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Tod den Schmarotzern! Die Arbeitsgesellschaft vergeht, und kurz bevor das wirklich jedem aufgefallen ist, holt sie noch einmal zu einem großen Schlag aus

Delikt ArbeitslosMan muss es den Weißrussen lassen: Eine schräge Art von Humor haben sie. Allen, die weniger als 183 Tage im Jahr arbeiten (und entsprechend wenig verdienen), soll eine Sondersteuer aufgebrummt werden. Der Westen sollte nicht zu laut lachen: Er hasst die Betroffenen auf seine Art. (…) Jeder, dem die historischen Anwendungsbeispiele des Begriffs „Schmarotzer“ bekannt sind, sollte es bei der Idee einer „Schmarotzersteuer“ kalt den Rücken hinunterlaufen. Denn natürlich geht es bei dieser Steuer nicht um nennenswerte Mehreinnahmen für den Staatshaushalt. Das bringt genauso wenig, wie Bettlern in den Hut zu greifen, und Lukaschenko hat das mittlerweile auch zugegeben. Die wahre Stoßrichtung ist eine andere: Volksverhetzung ist das unmittelbare Ziel einer solchen „Steuerpolitik“, Ausmerze ihre Perspektive. Oder, in den Worten Lukaschenkos: „Das ist ein ideologisches, ein moralisches Dekret.“ Bezeichnend, wer zu den Schmarotzern gerechnet wird. Die Gesamtheit all derer, die sich nicht der herkömmlichen Arbeitsdisziplin und -taktung unterwerfen können oder wollen, soll namentlich vertreten werden von den Arbeitslosen, die wenigstens in der Regel still sind, und von den Künstlern sowie den freien Journalisten, die bei ihrem unproduktiven Dasein auch noch das Maul aufmachen – die einen, dass man sie nicht versteht, die anderen, dass man sich auch noch über sie ärgern muss. All die Unproduktiven: An ihnen soll sich der Neid der braven Kleinbürger austoben, die nichts anderes kennen und sich auch nichts anderes vorstellen können als fremdbestimmte Arbeit mit einem Lohnsystem, das sie auch dann noch bis aufs Messer zu verteidigen bereit sind, wenn seine bizarre Ungerechtigkeit mit Händen zu greifen ist…“ Kommentar von Marcus Hammerschmitt vom 16. März 2017  bei Telepolis externer Link. Siehe zum Hintergrund:

  • Aus dem Text: „… Leute wie Trump und Erdogan, für die der höchste Ausdruck von Kultur der goldfarbene Nippes ist, mit dem sie sich umgeben, die also in etwa den Kulturbegriff von Saddam Hussein haben, sind aber nur deswegen auch in ihrer „Kulturpolitik“ so destruktiv, weil sie sich des Vertrauens und der Zustimmung ihrer Wähler sicher sein können – ihr Kulturbegriff deckt sich mit dem ihrer Anhänger. Die große Kulturnation Deutschland geht einen eigenen Weg. Sie vertraut in ihrer aktuellen, nichtfaschistischen Variante auf die Macht der Lippenbekenntnisse. Die sozialen Folgen von Hartz IV sind mittlerweile sogar Teilen der SPD so klar, dass sie zum Wahlkampfthema werden. Nach der Wahl wird sich die Betroffenheit in Luft auflösen; der winzigen Minderheit der Künstler und Journalisten nützt das Schattenboxen sowieso nichts. (…) Aber selbstverständlich sind es die Künstler und Journalisten, die hier schmarotzen. Nein, in Deutschland werden Künstler, Journalisten und Arbeitslose nicht mit einer Sondersteuer zermürbt. Man wirft sie auch nicht ins Gefängnis, wie in der Türkei. Man nimmt ihre Verarmung nur achselzuckend hin und kommt sich dabei auch noch wahnsinnig kulturell vor. (…) Schon, wenn man nur die Beispiele aus Weißrussland, den USA, Deutschland und Österreich zusammenzählt (es gibt natürlich mehr), könnte man an einen internationalen Aufstand der Kleingeister glauben, die ihren Frust wie üblich gegen die mobilisieren, von denen sie am wenigsten Widerstand erwarten. (…) Man könnte einen Volksgemeinschaftsmob am Werk sehen, der ganze Gruppen von ohnehin schon Randständigen zu explizit Unerwünschten und Überflüssigen erklärt. Das ist alles sicher richtig. Hier deutet sich eine Fortschreibung der althergebrachten Ideologie an, die man mit einem Satz zusammenfassen kann: „Wer nicht arbeitet (oder nicht das Richtige), soll auch nicht essen.“…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=114899
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