Esplanade der Ministerien. Aufgerufen hatten Gewerkschaften und soziale Bewegungen. Aus dem ganzen Land waren die Teilnehmer mit annähernd 1.000 Bussen angereist. 500 Meter vor dem Parlament erwartete sie die auf Krawall gebürstete Staatsmacht. Pfefferspray kam zum Einsatz, Blendgranaten und Tränengas folgten, berittene Polizei prügelte auf Demonstranten ein. In den Zug – die Organisatoren schätzten ihn anschließend auf mindestens 150.000 Menschen – hatten sich auch kleine Gruppen Maskierter eingereiht, die mit Akten des Vandalismus der Eskalation der Gewalt Vorschub leisteten. Ein Einsatz von Provokateuren kann angenommen werden. Am Agrarministerium wurde Feuer gelegt, weitere sieben der sämtlich evakuierten Gebäude der Behörden wurden beschädigt. 49 Verletzte, darunter auch eine Handvoll Polizisten und mehrere Reporter, mussten in die Notaufnahmen der Krankenhäuser eingeliefert werden. Es gab acht Festnahmen. Wie die Zeitung Folha de São Paulo berichtet, setzten Beamte auch Schusswaffen mit tödlicher Munition ein und feuerten in die Menge“  – was, trotz der eher unwahrscheinlichen Ausführungen über Provokateure, denn doch ein gänzlich anderes Bild ergibt.

„Brasília | PM feriu um manifestante com arma de fogo – Ouça o áudio“ am 24. Mai 2017 bei Esquerda Online externer Link Audio Datei ist ein Audiobeitrag über die Schüsse von Militärpolizisten auf Demonstranten m selben Tag in Brasilia.

„25 imagens do massacre da PM contra manifestantes em Brasília“ am 24. Mai 2017 beim Portal Vermelho externer Link (dem Roten Portal der KP Brasiliens) ist eine Dokumentation des Polizeiterrors gegen die Demonstrationen in 25 Fotografien.

„Manifestação em Brasília contra governo Temer; FOTOS“ am 24. Mai 2017 bei G1Globo externer Link ist ebenfalls eine Fotosammlung, allerdings über die TeilnhemrInnen der Demonstrationen – interessant ist diese Zusammenstellung vor allem, weil sie die Beteiligung der verschiedenen Gewerkschaftsverbände deutlich macht (bis auf die beiden linkesten Verbände, versteht sich).

„Nota da CUT: Maior Marcha da história“ am 24. Mai 2017 beim Gewerkschaftsbund CUT externer Link ist die Pressemitteilung des größten brasilianischen Verbandes, in der vor allen Dingen unterstrichen wird, dass es sich um die größte Demonstration handelt, die jemals in Brasilia stattgefunden hat – und die die drei zentralen Losungen nochmals zusammenfasst: Kein Recht weniger, Temer weg, Neuwahlen jetzt!

„#OcupeBrasilia: a resistência dos que defendem seus direitos e querem Fora Temer, já; preparar Greve Geral de 48 horas“ am 25. Mai 2017 bei der CSP Conlutas externer Link ist die Stellungnahme des linken Verbandes zur Einschätzung des Protesttages in der Hauptstadt und zur Fortsetzung des Widerstandes gegen das Reform-Wunschpaket der Unternehmerverbände – wobei die Conlutas die anderen Verbände dazu aufruft, sofort über einen neuerlichen, diesmal längeren, Generalstreik gemeinsame  zu beschließen."Die Amngst hat die Seiten gewechselt" Volksbrigaden Plakat am 24.5.2017 in Brasilia

„A nova estratégia é ‘descolar’ reforma da previdência de Michel Temer“ am 26. Mai 2017 beim Gewerkschaftsbund Intersindical externer Link ist die Erklärung des zweiten linken Gewerkschaftsverbandes zu den Versuchen der Unternehmerverbände, die von ihnen geforderten Reformen nunmehr ohne eine Regierung Temer durchzusetzen – indem sie, natürlich ohne Neuwahlen, eine neue Regierung installieren wollen (mit heftiger Unterstützung, wen überrascht es, etwa durch TV Globo),  die sie eher in der Lage sehen würden, den „Plan“ umzusetzen

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=116741
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