Nach Brexit und Trump-Wahlsieg in den USA warnen prominente Ökonomen: Macht etwas gegen die rasant wachsende Ungleichheit – Europa kann nur bestehen, wenn es sozial wird!

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 30.11.2016

Ein Blick auf das Wahlkampfjahr 2017 in Deutschland – Nach Brexit und Trump-Wahlsieg in den USA warnen die Ökonomen: Marcel Fratzscher (der DIW-Chef) mahnt jetzt „unseren amerikanischen Traum“ an: Die soziale Marktwirtschaft – hatte sie nicht das Versprechen „Wohlstand für alle“ statt – jetzt – rasant wachsender Ungleichheit? (http://www.sueddeutsche.de/politik/aussenansicht-unser-amerikanischer-traum-1.3271592 externer Link)

Dabei finden „unsere“ Wirtschaftsweisen (Sachverständigenrat / SVR) noch immer, Ungleichheit gibt es in Deutschland gar nicht – und so berühren diese deutschen „Top“-Ökonomen in ihrer marktradikalen Beschränktheit noch nicht einmal an die uns ganz zentral berührenden Probleme : „Gerechtigkeit ist in Deutschland laut dem SVR schon längst „vollendet“: Deshalb ist für den SVR eine Diskussion über Verteilung einfach überflüssig“ (siehe die Seite 3 f. bei https://www.labournet.de/?p=106557).

Dieses Thema unter diesem Blickwinkel beherrscht dann auch Sarah Wagenknecht (siehe weiter unten die Haushalts-Debatte). Und der Schauspieler Klaus Maria Brandauer wendet gegen die Europa-Skeptiker ein: Europa ist die Lösung nicht das Problem! (http://www.sueddeutsche.de/kultur/klaus-maria-brandauer-im-interview-europa-ist-die-loesung-nicht-das-problem-1.3271747?reduced=true externer Link) Und Brandauer findet, verteufelt diese Rechten und Europafeinde nicht, das macht sie nur immer weiter stark. Stattdessen sollte es wieder eine Vision von einem geeinten Europa geben: „Europa geht auch solidarisch“ findet daher eine Partei-Grenzen übergreifende Initiative: Statt populistischer Renationalisierung. Für ein geeintes Europa bitte links abbiegen – statt hilflos fasziniert den Aufschwung der Rechten zu betrachten, denen es um eine Zerschlagung der europäischen Idee geht. (Siehe auf der Seite 1 unten bei https://www.labournet.de/?p=106977)

Und der Ökonom Dennis Snower, Präsident des Kieler IfW-Instituts, der jetzt, wenn Deutschland die Präsidentschaft der G20-Staaten übernimmt, die Koordinierung der Arbeit von Denkfabriken aus den G20-Staaten übernimmt, erklärt: „Europa wird nur weiter bestehen, wenn es ein soziales Europa wird.“ (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/dennis-snower-das-ganze-eskaliert-1.3271946?reduced=true externer Link) Die EU muss ihren Kurs ändern, um weiter die transnationale Zusammenarbeit hinzubekommen, die als Vorbild für die Welt dienen soll. Somit darf die EU sich nicht nur weiter über wirtschaftliche Zusammenarbeit definieren. Das machen die Wähler nicht mehr mit. Wenn wir jetzt nicht aufpassen werden immer mehr Menschen entmächtigt – und gleichzeitig erzielen die Besitzer der Maschinen hohe Gewinne. Die Ungleichheit wächst – und mit ihr die Wut. „Das Ganze eskaliert“, findet Dennis Snower.

Angesichts der G20-Präsidentschaft von Deutschland stößt Attac ja auch einen „Alarm-Schrei“ aus. „Brandbeschleuniger für mehr soziale Ungleichheit“ (http://www.attac.de/presse/detailansicht/news/brandbeschleuniger-fuer-mehr-soziale-ungleichheit/ externer Link)

Diese „Entmächtigung“ spiegelt sich auch in der Debatte über die Arbeitszeit. Hier wird von den Arbeitgebern ein Ende des Achtstundentages gefordert – obwohl dieser schon längst nicht mehr zur wirtschaftlichen Realität in Deutschland gehört (http://www.fr-online.de/wirtschaft/arbeitszeiten-in-deutschland-abschied-vom-acht-stunden-tag,1472780,34973874.html externer Link).

Da aber nicht alles – und für alle – in der Zukunft der Digitalisierung nur schlecht / oder nur gut ist, sieht Alexander Hagelüken einen doppelgesichtigen „Freund-Feind“, der jetzt auch noch gestaltet werden muss. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/neue-arbeitswelt-andrea-nahles-hat-die-zukunft-der-arbeit-verstanden-1.3271910 externer Link)

Zu dieser janusköpfigen Digitalisierung mit ihren ganzen Unsicherheiten beachte auch die Diskussion zum Grundeinkommen, die zuletzt der Siemenschef Joe Kaeser wieder anstieß. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/sz-wirtschaftsgipfel-siemens-chef-plaediert-fuer-ein-grundeinkommen-1.3257958 externer Link) Dies sah Ulrich Schäfer in der durch die Digitalisierung neu aufgeworfenen neuen sozialen Frage begründet. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kommentar-die-neue-soziale-frage-1.3257787 externer Link) Der bayerische IG-Metaller Jürgen Wechsler dagegen sah darin gleich einen Paradigmenwechsel,in dem von der Verantwortungskultur auf eine Fürsorgekultur des Staates umgesattelt werden wird. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/siemens-schelte-von-der-ig-metall-1.3268655 externer Link)

Wobei nur angemerkt werden darf, diese Diskussion hatten die Gewerkschaften schon beim (staatlichen) Mindestlohn. Dennoch zeigt diese Auseinandersetzung, welch prinzipieller Diskussionsbedarf auch hier besteht. (Vgl. zu Digitalisierung und Grundeinkommen auch die Übersicht bei https://www.labournet.de/category/politik/fetisch/existenzgeld/bge4-0/)

Und nach dieser jetzigen Debatte noch einen Rückblick auf die einschlägigen Debatten vorher: Das Faszinosum einer Haushalts-Debatte – auch einmal ein Stückweit nicht nur ökonomie-ideologisch gesehen, sondern auch biografisch „gewürzt“: Zwei Frauen – Zwei Ostdeutsche – und die Grundlage waren westdeutsche Ökonomie-Ideologien der Vergangenheit.

Man muss das ja nicht nur ökonomie-theoretisch begreifen, sondern kann auch einmal die biografischen Prägungen miteinbeziehen: Sosehr ich immer wieder die „allgemeine“ – vielleicht auch theoretische – Erörterung schätze, sosehr ergreift mich doch auch immer wieder das jeweils aktuelle Geschehen, in dem ich mich dann wieder zu finden suche – wie jetzt diese Haushaltsdebatte im Bundestag, wo – soweit noch vorhanden – politische Gegensätze hart aufeinander prallten.

Und wie gesagt, es waren jetzt in der Hauptsache 2 Frauen, die an diesem Tag die Debatte bestimmten – zwei Frauen, die beide aus Ostdeutschland stammen – und somit davon auszugehen ist, dass sie ihre „polit-ökonomische“ Identität zunächst „postsozialistisch“ zu verankern suchen. (Da wäre die Frage angebracht, gibt es denn keine Westdeutschen mehr – vielleicht auch Männer? -, die ihre politische Identität in diesen schwankenden Zeiten noch suchen – oder schon „immer“ gefunden haben ? Oder „spiegelt“ sich das in den Positionen dieser beiden Frauen alles?)

Die eine (Wagenknecht) nimmt die noch – auch durch die USA geprägte (Stichwort „New Deal“ / Franklin Roosevelt) – keynesianische Phase (Ludwig Erhard: Wohlstand für alle) als Leitbild, während die andere den sich entfaltenden marktradikalen Neoliberalismus – nach dem Scheitern von „Bretton Woods“ – mit Thatchers „TINA“ (There is no Alternative) zu ihrem Weltbild gemacht hat – und wohl noch fest in ihm verankert ist. Kann dieses Weltbild der Angela Merkel jetzt durch das populäre Politk-Vorbild (auch für die CDU) Ludwig Erhard mit einer Phase wesentlich größerer Gleichheit in Deutschland mit Sarah Wagenknecht erschüttert werden?

Deshalb wäre es jetzt die entscheidende FRAGE, ob in diesem „Diskurs“ die Politik noch „zu sich selbst“ für eine soziale Zukunft findet – für ein – wie ehemals versprochen – soziales Europa? (ohne dass ich wiederum die Sarah Wagenknecht hier schon „vorbildhaft“ angekommen finde… (Vgl. dazu auch die Seite 2 das sechste Abschnittchen bei https://www.labournet.de/?p=106977) Was daraus dann „dereinst“ einmal wird, müssen wir sehen.

Zusätzlich mit den Anregungen von Ken Loach in seinem Film „Ich, Daniel Blake“, wie Institutionen eben nicht nur „verfasst“ als Europäische Union (vgl. Dieter Grimm) sondern auch soziale Verwaltungen wie die Arbeitsverwaltung „herrschenden“ Ideologien verhaftet sind bzw. marktradikalen Ideologien regelrecht ihnen „eingeschrieben“ sind.

So trefflich Wagenknecht bezüglich der sozialen Lage in Deutschland argumentiert, so „fahrlässig“ wird es bei ihr im internationalen Kontext (Syrien & Co.) – und auf letzteres konzentriert sich dann auch Merkel…

Und die „für das Ganze“ so bedeutende Zukunft Europas? Bleibt in dieser Debatte weitgehend eine Leerstelle !

Schlagabtausch zur sozialen Lage in Deutschland bei der Haushalts-Debatte des Bundestages – Die Kanzlerin Angela Merkel redet – und Sarah Wagenknecht provoziert gegen die große Koalition im Zeitalter des „Postfaktischen“

Jedenfalls Zuhörer auf der Tribüne des Bundestages finden, dass sie bei den Reden von Angela Merkel „alles schon 100-mal gehört zu haben – und vor allem, dass die Kanzlerin es nicht für nötig hielt, auf die Argumente ihrer Vorrednerin (Sarah Wagenknecht) einzugehen“. (http://www.fr-online.de/politik/generaldebatte-schlagabtausch-im-bundestag,1472596,34960158.html externer Link)

Tatsächlich, erklärt die Frankfurter Rundschau, war die Rede der Kanzlerin abstrakter als die der Fraktionschefin der Linken, auf die sie zudem nicht persönlich ansprach, sondern nur als „Eingangsstatement von der linken Seite“ erwähnte… Nachzuhören auch auf Youtube (Merkel und Wagenknecht: https://www.youtube.com/watch?v=j9d4xOKfgME externer Link )

Nico Fried schreibt in seinem Artikel zu dieser Haushalts-Debatte (http://www.sueddeutsche.de/politik/haushaltsdebatte-im-bundestag-disruption-alternativlos-1.3263353?reduced=true externer Link): „Die Fraktionschefin der Linken legt als erste Rednerin ordentlich gegen die Kanzlerin los und kommentiert Merkels Kandidatur mit einem Zitat von Albert Einstein: „Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.“ Offenbar habe die Union nicht begriffen, dass in Amerika gerade das „Weiterso“ abgewählt worden ist. Auch in Deutschland hätten „immer mehr Menschen gute Gründe, sich wütend zu fühlen.“ Die Kombination aus „staatlicher Reichtumspflege“ und „Wir schaffen das“ haben dramatische Folgen. Wagenknecht hat es in diesen Debatten nie leicht, sich Gehör zu verschaffen, schreibt Nico Fried weiter. In der Union wird bei ihr stets viel gejohlt und geschimpft, und auch die Kanzlerin ignoriert zunächst die Bitte der Oppositionspolitikerin, ihrer Rede zu folgen. Das ändert sich jedoch nach einiger Zeit, als Wagenknecht aus Schreiben von Menschen vorliest, die sich bei ihr beschwerten: „Der einfache Bürger kämpft ums Überleben, während sich die Herrschenden nicht um uns kümmern“, habe ihr eine Frau gemailt. An der Ruhe, die allmählich im Plenum einkehrt, merkt man, dass mancher Vorhalt den schwarz-roten Koalitionären wenigstens wehtut.
Vielleicht reagieren sie deshalb besonders wütend, als Wagenknecht sagt, selbst ein Donald Trump habe wirtschaftspolitisch mehr drauf als die amtierende Regierung. Der künftige US-Präsident habe erkannt, dass gegen die Krise keine Kürzungen helfen würden, „sondern ein groß angelegtes Investitionsprogramm“.
Am Ende legt Sarah Wagenknecht noch eins drauf: Wer nicht bereit sei, sich mit den wirtschaftlich Mächtigen anzulegen, „sollte aufhören, sich den Trumps und Le Pens moralisch überlegen zu fühlen“, giftete Wagenknecht: „Das sind sie nicht.“ (https://www.youtube.com/watch?v=-aI7K9tFDyw externer Link )

Nach dieser Bundestags-Debatte einmal den Film von Ken Loach „Ich, Daniel Blake“- Zusätzliche Anregung noch durch den Film von Ken Loach „Ich: Daniel Blake“ (Goldene Palme in Cannes) Ken Loach äußert sich in einem Interview zu seinem Film (http://www.fr-online.de/film/regisseur-ken-loach–der-staat-weiss-genau–was-er-tut-,1473350,34958894.html externer Link): „Die Regierung weiß genau, dass sie die Leute bestraft. Und ich glaube dass es einen ideologischen Grund dafür gibt: Man will die Armen glauben machen, dass sie selbst schuld seien an ihrer Armut. – Aber: es gibt in Großbritannien 5,5 Millionen Menschen, die unterbeschäftigt sind. Und: Tatsächlich ist es so, dass sich die Wirtschaft dahin gehend entwickelt, dass der Pool an Arbeitslosen immer größer wird. (in Deutschland sind es dann die Zahl der „Working Poor“ – Am trotz Arbeit)(https://www.ndr.de/kultur/film/Sozialdrama-von-Ken-Loach-Ich-Daniel-Blake,danielblake102.html externer Link und auch noch: http://www.deutschlandradiokultur.de/ken-loach-ich-daniel-blake-die-freie-marktwirtschaft-ist.2168.de.html?dram:article_id=371829 externer Link)

Dazu noch:

Doch ein ausgeweiteter Armuts-Diskurs durch den Bundespräsidenten-Kandidaten Christoph Butterwegge

Schau so versuche ich das im „Großen und Ganzen“ zu begreifen (und wieder zusammen zu fügen): Da schafft die SPD – einfach ganz forsch – einen Niedriglohnsektor und reduziert sich politisch heftig zu einer kleineren Partei – und dann kommt Bertelsmann und erklärt die neue Situation als politisch ziemlich brisant… Nachdem selbst Bertelsmann – doch ziemlich eindeutig – vor den langfristigen Folgen der liberalisierten Arbeitsmärkte mit einem zunehmenden Armutsrisiko warnt, bringt die Linke Butterwegge als Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl ins Spiel. (http://www.sueddeutsche.de/politik/bundespraesidentenwahl-der-gegenkandidat-1.3257781 externer Link) Können wir jetzt dann doch über diese Politiken – nachdem ein solcher gesellschaftlicher Schaden entstanden ist – jetzt doch wieder nachdenken?

Der „Index für soziale Gerechtigkeit“ bringt es an den Tag: Die soziale Destruktivität der politisch initiierten Spaltung des Arbeitsmarktes (Agenda 2010 usw.) in Richtung Armut ist bisher stärker als die Gegenmaßnahmen (z.B. der Mindestlohn).

Butterwegge wird in diesen Zeiten der wunderbar gut gesetzte „Gegen“kandidat für den dann sicher gewählten Bundespräsidenten Steinmeier sein. (http://www.ksta.de/politik/bundespraesidenten-kandidat-butterwegge–ich-wuerde-gerne-aufruetteln–25130648 externer Link)

Und auf die Frage von Jan Heidtmann in der Süddeutschen, was er als Bundespräsident – der er realistischerweise nie werden wird – sagen würde: Ich würde eine Berliner Rede halten: zum Niedriglohnsektor als Einfallstor für heutige Erwerbs- und spätere Altersarmut, zu der sich ausbreitenden Wohnungsnot in einem reichen Land und über jene Gesellschaftsmitglieder, die kein Gehör bei den etablierten Parteienb finden. Ich würde mich freuen, wenn ich die Menschen aufrütteln könnte, gegenb die sich vertiefende Kluft zwischen Arm und Reich anzugehen. Das halte ich für die Hauptaufgabe des neuen Bundespräsidenten in einer Zeit, die dadurch gekennzeichnet ist, dass frühere Wähler anderer Parteien rechtspopulistischen Demagogen vertrauen, weil sie Angst vor dem sozialen Abstieg haben. (http://www.sueddeutsche.de/politik/bundespraesidentenwahl-der-gegenkandidat-1.3257781 externer Link)

Denn an diesem Punkt werde ich gespannt sein (wie ein Flitzbogen), wie unser – dann wohl gewählter – Bundespräsident Steinmeier, der dereinst einmal ein Architekt dieser Spaltung des Arbeitsmarktes (Agenda 2010) war, sich dann zu diesem Problem unserer – inzwischen – sozial mit ziemlichem Tempo erodierendnen Gesellschaften verhalten wird… Martin Kaul meint daher geradeheraus: „Er ist nicht der Richtige“ (https://www.taz.de/!5353878/ externer Link)

Ein künftiger Präsident wird die soziale Frage zu einem Kernanliegen machen müssen. Wie die Frage Ausgrenzung und Teilhabe in Deutschland – politisch – beantwortet wird, wird darüber bestimmen, ob es gelingt, die Entwicklung zu einer immer stärkeren Polarisierung, zu Fremdenfeindlichkeit und Gewalt aufzuhalten. Was kann Steinmeier, Architekt der Agenda 2010, dazu beitragen?

Ja, und deshalb ist jetzt Christoph Butterwegge der angemessene „Ergänzungs“ (= besser als „Gegen“-) Kandidat, denn Steinmeier sollte ja nicht an der sozialen Frage „wegtauchen“. (http://www.ksta.de/politik/bundespraesidenten-kandidat-butterwegge–ich-wuerde-gerne-aufruetteln–25130648 externer Link)

…. und ein allgemeines Grundeinkommen

Und gerade mit Butterwegge wird auch die vom Siemens-Chef Joe Kaeser jetzt wieder auf geworfene Frage nach einem Grundeinkommen interessant (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/sz-wirtschaftsgipfel-siemens-chef-plaediert-fuer-ein-grundeinkommen-1.3257958 externer Link) und die Frage, wie durch die Digitalisierung die soziale Frage neu aufgeworfen wird. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kommentar-die-neue-soziale-frage-1.3257787 externer Link)

Index für soziale Gerechtigkeit belegt, Spaltung des Arbeitsmarktes steigert laufend für immer mehr Menschen das Armutsrisiko

Aber gerade zum gleichen Zeitpunkt weist eine Studie der Bertelsmann-Stiftung auf das durch die Spaltung des Arbeitsmarktes dann so richtig hervorgerufene Armutsrisiko – das bisher nur immer weiter steigt und dies trotz steigender Beschäftigung, macht Barbara Dribbusch aufmerksam! (http://www.taz.de/Archiv-Suche/!5354013&s=&SuchRahmen=Print/ externer Link) „Ein steigender Anteil von Menschen, die nicht von ihrer Arbeit leben können, untergräbt die Legitimität unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung“, findet dann sogar Aart de Geus – Vorstandschef der Bertelsmann-Stiftung.

Jetzt gerade, als ein „Konstrukteur“ der Spaltung des Arbeitsmarktes mit der Agenda 2010 zum nächsten Bundespräsidenten bestimmt wird, bringt aktuell die Bertelsmann-Stifung mit dem „Index für soziale Gerechtigkeit“ die so ekklatant ungleichen Verhältnisse in Europa – aber auch in Deutschland, dem ökonomischen Spitzenreiter in Europa, – auf den Punkt.

Dabei wird nicht nur klar, dass ein Job gar nicht reicht, um der Armut zu entkommen. Und so heißen die Überschriften jetzt auch zu der EU-Gerechtigkeits-Index genannten Untersuchung: „Arm trotz Arbeit“ oder „Arm trotz Vollzeitjob“. Und das Risiko in die Armut zu schlittern, ist auch in Deutschland noch hoch. Der Anteil der davon bedrohten Vollzeitbeschäftigten ist von 5,1 Prozent im Jahr 2009 auf 7,1 Prozent im Jahr 2015 gestiegen. Immerhin gab es leichte Verbesserungen gegenüber 2014. Das deutet auf erste Wirkungen nach der Einführung des Mindestlohnes hin, heißt es im „Social Justice Index 2016“.

Nur – und das ist das eigentliche Drama für den Mindestlohn: Er ist kaum in der Lage das Tempo in das immer weiter gestiegene Armutsrisiko – gerade in Deutschland – zu verlangsamen, macht Barbara Dribbusch deutlich. (http://www.taz.de/Archiv-Suche/!5353906&s=&SuchRahmen=Print/ externer Link)

Die politische Sprengkraft liegt also heute nicht mehr so sehr in den Arbeitslosenzahlen, die ja im Moment vergleichsweise gut aussehen – sondern in der steigenden Bedrohung durch die Armut.

Wachsender Niedriglohnsektor lässt „working poor“ ständig anwachsen.

Ein Autor – Schraad-Tischler – dieser Untersuchung merkt deshalb sein Erstaunen über den allgemeinen Anstieg an: „Wir waren überrascht, dass trotz steigender Beschäftigung in Europa das Armutsrisiko – auch in Deutschland! – nicht geringer wird. Als eine Ursache nennt Studienautor Daniel Schraad-Tischler unter anderem den wachsenden Niedriglohnsektor, sowie eine Spaltung der Arbeitsmärkte in reguläre Beschäftigung einerseits und Leiharbeit, Teilzeitarbeit oder zeitlich befristete Arbeitsverträge andererseits. (http://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2016/november/aufschwung-an-europas-arbeitsmaerkten-kommt-nicht-bei-allen-menschen-an/ externer Link)

Hier reicht dann eben ein Vollzeitjob nicht mehr zum Leben – und die Gruppe für die die Soziologen den Begriff „working poor“ geprägt haben, wächst ständig. (http://lostineu.eu/immer-mehr-working-poor/ externer Link, siehe dazu auch noch Ulrike Heidenreich bei http://www.sueddeutsche.de/politik/eu-gerechtigkeitsindex-arm-trotz-vollzeitjob-1.3248775 externer Link und Stefan Sauer bei http://www.fr-online.de/wirtschaft/einkommen-arm-trotz-arbeit,1472780,34937448.html externer Link)

Mei, und jetzt zitieren wir keinen Gewerkschaftschef, sondern lassen noch einmal den Vorstandschef der Bertelsmann-Stiftung, Aart de Geus, das Wort ergreifen, da ja gerade Bertelsmann & Co. es auch war, die Kanzler Schröder hin zu dieser neoliberalen Wende mit der Deregulierung der Arbeitsmärkte begleitet haben: „Die wachsenden Perspektivlosigkeit vieler junger Menschen – die von Armut europaweit besonders betroffen sind – spielt den erstarkenden populistischen Bewegungen in die Hände. Wir dürfen nicht riskieren, das sich die Jugend frustriert zurückzieht.“ Die Situation abgehängter ju nger Europäer sei eine Gefahr für die Zukunft der Gesellschaft – und Europa. (zu einer Kurzfassung des Index für soziale Gerechtigkeit: http://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/Abstract_NW_Social-Justice-Index_2016_deutsch.pdf externer Link pdf)

Wenn also die Protagonisten der neoliberalen Wende – jetzt – vor den langfristigen Folgen dieser unkontrollierten Entblößung der Schutzfunktion auf dem Arbeitsmarkt warnen, dann müsste es doch – auch für eine marktliberal- irregeleitete SPD – Zeit sein, diese „Geschichte“ auch über den Mindestlohn hinaus zu überdenken. Es geht – doch wirklich einmal – nur darum die angemessenen Zahlen ins Verhältnis setzen – und die politischen – jetzt wiederum „gewendeten“ Schlussfolgerungegn daraus ziehen.

Und weiter zu einer Gleichheits-Diskussion in unseren so radikal auseinanderdriftenden westlichen Gesellschaften

Deshalb Dir – etwas weiter ausholend – eben einfach noch etwas zu Trump, den USA sowie zur Diskussion über die Ungleichheits-Verhältnisse bei uns!

Der soziale Hintergrund zum Wahlsieg von Donald Trump in den USA: „Die Rache der Abgehängten“. Wie Stephan Kaufmann in der FR analysiert: Alle Kontroll-Berechnungen zeigen, in den US-Bundesstaaten mit sehr ungleicher Verteilung liefen die Wähler eher ins republikanische Lager über. Und: In der Gruppe der  Amerikaner mit Jahreseinkommen unter 30 000 Dollar stieg der Anteil der Republikaner-Wähler um 16 Prozentpunkte. (http://www.fr-online.de/us-wahl/us-wahl-die-abgehaengten-schlagen-zurueck-,11442534,34927916.html externer Link)

„Damit ähneln die Bestimmungsfaktoren des Trump-Sieges denen des Brexit-Votums in Großbritannien“, erklärt das Brüsseler Bruegel-Institut nach einer Analyse des Wahlverhaltens in den USA: (http://bruegel.org/2016/11/income-inequality-boosted-trump-vote/ externer Link)

Erstmals in der Geschichte glauben die US-Amerikaner nicht mehr, dass ihre Kinder es besser haben werden. Das sorgt für Enttäuschung in der Bevölkerung – und den Wunsch nach Veränderung. Viele Menschen haben ihre Jobs verloren, ihr Einkommen, ihre Rente, ihr Sicherheitsnetz“, schreibt Naomi Klein in der britischen Zeitung „Guardian“. (https://www.theguardian.com/commentisfree/2016/nov/09/rise-of-the-davos-class-sealed-americas-fate externer Link) „Für Menschen, die Sicherheit als ihr Geburtsrecht begreifen – vor allem weiße Männer – sind diese Verluste unerträglich. Und Donald Trump spricht zu ihnen – und die Brexit-Kampagne spricht zu ihnen,“ erklärt Naomi Klein.

Jedenfalls mahnen internationale Ökonomen jetzt ganz allgemein, etwas gegen die Ungleichheit zu tun. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/globale-folgen-trumps-groesste-befuerworter-werden-seine-groessten-opfer-sein-1.3243393?reduced=true externer Link)

Vielleicht kann jetzt gerade in dieser Zeit – siehe dieser – wenn auch knappe – Wahlsieg von Donald Trump in den USA – diese klare Gegenrede zur ausgeklammerten Ungleichheits-Frage in Deutschland bei unserem „Sachverstänigenrat Wirtschaft“ (SVR) deinen Ärger – aber anders als die AfD! – über diesen SVR doch ein wenig noch verstärken ?

Sachverständigenrat doch einmal auch in der Verteilungsfrage im Kreuzfeuer der Krtitik: Wie die Memorandumsgruppe das so offensichtliche empirische Desaster dieses Sachverständigenrates offen legt: Die Verteilungsfrage ist die entscheidende Frage in der Ökonomie (Memo-Gruppe), der Sachverständigenrat Wirtschaft dagegen klammert die Verteilungsfrage einfach komplett aus: Ohne eine Basis in der wirtschaftlichen Realität bleibt der Sachverständigenrat Wirtschaft in seinen alten ideologischen Gräben einfach nur stecken. (Siehe vor allem die Seiten 3 f. „Gerechtigkeit in Deutschland ist laut diesem SVR schon längst „vollendet“: Deshalb ist für diesen SVR eine Diskussion über Verteilung einfach überflüssig“ – bei der kommentierten Presseschau von Volker Bahl vom 3.11.2016: https://www.labournet.de/?p=106557)

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=107955
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