Die (un-)heimliche Macht der Reichen und ihre Steuerparadiese

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 28.3.2017

DGB strikt gegen die verschonten Steueroasen (Steuerparadiese) in Europa.

Der DGB fährt schweres Geschütz auf, so Cerstin Gammelin in der Süddeutschen, gegen den Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble: Dieser messe im Kampf gegen die Steueroasen mit zweierlei Maß. Der Minister plane zwar mit neuen Gesetzen gegen Steuerverstecke in „Drittländern“ vorzugehen. Zugleich verschone er aber europäische Steuerparadiese. (http://www.dgb.de/themen/++co++f8f4f25c-12cc-11e7-bede-525400e5a74a externer Link = nebst der Stellungnahme des DGB zu diesem Gesetz-Entwurf zur „Bekämpfung der Steuerumgehung“) „Wir sind doch nicht im Steueroasen-Wettbewerb, wir müssen Steueroasen endlich weltweit einen wirksamen Riegel vorschieben„, so sagte es Stefan Körzell der Süddeutschen Zeitung. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/steuerflucht-verschonte-paradiese-1.3436734 externer Link)

Die Kritik gilt dem geplanten Gesetz zur Bekämfung der Steuer-Umgehung – besser bekannt als „Panama-Gesetz“. Schäuble will mit diesem Gesetz inländische Steuerpflichtige enttarnen, die Briefkastenfirmen außerhalb der EU oder der Europäischen Freihandelsassoziation betreiben oder davon profitieren.

Schäuble reagiert damit auf die Enthüllungen über in großem Stil betriebene Briefkastenfirmen, die im Großen Stil von einer Kanzlei in Panama gesteuert wurden. (Vgl. dazu auch noch einmal „Nach den Panama-Leaks jetzt die Bahama-Leaks“ (vom 23. September 2016): https://www.labournet.de/?p=104859 – insbesondere auch den Abschnitt „Die permanente Unfähigkeit politisch zu gestalten, wird zum Kern des Problems: Es fehlt ein gemeinsamer Pakt der Staaten gegen Steuerdumping der Großkonzerne“ auf der Seite 1 unten)

Für den DGB wird es Zeit, die Finanzmärkte allgemein zu regulieren. (http://www.dgb.de/themen/++co++bfbd0f78-0f0d-11e7-a472-525400e5a74a externer Link) Seit den Panama-Papers wissen wie genügend über die steuersparenden „Abwege“ des Kapitals (http://www.dgb.de/presse/++co++d8a9d2cc-fb0f-11e5-9949-52540023ef1a externer Link)

Das DGB-Vorstandsmitglied Körzell meint, dass dieses jetzt von Schäuble vorgelegte Gesetz diesem Anspruch gegen Steuerflucht vorzugehen nicht gerecht wird. Zwar müssten Banken künftig bekannt geben, wenn ein Kunde sein Geld in einer Briefkastefirma verstecken will. Das gelte aber nur, wenn er es in Drittsaaten transferieren will.

DGB: Europäische Steuerverstecke dürfen nicht von der Regelung unberührt bleiben.

Europäische Steuerverstecke wie Lichtenstein, die Schweiz und Luxemburg wären davon nicht betroffen, meint DGB-Körzell. Damit würde das Gesetz nur dazu führen, dass das Geld in Europa versteckt wird. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/steuerflucht-verschonte-paradiese-1.3436734 externer Link) Der DGB fordert deshalb, dass dieses nationale Panama-Gesetz auf alle Staaten ausgedehnt wird.

Das lehnt jedoch das Bundesfinanzministerium strikt ab, weil es den „freien Kapitalverkehr“ in Europa beeinträchtigen könnte. (vgl. dazu auch Sven Giegold, „Schäubles halbe Transparenz“: http://www.sven-giegold.de/2017/schaeubles-halbe-transparenz/ externer Link)

Und so sieht Schäubles „freier Kapitalverkehr in Europa“ aus: Neue Studie belegt, dass gerade hier in Europa „unsere“ Banken in den europäischen Steueroasen die größten Gewinne machen – Die Bankfilialen in den Steueroasen sind im Durchschnitt doppelt so lukrativ –

Ich konnte es zunächst bei Ulrike Herrmann in der TAZ zur Kenntnis nehmen: Europas Top-Banken nutzen die Steueroasen für Milliardengewinne. Dies belegt eine Studie die am 27. März 2017 (dem Tag der Anhörung im Bundestag zum „Panama-Gesetz) von den beiden Nichtregierungsorganisationen Oxfam und Fair Finance Guide International vorgelegt wurde. (http://www.epo.de/index.php?option=com_content&view=article&id=13645:neue-studie-europas-top-banken-nutzen-steueroasen-fuer-milliardengewinne&catid=46&Itemid=115 externer Link)

Die Fakten im Überblick: 26 Prozent der Gewinne der größten europäischen Banken wurden 2015 in Steueroasen erwirtschaftet. Es handelt sich um 25 Milliarden Euro. (http://orf.at/stories/2385000/2384999/ externer Link) Für die Banken sind ihre Tochterunternehmen in Steueroasen im Durchschhnitt doppelt so lukrativ. In den Steueroasen kommen die Banken auf eine Umsatzrendite von 42 Prozent, während es im weltweiten Durchschnitt nur 19 Prozent sind. Fast ein Drittel dieser Gewinne werden in Irland und Luxemburg, den beliebtesten Steueroasen, verbucht. (http://diepresse.com/home/wirtschaft/economist/5190268/TopBanken-nutzen-Steueroasen-fuer-Milliardengewinne externer Link) So entrichten Banken in der Regel nur sehr geringe oder gar keine Steuern auf ihre Gewinne in den Steueroasen.

Für Sven Giegold, dem Europa-Politiker ist damit der Fall erst so richtig klar, „ohne eine länderbezogene Finanzberichterstattung und eine Transparenz bei diesen allgemein-schädlichen Steuerdumpingpraktiken“ bleibt der Kampf gegen die Undurchsichtigkeit bei der Besteuerung hilflos. (http://www.sven-giegold.de/2017/oxfam-studie-tiefer-steuersumpf-der-banken/ externer Link)

Und hier kann diese hochaktuelle Oxfam-Studie herunter geladen werden: http://www.fairfinanceguide.de/media/373621/opening-the-vaults-final-report-english.pdf externer Link pdf

Diese die Ungleichheit immer weiter fördernde Reichtumsvermehrung ist nicht zu erklären ohne den politischen Kontext. Der Markt allein kann nur diese „Rich-get-richer-dynamic“ hervorbringen, bis zum vorausehbaren schlimmen Ende einer Beseitung der Demokratie durch eine Oligarchie.

Diese dringende Mahnung an die jetzige Politik geht nicht nur von dem Werk von Thomas Piketti selbst aus, der diese Dynamik über 200 Jahre Kapitalismus erforscht hat (vgl. dazu noch einmal insbesondere ab dem Absatz „Die Senkung der Steuern auf Einkommen und Vermögen…“ in der Mitte der Seite 2 bei https://www.labournet.de/?p=113725), sondern jetzt aktuell von dem – zwar erst im Mai erscheinenden Sammelband der amerikanischen Ökonomen Heather Boushey, J. Bradford DeLong und Marshall Steinbaum „After Piketty – The Agenda of Economics and Inequality“ (Harvard University Press) (http://www.sueddeutsche.de/kultur/wirtschaftstheorie-wer-viel-hat-1.3438249 externer Link).

Und trotz seines hohen Alters von über 90 Jahren ließ es sich große Ökonom und Nobelpreisträger Robert M. Solow nicht nehmen dazu mit seinen einleitenden Bemerkungen dem jungen Kollegen Thomas Piketty einen Kranz zu flechten und zu schreiben: Er hat – wie keiner vor ihm – diese „Rich-get-richer-dynamic“ zutreffend beschrieben. Und falls man es weiter – marktgemäß – so treiben lässt, befürchtet Solow Schlimmes: „Sollte sich das Eigentum an Vermögen im Rest des 21. Jahrhunderts noch stärker konzentrieren, ist der Ausblick trostlos, es sei denn man hat eine Vorliebe für Oligarchien.“ (Solow) (http://www.sueddeutsche.de/kultur/wirtschaftstheorie-wer-viel-hat-1.3438249 externer Link)

Politischer Einfluss der Reichen im Reichtumsbericht – ein Tabu in dieser Großen Koalition. Und Lobby-Control will dies aufbrechen

Am Freitag, 24. März 2017, kommt die Frankfurter Rundschau (nicht im Netz) noch einmal auf den Konflikt in dieser Bundesregierung zurück, dass in dem jetzt verabschiedeten Reichtums- und Armutsbericht der Bundesregierung der Textabschnitt, dass Menschen mit mehr Geld einen größeren Einfluss auf die Politik haben, gestrichen werden müsse – oder wie die Arbeitsministerin Nahles es noch sehr diplomatisch ausdrückte: „Da waren wir uns in der Bewertung nicht sehr nah„. – Und darum geht es: Je mehr Menschen mit einem hohen Einkommen eine Meinung verträten, desto wahrscheinlicher ist eine politische Entscheidung in ihrem Sinne – gerade in den zurückliegenden Jahren seit 1998. Dies war das Ergebnis einer Studie für das BMAS. (Vgl. dazu nach dem ersten Drittel der Seite 2 bei https://www.labournet.de/?p=110444, wo es auch schon einen Link zu dieser Studie gibt)

Da die SPD im Bundestagswahlkampf in diesem Jahr die soziale Ungerechtigkeit zu ihrem Thema gemacht hat, ist diese Streichung im großkoalitionären „Hick-Hack“ natürlich von einer besonderen Brisanz. (Vgl. auch schon die Kritik der SPD an dieser Entschärfung des Armuts- und Reichtumsberichtes: http://www.berliner-zeitung.de/politik/entschaerfung-spd-kritisiert-aenderungen-an-armutsbericht-25298780 externer Link)

Und nach dem jetzigen Bericht scheiterte diese Erwähnung des politischen Einflusses der Reichen am Einwand des Kanzleramtes. Bisher hatte diese Blockade in der schwarz-gelben Koalition noch die FDP übernommen!

Während die für das Soziale in dieser Regierung zuständige Ministerin Nahles noch betonte, es gelte eine Oligarchie der Reichen zu verhindern (http://www.swp.de/ulm/nachrichten/politik/sozialministerin-andrea-nahles_-_wir-wollen-den-einfluss-der-reichen-beleuchten_-14302419.html externer Link), war diese Gefahr für die Demokratie und weiter für die Destabilisierung des Systems durch die Vorherrschaft des Finanzkapitalismus mit seinen Krisen in dieser Koalition anscheinend nicht mehr vermittelbar. (Siehe dazu auch Sighard Neckel „Refeudalisierung“ als das Problem unserer finanzkapitalistischen Gesellschaften: http://www.fb03.uni-frankfurt.de/45949543/Neckel_Refeudalisierung_Leviathan_1_2013.pdf externer Link pdf)

Einkreisen dieser Finanz“schmarotzer“ an der Allgemeinheit: Lobby-Control: Die heimliche Macht der Reichen aufdecken damit hat sich Lobby-Control der Sache angenommen, damit dieser Einfluss der Reichen nicht tabu bleibt.

Eine Kampagne soll die Macht der Reichen in Deutschland aufdecken (https://www.lobbycontrol.de/2017/03/die-macht-der-reichen-aufdecken/ externer Link), die auch für Deutschland in einer Studie nachgewiesen wurde (http://www.armuts-und-reichtumsbericht.de/SharedDocs/Downloads/Service/Studien/endbericht-systematisch-verzerrte-entscheidungen.pdf;jsessionid=E16546E2B9F1117C0ED9063032086A68?__blob=publicationFile&v=2 externer Link).

Auch in Deutschland soll das bisherige Muster bei den politischen Entscheidungen die Probleme der sozial Benachteiligten immer weiter links liegen zu lassen, aufgebrochen werden. (Vgl. auch auf der Seite 2 unten bei https://www.labournet.de/?p=110444)

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=114163
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