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Soziale Folgen der Austeritätspolitik: Was bei den Griechenland-Verhandlungen wirklich auf dem Spiel steht

Karikatur zur Austeritätsdiktatur„Die Griechenland-Krise ist wieder im Fokus der internationalen Medien. Aber man sollte sich vergegenwärtigen, dass die Krise für die Menschen in Griechenland nie weg war – tatsächlich werden die Folgen der Austerität Tag für Tag schmerzhafter. (…) Ich habe Dutzende von Menschen interviewt, deren Leben von neuen Steuern, Rentenkürzungen und einer steigenden Arbeitslosigkeit geprägt ist. Sie bemühen oftmals die Geschichtsbücher, um sich einen Reim auf das Leben mit der Austerität zu machen. Die Angst vor der Rückkehr in die Zeit des Hungers, wie etwa während der Großen Hungersnot im Zweiten Weltkrieg, ist weitverbreitet. Und ein EU-Programm, das den nationalen Schuldenstand durch die Installation von Solarpanels auf Ackerboden senken sollte, wird vor Ort als eine Rückkehr zur Ära der deutschen und osmanischen Besatzung angesehen…“ Bericht aus der griechischen Provinz von Daniel M. Knight vom 20. Februar 2017 bei Makronom externer Link (Daniel M. Knight ist Dozent für Soziale Anthropologie an der University of St. Andrews. Seit 2003 forscht er in Thessalien zu den sozioökonomischen Auswirkungen der griechischen Wirtschaftskrise. Seine Ergebnisse hat er unter anderem in der Monografie „History, Time, and Economic Crisis in Central Greece“ aufgeschrieben). Wir nehmen diesen Bericht und die aktuelle Verhandlungsrunde (Dossier: Griechenland: Schuldenschnitt oder Steuererhöhungen und soziale Einschnitte. Memorandum IV steht bevor, IWF und die unter dem Druck Deutschlands agierende EU sind weiter uneinig) zum Anlass für eine aktuelle Materialsammlung zu den Lebensbedingungen in Griechenland:

  • Schuldenkrise und Landraub in Griechenland
    Die Eurogruppe will Ende des Monats wieder Experten zur Überprüfung von Reformen nach Athen schicken.“ So meldete es gestern die dpa. Von dieser Überprüfung hängt ab, ob Griechenland weitere Kredite erhält. Was in dieser Meldung alles nicht erwähnt wird, soll uns in den kommenden Minuten beschäftigen. Denn: Die Menschen in Griechenland leiden weiterhin unter den Sparmaßnahmen. Zu diesen Maßnahmen gehört beispielsweise die Privatisierung von öffentlichem Eigentum. Zur Zeit droht zum wiederholten Mal eine Privatisierung der zwei größten Wasserwerke, was vermutlich steigende Wasserpreise und damit eine erheblich schlechtere Versorgung der Menschen mit Wasser zur Folge hätte. Ein öffentliches Eigentum, das bereits im großen Stil privatisiert wurde, ist Land. Land, das sich in öffentlicher Hand befand, wurde seit 2010 zu großen Teilen verkauft und für Großprojekte in den Bereichen Energiegewinnung, Immobilienentwicklung und Tourismus erschlossen. Mit diesem Landraub hat sich der griechische Professor Costis Hadjimichalis beschäftigt, nämlich in seinem Buch „Schuldenkrise und Landraub in Griechenland“. Aus dem Neugriechischen übersetzt wurde das Buch von Celine Spieker. Mit Spieker sprach Saskia von Radio Corax.“ Interview vom 21.02.2017 beim Audioportal Freier Radios externer Link Audio Datei
  • Griechenland-Beratungen in Brüssel: Das Sparen am eigenen Leib spüren
    Die eigene Bettwäsche ins Krankenhaus mitbringen, bis zu 80 Prozent des Gehalts für Steuern und Sozialabgaben abgeben: Die Sparmaßnahmen, die Griechenland von der EU verordnet wurden, sind in jedem Bereich des öffentlichen Lebens angekommen. Kritiker werfen der Regierung Tsipras vor, die Wirtschaft zu bremsen…“ Bericht vom 21.02.2017 beim Deutschlandfunk externer Link
  • Griechen zahlen hohen Preis für den »Reformkurs« – Die sozialen Konsequenzen der Austeritätspolitik treiben viele in die Armut und die gut Ausgebildeten ins Ausland
    „Aus den Prognosen der Gläubiger Griechenlands ist bisher nichts geworden: Der Aufschwung steht weiter aus. Der ehemalige SYRIZA-Finanzminister Yanis Varoufakis kritisierte Anfang Februar in der BBC, dass die von den Gläubigern durchgesetzten makroökonomischen Reformen die wirklich nötigen Veränderungen im griechischen System sogar verhindert haben. Anstatt korrupte Oligarchen zu verfolgen, wurden hauptsächlich Arme, Arbeitslose und Rentner ihres ohnehin kleinen Einkommens beraubt. Tatsächlich betrifft der Großteil der Gesetzesänderungen seit Beginn der Krise Arbeitsrecht, Sozial- und Finanzpolitik. (…) Die sozialen Konsequenzen der Austeritätspolitik sind fatal. Viele gut ausgebildete junge Menschen wandern aus, denn die Arbeitslosigkeit unter den bis 24-Jährigen beträgt immer noch 46 Prozent, bei den bis 34-Jährigen 30 Prozent. Zusätzlich wurden von 2013 bis 2016 rund 150 000 Vollzeit- in Teilzeitstellen umgewandelt. Die verbleibenden Beschäftigten müssen oft monatelang auf ihren Lohn warten, der im Vergleich zu 2008 deutlich niedriger ist. Das gesamte Lohneinkommen ist seit Krisenbeginn um 27 Prozent gesunken. Aufgrund der schlechten Arbeitsmarktsituation sind viele Menschen auf die Renten ihrer Eltern angewiesen…“ Beitrag von Carolin Philipp, Athen, vom 20. Februar 2017 bei neues Deutschland externer Link
  • Daraus zusammengefasste Horrordaten Griechenland im Februar 2017:
    • Mindestlohn: 3,35 Euro pro Stunde,
    • 46 % Arbeitslosigkeit unter den bis 24-Jährigen,
    • 30 % Arbeitslosigkeit bei den bis 34-Jährigen,
    • Umwandlung von rund 150.000 Vollzeit- in Teilzeitstellen,
    • Lohneinkommen um 27 % seit Krisenbeginn gesunken,
    • 50 Prozent der griechischen Haushalte sind auf Rente als Haupteinnahmequelle angewiesen,
    • Prekarisierung und Verarmung verbreiten sich weiter,
    • Dauer und Wirkung von Tarifverträgen erheblich eingeschränkt.
    • Tsipras betont, dass seine Regierung keine weiteren Kürzungsmaßnahmen und Auflösung des Arbeitsrechts hinnehmen werde.
    • Der IWF möchte weitere Veränderungen im Arbeitsrecht, um als Geberinstitution in Griechenland einzusteigen.
    • Schäuble hält an seiner Zielvorgabe eines jährlichen primären Haushaltsüberschusses von 5,5 % des BIP über fünf Jahre fest. Das bedeutet weiterhin blutige Kürzungspolitik und eiserne Austerität. (Quelle: nd vom 20.02.2017)
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=112172
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