„The Euro and the Battle of Ideas“. Drei Bücher und der Versuch an ihnen entlang einen roten Faden zu spinnen

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 9.1.2016

Die Schlachten der Ideen wollen den Euro von unterschiedlicher Seite prägen: Jetzt – nach dem Brexit – stehen Deutschland und Frankreich sich im „Rheingraben“ der verschiedenen Ideen gegenüber

Drei international bekannte Ökonomen, der britische Wirtschaftshistoriker Harold James, der deutsche Spezialist für Geldpolitik Markus Brunnermeier sowie der französische Notenbanker Jean Pierre Landau – auch mit jeweils unterschiedlichen Froschungsschwerpunkten – treffen sich in Princeton und stellen ihre unterschiedlichen Sichtweisen über die Eurokrise fest. In einem gemeinsamen Buch „The Euro and the Battle of Ideas“ arbeiten sie die Unterschiede heraus. So ist ein Buch entstanden, interdiziplinär und aus verschiedenen nationalen Perspektiven. (http://press.princeton.edu/titles/10828.html externer Link) Der Historiker James meint, bei den unterschiedlichen Bewertungen gibt es zwischen Frankreich und Deutschland sogar so etwas wie einen Rheingraben (= Interview in der Frankfurter Rundschau vom 7. Januar 2017: http://m.faz.net/aktuell/wirtschaft/eurokrise/25-jahre-vertrag-von-maastricht-14567273.html externer Link)

In dem Vertrag von Maastricht zur Einführung des Euro wurden dann diese unterschiedlichen Sichtweisen – mit Hilfe von Großbritannien (Margaret Thatcher) – auf das vorrangige Marktprinzip festgezurrt. (Vgl. auch den Abschnitt „Europa mit dem Durchbruch zu einer Wirtschafts- und Währungsunion Anfang der 90-er Jahre ließ – dank Thatcher – die soziale Dimension hinter sich“ – im letzten Drittel der Seite 1 bei https://www.labournet.de/?p=109359)

Laut dem Wirtschaftshistoriker James ist dieser „Rheingraben“ zwischen Deutschland und Frankreich aber nicht unüberwindbar: „Was wir in unserem Buch und in unseren Diskussionen festgestellt haben: Ideas matter – Ideengeschichte zählt.“ (Und hier noch ein Buchexzerpt, wo besonders die – historisch gewechselten – Unterschiede der Wirtschafts-Ideen zwischen Frankreich und Deutschland dargestellt werden: http://www.milkenreview.org/articles/the-euro-and-the-battle-of-ideas externer Link. Wir müssen eben schauen, wo diese Traditionen und Differenzen herkommen. Und wer englisch besser gesprochen versteht, bekommt hier noch eine Einführung mit Harold James: https://www.youtube.com/watch?v=Qvpy1BlZHFI externer Link – und hier noch einmal der Deutsche Markus Brunnermeier in diesem Disput, der mehr – für das notwendige Zusammenraufen – die deutsche regelhafte Sichtweise vertritt: http://www.wiwo.de/politik/europa/markus-brunnermeier-franzosen-mit-schnellschuessen-deutsche-als-bremser/14501208.html externer Link)

Regeln für eine Währungsunion ohne dabei die außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte als wichtige Regel anzuerkennen? Das heißt wohl Regeln sollen nur gelten, soweit sie dem eigenen Dominanzstreben zu gute kommen?

Nur wenn man dann schon – von deutscher Seite – so auf einer Regelpolitik besteht, dann sollte man doch auch „geflissentlich“ die Regel bei einer gemeinsamen Währung einhalten – und „außenwirtschaftliche Ungleichgewichte“ dringend vermeiden, die – wie beim Euro seit einiger Zeit geschehen – eine Währungunion dauerhaft aus der Balance werfen. Deshalb muss Deutschland endlich seine außenwirtschaftslichen Ungleichgewichte beenden! (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/forum-mehr-investitionen-bitte-1.3324074 externer Link)

Deutschland besteht also auf einer Regelpolitik, die es, wenn es nicht passt, eben „links“ liegen lässt. Da bleibt Frankreich auch wohl nur die Chance eher auf Flexibilität zu setzen und auch darauf, dass der Staat eingreifen muss, etwa über Investitionen oder expansive Fiskalpolitik. Aber das liegt nicht in der DNA der Nationen, es hat historische Gründe. (http://bruegel.org/wp-content/uploads/2016/10/Presentation-by-Markus-Brunnermeier-and-Harold-James.pdf externer Link pdf)

Mit dem Austritt Großbritanniens könnte ein gemeinsamer Kompromiss für die gemeinsame Zukunft Europas eher gelingen.

Die Zukunft Europas und des Euro bewerten die Autoren jetzt gedämpft positiv, z. B. bei der Bankenunion. Der wahrscheinliche Austritt Großbritanniens macht Reformen eher wahrscheinlich, die Eurozone wird enger zusammenrücken… Das Problem sind eher Länder wie Deutschland,Frankreich und Italien, wo manche – noch immer – dem Irrglauben anhängen, sie könnten die Welt noch allein gestalten. (siehe z.B. die Rolle Deutschlands, die Hans Tietmeyer sehr im Sinne der Marktradikalität prägte (https://www.labournet.de/?p=109253)

Aber im Prinzip wird es eine Machtverschiebung geben, der Abschied Großbritanniens schwächt die marktfreundlicheren Kräfte in Europa. Das heißt aber auch, dass Deutschland und Frankreich näher zusammenrücken müssen.

Zur Europäischen Union gibt es keine Alternative. (http://frankfurter-erklaerung.de/2016/12/the-euro-and-the-battle-of-ideas/ externer Link) Deshalb müsste Ausgleich statt Austerität das Motto der Zukunft für eine solidarischere Europäische Union werden (http://www.axel-troost.de/article/9369.ausgleich-statt-austeritaet-fuer-eine-solidarische-europaeische-union.html externer Link), schon weil die Regel des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts in einer Währungsunion verletzt wurde. (Dies moniert gerade noch einmal Gustav Horn vom IMK: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/forum-mehr-investitionen-bitte-1.3324074 externer Link)

Nur die marktfreundichen Kräfte geraten auch in Deutschland angesichts der festgestellten „Abstiegsgesellschaft“ in die Defensive.

Diese Analyse über die deutsche „Abstiegsgesellschaft“ von Oliver Nachtwey – Abwärts auf dem Weg ins Prekariat – (http://www.deutschlandradiokultur.de/oliver-nachtwey-die-abstiegsgesellschaft-abwaerts-ins.950.de.html?dram:article_id=360390 externer Link) zeigt ganz offensichtlich wie das „ehemalige“ Versprechen der deutschen Marktwirtschaft, dass wir es besser haben wie unsere Eltern und unsere Kinder auch wieder – aber zumindest nicht schlechter, inzwischen einfach obsolet und nur noch hohl geworden ist. Deshalb bekam diese soziologisch-ökonomische Arbeit in diesem Jahr den Hans-Matthöfer-Preis für Wirtschaftspublizistik (http://www.buchmarkt.de/meldungen/oliver-nachtwey-erhaelt-den-hans-matthoefer-preis-fuer-wirtschaftspublizistik/ externer Link sowie noch bei https://www.fes.de/de/presse/aktuelle-pressehinweise/wirtschaftspublizistik-preis-wirtschaftweiterdenken-2016-geht-an-oliver-nachtwey/ externer Link)

Dabei ist diesem Werk jetzt zu wünschen, dass es heftig weiter diskutiert wird und damit auch ein wenig den Diskurs in diesem Wahlkampfjahr befruchten kann. (https://www.labournet.de/wp-content/uploads/2017/01/goes_nachtwey.pdf pdf)

Der 5. Reichtums-und Armutsbericht der Bundesregierung wird diesen „Abstiegs-Diskurs“ weiter befeuern.

Zwar enthält der Bericht durchaus Fakten zur sozialen Spaltung unserer Gesellschaft wie auch zum weiteren Anstieg der Armutsquote, stellt der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband fest. (http://www.der-paritaetische.de/startseite/artikel/news/armuts-und-reichtumsbericht-der-bundesregierung-paritaetischer-wohlfahrtsverband-weist-in-aktuelle/ externer Link). Aber wir haben weniger ein Erkenntnis-Defizit als ein politisches Handlungs-Defizit – das wird in der ausführlichen Stellugnahme noch ausführlich dargelegt (http://www.der-paritaetische.de/fileadmin/dokumente/downloads/170105_Stellungnahme_5_ARB-E.pdf externer Link pdf)

Deshalb fordert auch der DGB, die Regierung muss endlich handeln. (http://www.dgb.de/themen/++co++4097434c-d337-11e6-858b-525400e5a74a externer Link)

Der Neoliberalismus funktionert nicht, deshalb müssen wir die Zukunft neu erfinden.

Wir stehen eben nicht eine neuen rechten Weltordung gegenüber, sondern einer globalen hegemonialen Krise, dem Sterbebett des Neoliberalismus. Das erklären die Autoren Nick Srnicek und Alex Williams in ihrem Buch „Die Zukunft erfinden“ (http://www.taz.de/Archiv-Suche/!5368836&s=&SuchRahmen=Print/ externer Link).

Die Linke ist gerade in Deutschland sowohl ideologisch wie auch parteipolitisch stark fragmentiert, dass wir nicht im lokalen verharren dürfen, sondern auf einen größeren Maßstab und längere Zeiträume abzielen müssen – statt sich ständig in der schwächeren Position zu sehen und direkte Ergebnisse zu fordern. Wir brauchen also eine Strategie, die es schafft stetig mehr Macht zu akkumulieren vor allem an den Schlüsselstellen der Gesellschaft…

So muss die – jeweilige – Linke fexibler sein und auf die Komplexität der Gegenwart eingehen. Es darf nicht, wie das bei vielen Linken eine Obsession ist, darum gehen, ein perfektes Modell zu schaffen.

Besser wäre es, gemeinsame Ziele zu formulieren und diese mit den bereits existierenden Parteien, Gewerkschaften, sozialen Bewegungen, ThinkTanks und zivilen Organisationen zu verknüpfen. Die jeweils unterschiedlichen Organisationen sind zu unterschiedlichen Handlungen in der Lage, weshalb es darauf ankommt, – immer wieder – neue Bündnise zu schaffen

Die zwar immer mehr an Macht gewinnenden autoritären Rechten haben keine Antworten auf die drei großen Bedrohungen der Welt: Klimawandel, Automtion, globale Migration. Deshalb stehen wir recht eigentlich nicht einer neuen rechten Weltordung gegenüber, sondern einer globalen hegemonialen Krise, dem Sterbebett des Neoliberalismus. (http://www.taz.de/Archiv-Suche/!5368836&s=&SuchRahmen=Print/ externer Link)

Was das bedeutet, können wir uns recht schnell klarmachen, wenn wir nur einen ganz aktuellen Blick auf das vor uns liegende Jahr 2017 werfen. (https://www.labournet.de/?p=109520)

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=109710
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