(Wieder mehr) Nazis in der Bundeswehr: Erstes Ergebnis ist die öffentliche Demontage einer Ministerin

Du glaubst, es ist cool, Soldat/in zu sein? Ad-Busting vom Peng!-Kollektiv, November 2015Der aktuelle Fall des Oberleutnants Franco A, dessen in völkischer Diktion verfasste Diplomarbeit kein Karriereknick in der Bundeswehr war, bot den unmittelbaren Anlass für die Ministerschelte an der Bundeswehr. Was dann folgte, war ein deutschnationaler Shit-Storm gegen die Ministerin, der von der AfD über die SPD, den Bundeswehrverband bis zum Darmstädter Signal reichte, der nur, weil er sich zeitweise im Umfeld der deutschen Friedensbewegung positionierte, als links gilt. Deren Sprecher Florian Kling will bei aller Detailkritik an den rechten Umtrieben auf die Truppe nichts kommen lassen. Er sieht das Problem nur im Ministerium, sagte er. Der Bundeswehrverband sieht ja „jeden rechtsschaffenden Soldaten beleidigt“, weil die Ministerin es wagt, einmal eine annähernd realistische Einschätzung zu geben. Die SPD muss natürlich wieder einmal besonders deutlich machen, dass sie nicht aus vaterlandslosen Gesellen, sondern aus deutschen Patrioten besteht und wirft der Ministerin vor, das Vertrauen in die Bundeswehr zerstört zu haben“ – aus dem Beitrag „Kotau vor dem Korpsgeist der Bundeswehr“ von Peter Nowak am 06. Mai 2017 bei telepolis externer Link, worin auch eine kurze Skizze der Geschichte der Bundeswehr enthalten ist. Siehe dazu zwei weitere aktuelle Beiträge, zwei  von vorvorletzten „Skandalen“ aus 20 Jahren,  sowie einen Hintergrundartikel:

  • „Verteidigungsministerin von der Leyen entschuldigt sich bei den Generälen“ von Ulrich Rippert am 06. Mai 2017 bei wsws externer Link, worin es unter anderem heißt: „In den vergangenen Tagen sind immer neue Einzelheiten über den festgenommenen rechtsextremen Oberleutnant Franco A. bekannt geworden. Er ist Teil eines neonazistischen Netzwerks, das von hohen Armeestellen gedeckt wurde, und plante Anschläge auf hochrangige Regierungsvertreter, linke Aktivisten und jüdische und muslimische Verbände. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte am letzten Wochenende versucht, die Angelegenheit aus den Schlagzeilen zu bringen und zu verharmlosen. Deshalb sprach sie allgemein davon, die militärische Führung der Bundeswehr habe ein „Haltungsproblem“. Es gebe in der Truppe einen „falsch verstandenen Korpsgeist“, der mitunter dazu führe, dass Verfehlungen nicht richtig verfolgt würden. „Es wird weggeschaut. Das gärt dann, bis es zum Eklat kommt. Und das ist nicht in Ordnung“, sagte sie der ZDF-Sendung „Berlin direkt“. Diese Äußerungen lösten im Militär einen Proteststurm aus. Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbands (DBwV), Oberstleutnant André Wüstner, sagte, das Verhalten der Ministerin sei „unglaublich“. Niemand in der Armee könne ihre Ausführungen und Brandmarkungen an der Führungstruppe der Bundeswehr „nachvollziehen“. Es sei nicht hinnehmbar, „wie sich eine Ministerin jetzt sozusagen auf die Tribüne verabschiedet und über ihre Mannschaft urteilt“.
  • „Kampfgemeinschaften“ am 03. Mai 2017 bei German Foreign Policy externer Link hält zu (nicht sehr viel) früheren Ereignissen eine der Traditionslinien fest: „Ultrarechte Einstellungen, wie sie bei A. in extrem zugespitzter Form zutage treten, werden Teilen der Bundeswehr regelmäßig attestiert. Dabei finden sich rechte Kräfte auch in einflussreicher Stellung in den Streitkräften, beispielsweise an der Münchner Bundeswehr-Universität sowie in deren Umfeld. Exemplarisch zeigte dies ein Vorfall im Jahr 2011. Damals hatte sich heftiger Streit um die offizielle Studierendenzeitschrift der Hochschule („Campus“) entzündet, nachdem das Blatt provozierende rechte Thesen verbreitet hatte: „Frauen als Kämpfer einzusetzen“ bedeute „einen strukturellen Kampfwertverlust“, hieß es etwa; zudem sei die Rede vom „Staatsbürger in Uniform“ eine „inhaltsleere Hülle“. Recherchen ergaben, dass der damalige „Campus“-Chefredakteur sowie zwei weitere Redakteure publizistisch einem Milieu entstammten, das sich positiv auf die Konservative Revolution bezieht und als dessen führender Kopf der bekannte Rechtsintellektuelle Götz Kubitschek gilt. Bei der Konservativen Revolution handelt es sich um eine ultrarechte Strömung der 1920er und frühen 1930er Jahre, die Experten zufolge „zu den geistigen Wegbereitern des Nationalsozialismus“ zählt.  Kubitschek wiederum, Gründer des in dieser Tradition stehenden „Instituts für Staatspolitik“, wird als geistiger Mentor des ultrarechten AfD-Flügels um den AfD-Fraktionsvorsitzenden im Thüringer Landtag, Björn Höcke, eingestuft“.
  • „Unselige Traditionspflege bei der Bundeswehr“  am 01. Dezember 2012 bei der DFG-VK externer Link ist einer von sehr, sehr vielen möglichen Berichten über rechte „Vorfälle“ im Alltag der Bundeswehr: „Nach Kontraste-Recherchen wurde auf einer offiziellen Veranstaltung der Bundeswehr zum Volkstrauertag ungehindert Liedgut der Waffen-SS vorgetragen. Einer der renommiertesten deutschen Forschungspreise für Militärhistoriker ist nach einem ehemaligen SS-Mitglied benannt. Noch immer sind zahlreiche Bundeswehrkasernen nach Wehrmachtsoffizieren benannt, die tief in die nationalsozialistische Rassen- und Eroberungspolitik verstrickt waren. Obwohl dies dem Bundesverteidigungsministerium bekannt ist, wurden die Kasernen nicht umbenannt“.
  • „60 Jahre auf dem „Deutschen Weg““ von Arno Neuber am 16. Juli 2005 bei imi-online externer Link zeichnet die Geschichte (und eben auch: Vorgeschichte) der Bundeswehr nach 1945 nach, unter vielem anderen etwa mit folgender Passage: „Auf der Seite deutscher Militärs begannen die Planungen für die Wiederbelebung des Militarismus und eine militärische Revanche gegen die Sowjetunion unmittelbar nach der totalen Niederlage im Mai 1945. Getreu dem Motto, das General von Stülpnagel seinem Tagebuch schon 1943 anvertraut hatte: „Keine Niederlage ist endgültig. Niederlagen sind nur Lektionen, um bei der Vorbereitung für den nächsten und größeren Angriff zu lernen.“ Ehemalige Wehrmachtsgenerale erarbeiten Pläne und Denkschriften für eine Remilitarisierung Deutschlands, bauten Netzwerke „alter Kameraden“ auf und suchten und fanden den Kontakt zu den westlichen Besatzungsmächten und zu Adenauer. Johann Adolf Graf Kielmannsegg übergab den Briten schon 1945 eine Studie zur Fortführung des Krieges gegen die Sowjetunion. Gerhard Graf von Schwerin gehörte ebenso zu Adenauers Beratern wie Reinhard Gehlen. Im November 1945 erhielt Adenauer die erste Denkschrift aus der Feder des Generals Speidel“.
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